Plattenkrach: Courtney Barnett – Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit

Courtney Barnett

2015 erweckte nicht nur minutenmusik das Licht der Welt, sondern auch das Debütalbum „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“. Mit dieser Ausgeburt an Lässigkeit bringt die Australierin den Slack Rock auf die großen Bühnen. Für Julia ein einschneidendes Album, für Alina ertönt die Platte für dieses Special zum ersten Mal aus der Box. Wie empfinden die beiden die Platte?

Julia findet:

2015 war das Jahr, in dem ich noch mit einem Bein in der Metalcore & Emo-Phase steckte und mit dem anderen nach einem neuen Halt suchte. Da kam mir Courtney Barnett entgegengeschlurft, reichte ihre laffe Hand hin und versprach Verheißungsvolles. „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ ist alleine seines Titels wegen ein großartiges Debütalbum, der Inhalt tut sein Übriges. Und Barnett bringt mal eben den Slack in den Rock und mein junges Herz in den Indie. Hach.

Aber wieso denn genau diese junge, leicht verschrobene Australierin? Vielleicht liegt es an ihrer lässigen Schlurfigkeit, bei der man sich fragt, wie sie überhaupt die Konsequenz an den Tag legen konnte, ein ganzes Album zu schreiben, geschweige denn aufzunehmen und zu produzieren. Die Gitarren könnten auch auf einer Hängematte abhängen, Barnett erweckt selbst in den größten Momenten den Eindruck, man würde gerade bei einem Schlafzimmer-Konzert zuhören. Und das im bestmöglichen Sinn.

Dennoch müssen Hörer*innen nicht auf die lauten, intensiven Momente verzichten, wie etwa „Small Poppies“ mit seinem Gitarren-Inferno oder das tanzbare „Aqua Profunda!“ beweisen. Ein bisschen mit dem Kopf nicken ist erlaubt, mehr Bewegung ist heute nicht angesagt.

Vielleicht sind es aber auch die Texte, die ganz unterschiedliche Schattierungen annehmen können. Ganz alltägliche Dilemmata bekommen hier ihre eigenen Hymnen, wie etwa „Nobody Really Cares If You Don’t Go To The Party“ mit schönen Sätzen wie „I’d rather stay in bed with the rain over my head / Than have to pick my brain up off of the floor / I wanna go out but I wanna stay home“ beweist. Im Kontrast dazu nimmt Barnett dann noch – lässig wie eh und je – den Kapitalismus auseinander: „Give me all the money and I’ll make some origami, honey“ („Pedestrian At Best“).  Für andere düsterere Kapitel ist aber auch Platz. Großartig.

Aber vielleicht ist es auch gerade die schlichte Absage gegen jede Form von normiertem Wohlklang. Barnetts Stimmfarbe ist sehr matt, der Gesang nicht auf Weltklasse-Niveau, das Songwriting vermeidet den einfachen Weg und ist eh viel zu uneingängig für irgendwelche Hits. Eigentlich. Denn das Debüt schafft es trotzdem, schnell einen Sog zu entwickeln, in dem man sich gerne zu Barnett auf die Couch fläzen möchte. Und irgendwie entstehen dabei doch einige strahlende Momente, in der man die unangepasste Größe der Musikerin erkennt.

„Put me on a pedestal and I’ll only disappoint you“ heißt es in „Pedestrian At Best“ und genau das ist es vermutlich am Ende, was mich überzeugt hat. Barnett will nicht gefallen und keinen Erwartungshaltungen entsprechen. Und dieser langsame Mittelfinger gen Musik-Industrie hat am Ende mein Herz gewonnen.

Alina entgegnet:

Ich muss ehrlich zugeben: Von Courtney Barnett habe ich bis dato noch nie etwas gehört. Und das, obwohl Google mir sagt, dass die Australierin eigentlich recht bekannt ist. Anscheinend gerade wegen ihrer Songwriting Skills und wegen ihres Genres, dem Indie-Rock. So gar nicht meins. Nichtsdestotrotz gibt es bei Julias und meinem Musik-Geschmack viele Überschneidungen. Weswegen ich recht optimistisch an das Debütalbum „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ der Sängerin herangetreten bin. Um das allerdings schon einmal vorwegzunehmen: Dieser Optimismus hat nicht lange gehalten.

Was mich zunächst direkt stört, ist der Titel des Albums. Im Internet wird dieser lobpreist, weil er kreativ und originell ist. Aber ist ein Albumtitel wirklich originell, den man zehn Mal lesen muss, bis man ihn behalten hat? Und würde René Descartes sich nicht im Grab umdrehen, wenn jemand die Behauptung aufstellt, dass man etwas tun kann ohne zu denken? Vielleicht mag das bereits kleinkariert klingen, aber der Albumtitel holt mich nicht ab.

Genauso wenig wie der Opener des 11 Songs langen Albums: „Elevator Operator“. Was nicht an der Melodie oder am Beat liegt, sondern an Courtney Barnett selber. Ich habe selten eine so gelangweilte Stimme gehört, die so wenig Nuancen besitzt. Es erscheint fast, als hätte sie sich im Halbschlaf ins Tonstudio gesetzt und nie die Tonlage verändert. Monoton. Und das nicht nur beim ersten Song, sondern bei allen. Die Worte wirken wie dahingerotzt, getragen und ohne einen Funken Spannung. Facettenreich klingt anders.

Einzig beim letzten Song „Boxing Day Blues“ wirkt das plötzlich gut. Ein bisschen im Lorde-Stil haucht Courtney Barnett die Wörter, was sehr passend zum Rest des recht langsamen Tracks ist. Melodisch überzeugt auch das fast sieben Minuten lange „Small Poppies“. Gesanglich eher weniger. Vielleicht mag es auch am Genre liegen, aber nach dem Hören des Albums habe ich noch immer keinen blassen Schimmer, wer Courtney Barnett ist und ob ihre Stimme eine schöne Klangfarbe hat oder nicht.

Derweil ist ihr Songwriting recht einfallsreich, wenn mich auch die „humorvollen Stellen“ nicht catchen. Courtney Barnett befasst sich mit sehr alltäglichen Gedanken in ihren Liedern – nach meinem Geschmack teilweise schon fast zu alltäglich und bizarr. Biogemüse in „Dead Fox“ ist da ein Beispiel. Steigende Hauspreise in „Depreston“ ein anders.

Was am Ende bleibt, ist gähnende Langeweile. „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit” ist musikalisch gesehen sicherlich ein gutes Rock-Album. Denn von den Melodien her stimmt alles. Aber Courtney Barnett packt mich nicht. Für mich fehlt das Persönliche, das Besondere. Im Gegenteil wirkt ihre Stimme über elf Songs gleichbleibend monoton und einschläfernd. Vielleicht liegt es auch am Genre, aber das Album, dessen Namen ich nicht noch einmal ausschreiben möchte, ist so gar nicht meins. Liebe Julia, wir treffen uns dann vielleicht demnächst doch besser im Mainstream-Bereich wieder.

Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.

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Die Rechte am Albumcover liegen bei Marathon.

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