Freitag, 12 Uhr. Die Endorphine kicken rein. Vor dem Haupteingang zum Festivalgelände warten die ersten Fans darauf, dass die Tore endlich aufgehen und die Securities nach kurzem Check den Eintritt aufs Infield gewähren. Für drei Tage Extase. Drei pickepacke volle Tage auf allen Bühnen. So fühlt sich das also an, wenn man zurückkehrt zum ersten großen Festival, mit dem damals alles begann. Mein viertes Mal Rock am Ring. Auch für meine beiden Begleitungen (mit dabei Autorin Lucie und Franzy) war es die vierte Runde Rock am Ring – ich hatte aber die längste Pause. Zuletzt habe ich das Infield 2014 betreten. Das ist gut und gerne 9 Jahre her – langsam fange ich auch an mein Alter zu hinterfragen. Mit dem MS Dockville 2019 war selbst das letzte größere Festival schon wieder 4 Jahre her.
Nun sollte es also wieder einmal soweit sein. Drei Tage Rock am Ring. Dieses Mal ohne Camping (Thema: das Alter), das ich auch wirklich nicht vermisst habe. Die Aufregung im Vorfeld war aber ganz ähnlich wie früher. Nervöses Packen im Vorfeld, die Timetable-Planungen, wen darf man auf gar keinen Fall verpassen, wo müssen Wege und Essenszeiten mit eingerechnet werden usw. Inzwischen haben die meisten Autor*innen dieses Blogs – also auch ich – wahrscheinlich mehrere hunderte Bands live gesehen. Es kommt also zu vielen Wiederholungsshows und man kann die ganze Sache insgesamt entspannter angehen.
Trotzdem war dann da doch irgendwie sehr viel im Timetable, was ich sehen wollte. Veranstalter DreamHaus hatte zu keiner Zeit die Möglichkeit ausgelassen darüber zu sprechen, wie vielseitig und divers das Line Up sei. Ich hatte aus dem Bauch heraus ein ähnliches Gefühl und den Eindruck, dass ich zumindest in den Ausgaben die ich bisher besucht hatte (2012, 2013, 2014) nicht so einen bunten Strauß an Genres zur Verfügung hatte. Hier gab es von Folk über Hip Hop, Rock, Pop, Rap, Metalcore und Metal plus diverse andere (Sub)-Genres wirklich fast alles zu entdecken. Elektronische Acts sind allerdings im Vergleich zu anderen Billings der letzten Jahre etwas in Vergessenheit geraten. Nach dem Festival wollte ich dieses subjektive Gefühl allerdings auch noch einmal objektiv überprüfen. Dazu habe ich mir das Line Up in der Rock am Ring History noch einmal etwas genauer angeschaut. An dieser Stelle gilt ein ausdrücklicher Dank an Nico ohne dessen Grundlage diese Recherche deutlich mehr Zeit gekostet hätte und vielleicht niemals fertig geworden wäre. So vielfältig war Rock am Ring 2023 also tatsächlich:
Insgesamt haben 73 Acts final auf dem Festival gespielt. Davon waren 35 Acts zum ersten Mal auf dem Festival. Die meisten Acts davon sind eher kleinere und noch neuere Künstler*innen, aber selbst unter den größeren Namen waren einige zum ersten Mal dabei. Während Apache 207, Provinz und FiNCH erst seit einigen Jahren so erfolgreich sind und es deshalb weniger überraschend ist, dass sie zum ersten Mal am Ring auftraten, waren auch Juju und NOFX zuvor noch nie bei Rock am Ring. 14 Künstlerinnen und Künstler waren erst zum zweiten Mal bei Rock am Ring, dazu gehören auch einige Namen, die relativ hohe Positionen im Timetable erhielten: Giant Rooks, Kontra K, Machine Gun Kelly, Sum 41, Thees Uhlmann und Yungblud.
Von den 73 insgesamt aufgetretenen Acts haben 26 zuletzt vor mehr als 5 Jahren einen Auftritt bei Rock am Ring absolviert. Für sieben Acts ist der letzte Auftritt sogar mehr als 10 Jahre her: Incubus (2008), Flogging Molly (2009), Silverstein (2011), Thees Uhlmann (2011), Evanescence (2012), Steel Panther (2012), Limp Bizkit (2013).
Und selbst wenn man das Headliner-Trio alleine betrachtet, sind schon einige Jahre ins Land gegangen, seit diese zuletzt bei Rock am Ring gespielt haben. Gerade in der obersten Reihe ist es immer so eine Sache mit der Vielfalt, aber Kings of Leon waren zuletzt 2014 bei Rock am Ring, Die Toten Hosen 2017 und die Foo Fighters 2018.
Dreamhaus hat hier also tatsächlich einen Punkt – das Line Up 2023 war eine vielseitige Mischung an neuen Künstlerinnen und altbekannten, die teils sehr lange nicht mehr da waren. Ob das Line Up nun wirklich vielseitiger war als die Vorgängerjahre oder, wie Dreamhaus behauptet ein “bis dato noch nie so vielseitiges und diverses Bühnenprogramm” dazu müsste noch ein Vergleich mit den Vorjahren her. Das ist nun aber doch noch einmal ein extremer Aufwand… und eigentlich wartest du als Leser*in dieses Artikels doch vor allem auf eine Sache: Wie waren denn nun die Konzerte?
Freitag, 02.06.2023
Los ging es mit Flogging Molly auf der Utopia-Stage. Der erste Act des Wochenendes präsentierte sich gut aufgelegt, es gab die erste Bewegung im Publikum bei perfektem Sonnenwetter. Das war ein schöner Start, dem wir für einige Songs lauschten bis es uns in Richtung Mandora Stage verschlug. Hier eröffneten Hot Milk die erste Band des Wochenendes, die wir mit Freude erwarteten. Die New Gen Rockband aus England war energiegeladen, wovon sich das zahlreich erschienene Publikum anstecken ließ. Die Dynamik von Sänger/Gitarrist Jim und Sängerin Han ist einfach für die großen Bühnen gemacht. Kein Wunder also, dass Lucie über die nicht voll ausgenutzte Spielzeit enttäuscht war. Ich war allerdings total zufrieden, denn ich kannte die Band im Vorfeld kaum.
Gleich nach Hot Milk trennten sich die Wege. Während sich Lucie und Franzy zur Utopia Stage aufmachten, sollte für mich der größte Teil des Freitags ein ständiges Pendeln zwischen Mandora und Orbit Stage darstellen. Ich fand das extrem angenehm, stundenlang Musik ohne Unterbrechung und ohne riesige Menschenmassen und das teils nervige Ampel-System an der Utopia-Stage. Die oft verhasste Zugangssteuerung an der größten Bühne des Festivals sollte jedoch in diesem Jahr kaum Ärger machen, waren doch insgesamt wohl rund 20.000 Menschen weniger auf dem Gelände im Laufe des Wochenendes. Insgesamt war es sowieso ein sehr angenehmes Festival, was die Menschenmassen anging. Das Publikum teilte sich auch ganz gut über Gelände und Bühnen auf, so dass es nie wirklich anstrengend wurde. Das habe ich am Nürburgring schon ganz anders erlebt.
Lucie und Franzy erlebten ein durchwachsenes Konzert von Fever 333 mit leider grottigem Sound – auch ein altbekanntes Problem, dass an der Utopia Bühne gerne mal durch die schwierigen Wind-Verhältnisse auftritt. Allerdings traten Fever 333 auch in neuer Besetzung auf, wodurch sie noch nicht so eingespielt auf der Bühne wirkten.
Zunächst sehr durchwachsen startete auch das Set der Rap-Newcomer Bounty & Cocoa auf der Mandora Stage. Es fing schon damit an, dass die Rapperinnen zunächst das Mikrofon auf der Bühne nicht fanden (obwohl es direkt vor ihnen stand) und es auch das eine oder andere technische Problem gab. Zudem war vor der Bühne kaum etwas los – jedenfalls deutlich weniger als noch zuvor bei Hot Milk. Nach dem extrem holprigen Start, der wohl sicher auch etwas der Aufgeregtheit der beiden Rapperinnen geschuldet war, kamen Bounty & Cocoa aber gut rein, genossen ihr Set und auch der vordere Bereich füllte sich zunehmend. Das Publikum hatte viel Freude in der Nachmittagssonne zu den Hip Hop Beats zu tanzen und die Lines mitzurappen. Bounty & Cocoa ebneten den Weg für noch viele weitere Rap-Artists am ganzen Wochenende, die ordentlich abgefeiert wurden.
Von der Mandora aus ging es für mich zur kleinsten Bühne, heute Orbit – ehemals Club-Stage. Hier traten Brutus auf, die mit ihrem Progressive Rock/Math Rock dem allgemeinen Festivalfan noch nicht wirklich ein Begriff sein dürften. Entsprechend war der Andrang vor der Bühne nicht all zu hoch – ich frage mich aber immer, ob das nun wirklich etwas Schlechtes sein muss. Denn die Leute, die da waren, haben eine astreine Show gesehen und einige nehmen sicherlich mit, sich noch einmal intensiver mit der belgischen Band zu befassen. Die drei Musiker*innen auf der Bühne gaben jedenfalls alles und besonders Leadsängerin und gleichzeitig Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts stach mit ihrer stimmlichen und musikalischen Leistung hervor. Brutus bauten das Schlagzeug von Mannerts seitlich auf, so dass man ihr wunderbar beim Spielen zusehen konnte. Das war ein schönes Konzert, was aber vermutlich in einem kleinen dunklen Club noch ein wenig besser gewirkt hätte. Grundsätzlich bin ich aber ein großer Fan der Orbit Stage.
Für einige Songs von Mehnersmoos wechselte ich kurz zur Mandora Stage, hier war es nun so langsam richtig voll. Das hatte ich bereits erwartet, sind Mehnersmoos doch für viele 18-20-Jährige einer der Rap-Acts der Stunde – vergleichbar mit K.I.Z. für uns damals. Den einen oder anderen Song finde ich auch ganz witzig, aber insgesamt scheine ich wohl langsam zu alt zu sein für diesen Humor.
Schnell sollte es aber wieder zurück zur Orbit Stage gehen, denn hier war nun ein astreiner Abriss zu erwarten. Den gab es erfreulicherweise auch von Employed To Serve, die eines der ersten Highlights des Rock am Ring Wochenendes darstellten. Einfach nur ein schwarzer Banner mit dem Schriftzug “Employed To Serve”, ein großer Mosh-Pit vor der Stage, brachiale Musik, die sich irgendwo zwischen Metalcore und Death Metal bewegt und die überragende Stimmgewalt von Justine Jones – mehr braucht es nicht um mich und viele andere vor der Bühne zu begeistern. Nur auf Platte reißt mich das gar nicht so sehr mit, das spricht allerdings gleichzeitig sehr für die Livequalitäten der Band. Sollte man definitiv weiter auf dem Schirm haben.
Lucie und Franzy verweilten weiter an der Utopia Stage und erwarteten das Konzert von Yungblud. Insgesamt berichteten die beiden von einem guten Konzert. Die Songs machen durch springbare Beats und easy Sing-Along einfach Spaß. Schön wäre es allerdings gewesen, wenn Yungblud mehr davon gespielt hätte statt so viel zu reden. Publikumsinteraktion ist schön und gut, aber bei einigen Künstler*innen artet es leider sehr aus. Eine schöne Aktion hatte der britische Musiker allerdings bereits außerhalb des Festivalgeländes dabei: In einem von ihm arrangierten Auto konnten Fans einen neuen Song über das Autoradio Probe hören. Bei seiner Pre-Listening-Aktion schaute Yungblud zwischenzeitlich auch selbst vorbei, performte einen Song und stand für Fotos und kurze Fangespräche zur Verfügung. Auch diese kleinen Momente der Künstler*innen und Fan-Nähe sind immer wieder ein gerne gesehenes Schmankerl auf Festivals.
Auf der Mandora-Stage ging es derweil mit Juju weiter, die sich selbst über ihren verhältnismäßig frühen Slot wunderte. Juju war dann auch der erste Act des Festivals, den ich im Vorfeld bereits einmal gesehen hatte. Besonders das erste Album hatte mir damals sehr zugesagt und Songs wie “Live Bitch” oder “Coco Chanel” gehören auch immer noch mit zu den größten Hits der Berlinerin. Ein solides Konzert bei dem zum ersten Mal, aber gewiss nicht zum letzten Mal an diesem Wochenende, Konfettiregen auf das Publikum vor der Bühne herunterprasselte.
Nach einigen Songs machte ich mich dann aber ebenfalls auf den Weg zur Utopia Bühne mit den schlimmsten Befürchtungen. Denn hier sollten nun Limp Bizkit auftreten, die ich irgendwie immer noch ganz cool finde und die mich bei Rock am Ring 2013 komplett vom Hocker gehauen haben. Auch objektiv gesehen gehören Limp Bizkit immer noch zu den ganz Großen und “Break Stuff” oder das “Behind Blue Eyes”-Cover laufen früher oder später bei jeder Rockparty. Die schlimmsten Befürchtungen kamen natürlich von der peinlichen Show in Frankfurt im April dieses Jahres, bei der Fred Durst seine Stimme aufgrund einer Erkältung nach drei Songs verlor und dann statt die Show abzubrechen, irgendwelche Fans die Songs auf der Bühne performen ließ und zeitgleich die Performance eben jener Fans kritisierte. Generell umweht Limp Bizkit so ein Hauch von “war früher alles geiler” und “so richtig bringen die es auch nicht mehr auf die Bühne”, dementsprechend niedrig waren meine Erwartungen. Alles andere als eine unmotivierte Show hätte mich hier überrascht.
Und oh my wurde ich überrascht! Fred und Co. hatten richtig Bock. Der Frontmann startete zwar zunächst mit der katastrophalen Ansage “I want this to be like 99!” – ehm, samma? und dem größten Technik Fuck Up des Wochenendes. Für geschlagene fünf Minuten herrschte Stille auf der Stage, da die komplette Anlage sich verabschiedet hatte. Aber nachdem diese Startschwierigkeiten behoben waren und von Fred Durst mit den ikonischen Worten “What the fuck??” quittiert wurden, konnte es richtig losgehen. Limp Bizkit spielten eine insgesamt echt gute Show, blödelten ein bisschen herum, aber konzentrierten sich im Endeffekt doch auf ihre beliebtesten Hits. Entsprechend wild war die Party vor der Bühne: Dort war reichlich Bewegung in allen Zuschauerblöcken zu beobachten. Ich war froh, Limp Bizkit nun noch ein zweites Mal live zu sehen und extrem überrascht, wie gut diese Show war. Da haben Fred und Co. wirklich einen absoluten Sahne-Tag erwischt.
Gleich im Anschluss stand mal wieder eine Wanderung über das ikonische Nürburgring-Gelände an. Auf dem Weg wurde noch ein Leberkäse-Burger (übrigens foodtechnisch zusammen mit dem veganen Burger mein Highlight des Wochenendes) mitgenommen und dann sollte es zu Giant Rooks gehen. Hier war zunächst sehr wenig los, so dass ich problemlos in die vorderen Reihen kam, wo ich plötzlich direkt neben Lucie stand. Im Laufe des Sets füllte sich die Mandora Stage aber dann doch ganz ordentlich. Giant Rooks spielten ein souveränes Set und haben sich den internationalen Erfolg, der ihnen inzwischen zu teil wird, einfach verdient. Fünf Musikern auf der Bühne zu zu schauen, die riesigen Spaß bei dem haben, was sie tun – was gibt es Schöneres? Das Konzert war etwas fürs Herz. Beim Sonnenuntergang den Klängen von “Bedroom Exile” oder “Wild Stare” zu lauschen war einfach nur traumhaft. Dass die Jungs das extrem epische und geniale Ende von “What I Know Is All Quicksand” in der rookery live tapes Version nicht genau so dargeboten haben, ist in meinen Augen ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ich denke besser nicht weiter drüber nach, sonst rege ich mich nur wieder auf.
Nach diesem wirklich sehr schönen Konzert sollte gleich ein absolutes Tages-Highlight folgen. Das war uns Dreien bereits im Vorfeld klar, denn mit Silverstein spielte eine Band auf der Orbit Stage, die wir alle gerne mögen. Ich ganz besonders gerne, ist Silverstein doch einer meiner meistgehörten Künstler*innen seit 2020. Die Jungs rund um Shane Told spielten ein energiegeladenes Set. Die Kanadier präsentierten sowohl neue Songs aber auch viele ältere Hits für Nostalgiker von den noch heute beliebten Platten “When Broken Is Easily Fixed” und “Discovering the Waterfront” . Shane bedankte sich mehrfach beim Publikum für die Energie und besonders dafür, dass überhaupt Publikum erschienen war, lief doch gleichzeitig schon die Show der Foo Fighters auf der Mainstage. Ein besonders Highlight des Sets war das Cover von “One Step Closer” mit dem Silverstein Linkin Park ehrten, die beim letzten Rock am Ring Gig der Band – im Jahre 2011 – als Headliner ebenfalls vor Ort waren.
Apropos Headliner, da stand ja noch etwas auf der Liste für den heutigen Tag. Also noch schnell rüber zu den Foo Fighters. Auf die freute ich mich auch sehr, waren sie doch eine der großen Bands, die schon lange auf meiner Liste standen und die ich noch nie live bewundern durfte. Leider wurde der Auftritt der Foo Fighters zu einer großen Enttäuschung, eine der wenigen an diesem Wochenende. Natürlich sind die Foo Fighters Legenden: Dave Grohls Gesang ist unvergleichlich, die Anzahl an Hits ist unfassbar und rein vom Sound her klingt das auch musikalisch alles spitzenmäßig. Aber gerade wenn eine Band so viele Hits hat und eine gigantische Diskografie, dann würde ich auch gerne mehr davon hören. Stattdessen gab es eeeextrem langgezogene Solis, jeder Song wurde gefühlt noch einmal zwei Minuten lang ausgefadet. Es folgte eine super lange und umfangreiche Vorstellung der Band und so ging es immer weiter. Nicht falsch verstehen: Ich habe nicht nur auf die alten Hits gewartet, ich mag auch vieles von den neuen Sachen und, was ich vom neuen Album “But Here We Are” bisher gehört habe, hat mir durchaus gefallen. Aber irgendwie hat die Band es nicht geschafft mich mitzureißen. Ich habe mich eher arg gelangweilt. Vielfach habe ich die gleiche Meinung von anderen Fans auf dem Gelände gehört, andere haben laut eigener Aussage ein großartiges Konzert gesehen. Am Ende war es wohl Geschmackssache. Wirklich Extase war aber weder im vorderen Bereich noch ganz hinten im Zuschauerbereich auszumachen, lediglich bei den allergrößten und allseits bekannten Hits.
Zum Abschluss des Tages nahmen wir noch ein paar Klänge von Apache 207 auf der Mandora Stage mit. Das sah nach einer Menge Spaß aus und das “Ey jo was geht” verfolgte mich noch das ganze Wochenende lang. Schlussendlich fiel die Show aber der Müdigkeit zum Opfer.
Samstag, 03.06.2023
Neuer Tag, neues Glück! Gemeinsam mit Lucie startete ich den Tag mit cleopatrick. Hier war direkt viel vor der Bühne los, was auch von den zwei Musikern gewürdigt wurde. cleopatrick sind ein Duo aus Kanada, dass auf den Spuren von Royal Blood unterwegs ist (bzw. zumindest musikalisch viel Ähnlichkeit mit den Briten aufweist). Das hat auf jeden Fall Laune gemacht und war ein guter Start in den zweiten Tag.
An der Mandora Stage ging es weiter mit einem absoluten Highlight für Lucie: Bury Tomorrow. Die Briten sind ihre absolute Lieblingsband und waren das erste Mal mit dem neuen Album “The Seventh Sun” auf dem europäischen Festland unterwegs. Die Metalcore-Band erwartete ein voller erster Wellenbrecher und ein massiver Pit und – das war leider schon etwas anstrengend – eine schier unendliche Anzahl an Crowdsurfern. Bury Tomorrow hätten sicherlich auch deutlich später spielen können, genug Energie und Feuer auf der Bühne hat die Band allemal. Hervorzuheben ist auch noch der enge Kontakt zu den Fans: Frontmann Daniel Winter-Bates trifft nach jeder Show die Fans und das selbst auf den großen Festivals wie Rock am Ring. Das ist sehr cool und das macht noch lange nicht jede Band.
Franzy und ich waren derweil an der Mainstage und sahen den Auftritt von Blond. Hier habe ich in der Abwägung zwischen Bury Tomorrow und Blond im Nachhinein einen Fehler gemacht. Beide Bands hatte ich zwar schon einmal live gesehen, aber Blond war für mich dann doch wichtiger, da mir das neue Album “Perlen” richtig gut gefällt. Ich hatte hier auch erwartet, dass die Band mit dem Album und den diesjährigen Festivalgigs einen großen Schritt nach vorne machen kann und bin auch weiterhin optimistisch, dass das früher oder später passiert. Ich war dann bei Rock am Ring aber doch erstaunt, dass es nicht sonderlich voll vor der Bühne war. Leider hatten Blond auch mit großen Technikproblemen zu kämpfen, so dass sie ihr Set mehrfach unterbrechen und insgesamt wohl auch etwas in der Setlist streichen mussten. Leider hat der Auftritt so gar nicht bei mir gezündet. Der Preis für die besten Outfits und Dance Moves geht aber ganz klar an die Band aus Chemnitz.
Auf der Utopia Stage ging es an diesem Tag weiter mit Nothing But Thieves und Provinz. Erstere sind eine der Rockbands der letzten Jahre, die wohl noch lange nicht ihren musikalischen Höhepunkt erlebt haben. Zumindest hoffe ich das. Die Stimmung auf und vor der Bühne war großartig und auch der Sound zeigte sich an diesem Tag von seiner besseren Seite. Frontmann Conor Mason nutzte seine einzigartige Stimme nur für wenig Interaktion mit dem Publikum, die Band hatte sich wohl vorgenommen so viele Songs wie möglich ins Set zu packen. Das stieß auch durchaus auf positive Resonanz bei den Festivalbesucher*innen. Während es für Lucie das erste Konzert der Band war, hatte ich die Band vor einigen Jahren bereits in einem sehr kleinen Club in Frankfurt gesehen. Das Fazit war für uns beide aber gleich: Jederzeit wieder!
Von Provinz wussten Lucie und Franzy ebenfalls positiv zu berichten, ich hatte mich zeitgleich schon wieder auf den Weg in Richtung Mandora Stage gemacht. Provinz sind eine der deutschen Bands, die sich in den letzten vier bis fünf Jahren eine immer größere Zuschauerschaft erspielt haben und inzwischen wohl in deutschen Indiekreisen wohl kaum noch wegzudenken sind. Die Band ist eine der wenigen, die neben Rock am Ring und Rock im Park in diesem Jahr auch das Hurricane/Southside mitnimmt. Dort dürften ähnlich sommerliche Vibes zu erwarten sein, wie sie auch bei Rock am Ring aufkamen. Dazu sei noch das stimmige Bühnenbild mit großen orangenen Vorhängen zu erwähnen.
Richtig voll war es an der großen Bühne allerdings wohl nicht, denn der Place to be an diesem Festivalsamstag war augenscheinlich die zweite Bühne – die Mandora Stage. Während Elizabeth “Lzzy” Hale, die Halestorm-Frontfrau, mit ihrer krassen Stimme das Publikum in Bewegung brachte, füllte sich der Bereich vor und neben der Bühne immer mehr. Hier sollte es heute noch richtig voll werden. Da das Halestorm Konzert überwiegend in meine Essenspause fiel, habe ich mir das Treiben vor der Bühne von weit hinten angeschaut. Entsprechend kann ich dazu auch nicht mehr viel mehr sagen als das der Gig von den Fans allem Anschein nach ganz gut angenommen wurde.
Lucie und Franzy machten nach Provinz noch einen Ausflug zur Orbit Stage für Boy Bleach. Neben dem Schatten vor der Bühne (geil!!) überzeugte die New Gen Rockband mit einem kurzen aber stimmungsvollen Set. Zwar kannte die Band so gut wie niemand der Schattensuchenden, aber mit dem Cover von Britney Speares “Toxic” blieben die Briten sicher in einigen Köpfen hängen.
Für mich ging es weiter mit Hollywood Undead. Die sind zwar gefühlt alle paar Jahre in Deutschland und auch regelmäßig bei Rock am Ring aber irgendwie hatte ich es bis dato nicht geschafft ein Konzert der Band zu sehen. Eigentlich höre ich Hollywood Undead auch gar nicht mehr, aber trotzdem schadet es doch nicht die Hits von vor 10 Jahren noch einmal live mitnehmen zu können. Vor der Mandora Stage war es dann wie bereits bei Halestorm voll bzw. noch voller. Und damit meine ich: VOLL. Ich habe mich ehrlich gesagt gefragt, ob ich irgendetwas verpasst habe in den letzten Jahren oder, ob es einfach daran lag, dass mit Papa Roach eine sehr beliebte Band im späteren Programm folgen sollte? Da sich nach dem Konzert von Hollywood Undead jedoch viele Fans zunächst wieder von der Bühne entfernten, muss die US-amerikanische Rap-Rock-Truppe wohl noch einmal einen guten Hype erfahren haben in den letzten Jahren. Hier war jedenfalls richtig viel los und das Publikum war besonders bei den neueren Songs sehr textsicher, die mir wiederum gar nicht so bekannt sind. Für mich war es jedenfalls schön die Band endlich mal live zu sehen und der Auftritt war ordentlich. Sonderlich hängen geblieben ist er allerdings auch nicht, da gab es ganz andere Gigs beim diesjährigen Rock am Ring.
Zum Beispiel den der französischen Metalband Gojira, die ich bereits vor einigen Jahren in mein Herz geschlossen habe. Entsprechend euphorisch erwartete ich dieses Highlight und wurde nicht enttäuscht. Das war ein Abriss vom Allerfeinsten. Für mich waren Gojira der Act des Festivals bzw. spielten sie wahrscheinlich das beste Konzert des Wochenendes. Es war beeindruckend, welche Energie die vier Musiker auf der Bühne entfalteten und wie sich diese ab Song 1 auf das Publikum übertrug. Es wurde gemosht, es wurde geheadbangt, es gab Feuereffekte, es gab Konfetti. Es war ein einziges Metal-Fest. Frontmann Joe Duplantier sagte zwar, dass seine Stimme am heutigen Tag ein wenig lädiert sei, davon war allerdings überhaupt gar nichts zu merken. Und das bei den krassen Growls und Screams die Duplantier ins Mikrofon schreit. Erschreckenderweise musste ich nach meiner Rückkehr feststellen, dass ich Gojira wohl scheinbar schon einmal 2012 bei Rock am Ring gesehen habe. Da kannte ich die Band allerdings kaum und habe auch null Erinnerungen an den Auftritt. Den 2023er Auftritt dagegen werde ich sicherlich noch lange in Erinnerung behalten!
Parallel beobachtete Lucie einfach mal einen ganzen Auftritt von der “Scheiß Tribüne” aus. Die Band Incubus und insbesondere deren Hit “Drive” wollte sie unbedingt mal live sehen. So genoss sie das Set, das Wetter und die Aussicht über die Eifel gemeinsam mit den Bury Tomorrow Gitarristen Ed Hartwell und Kris Dawson von der Tribüne aus. Life’s good!
Auch Papa Roach kamen in den Genuss einer proppevollen Mandora Stage. Jacoby Shaddix musste sich gar keine große Mühe geben das Publikum einzuheizen, kennt doch inzwischen jeder zahlreiche Songs aus allen Epochen der Band. Egal, ob “Broken Home”, “Infest” oder “Last Resort” oder die neueren Lieder “Help” und “Swerve” – bis in die hinteren Reihen war die Stimmung durchweg gut. Papa Roach sind eine starke Liveband und werden wohl einfach die nächsten zwanzig Jahre so weitermachen wie bisher. Wieso auch nicht? Der Sound funktioniert und den Leuten macht es Freude.
Auf der Utopia Stage wehte derweil ein Hauch von Hollywood. Jack Black und Kyle Gass waren als Tenacious D ebenfalls mal wieder bei Rock am Ring vertreten und scheinen sich immer noch größter Beliebtheit zu erfreuen. Ich höre die Musik der Zwei nicht mehr und dachte auch eigentlich, dass der Hype nach dem umjubelten Auftritt 2012 etwas abgeflacht sei, das scheint aber mitnichten der Fall zu sein. Zu Tausenden strömten die Festivalbesucher*innen zur Hauptbühne und konnten neben der Musik auch den großen aufblasbaren Teufel im Bühnenbild bewundern. Tenacious D kommen bei Rock am Ring einfach immer wieder gut an.
Von K.I.Z. habe ich nur einige Elemente mitbekommen zu Beginn und Ende des Sets. Das hat aber schon ausgereicht um festzustellen, dass dort der wahrscheinlich größte Abriss des Wochenendes stattgefunden hat. Egal wohin man von der Tribüne aus blickte, überall gab es Moshpits. Vorne in A, in der Mitte im B-Bereich bis hin in den Bereich C waren die Menschen in Bewegung. Insgesamt habe ich locker 10 bis 15 Moshpits gezählt. Zudem war das Publikum extrem textsicher und konnte fast jede Line der Berliner Rap-Crew mitrappen.
Am zweiten Tag des Festivals stand dann der umstrittenste Headliner an. Es war nicht die erste Headline-Show der Kings of Leon bei Rock am Ring. Diskussionen hat es aber seit dem ersten Auftritt 2011 gegeben. Rein von den Zahlen her, ist klar, dass Kings of Leon ganz oben aufs Plakat gehören. An sich ist es auch nichts Besonderes, dass es in vielen Jahren unter den drei Headlinern auch immer mal wieder ruhigere Acts gab. Trotzdem tun sich Fans der härteren Gangart mit Kings of Leon schwer. Die Bilder vom Auftritt der Band sind jedenfalls deutlich, der vordere Bereich ist zwar noch sehr gut gefüllt, aber bereits der halbe B-Bereich war sehr leer am Samstagabend. Das mag auch am Programm auf den anderen Bühnen gelegen zu haben, bemerkenswert war es allerdings schon.
So weit die objektiven Fakten, mein subjektives Konzerterlebnis sieht dann schon ganz anders aus. Ich bin aber auch absolut befangen. Ich liebe Kings of Leon, ich halte sie für eine grandiose Liveband und freute mich darüber bereits zum dritten Mal die Möglichkeit zu haben die Familie Followill live zu sehen. Wenig Interaktion mit dem Publikum? Mir doch egal. Ein unfassbar guter Livesound gepaart mit einer grandiosen Setlist? Oh ja! Genau das will ich von Kings of Leon. Und genau das gab es auch. Auf die Ohren und in die Herzen. Hier steht wirklich zu 100% die Musik im Vordergrund. Ein paar wenige Animationen auf den Screens sind schon das höchste der Gefühle. Ein Feuerwerk oder Ähnliches gab es meines Wissens nach nicht – falls Zuschauer*innen die weiter hinten standen mehr gesehen haben als ich, änderte ich diesen Abschnitt hier gerne noch einmal. Das Fazit ist für mich aber klar – das war ganz großes Tennis. Kings of Leon machen Musik, in der man sich verlieren und träumen kann. Lucie sieht das genau so und hätte tatsächlich auch schon wieder Lust auf ein Konzert. Also gerne schnell wieder kommen!
Wie am Vortag marschierten wir auf dem Weg in Richtung Auto noch für ein paar Songs bei der Mandora Stage vorbei. Der Sound bei Evanescence war hier selbst in den hinteren Bereichen außergewöhnlich gut und im Nachhinein wäre ich gerne etwas länger geblieben. Aber eine Mischung aus Müdigkeit und Vernunft (Tag 3 plus anschließender Arbeitstag für alle drei Beteiligten wollten noch überlebt werden) sorgte dafür, dass wir gleich nach “Going Under” den Weg nach Hause antraten.
Sonntag, 04.06.2023
Der letzte Tag des Festivals sollte für uns Drei mit dem Konzert von Sum41 beginnen. Gemeinsam mit vielen Fans machten wir uns auf den Weg zur Mainstage, hier spielten Sum41 erstaunlich früh am Tag. Es war jedoch direkt richtig voll, hatten die Punkrocker doch erst kürzlich angekündigt, dass es bald vorbei sein wird mit ihrer jahrelangen Karriere. Zuvor soll jedoch noch ein neues Album erscheinen, dass ebenfalls mit einer Tour bedacht werden wird. Da es aber trotzdem für viele wahrscheinlich die letzte Chance gewesen sein wird, Sum41 live zu sehen, spielte die Band ein absoluts Best Of Set nur mit alten Klassikern. Das sorgte für richtig Stimmung und glückliche, schwitzende Gesichter. Die Sonne war nämlich ebenfalls mal wieder in Höchstform am Start.
Eine für vermutlich einige Besucher*innen blöde Überschneidung bestand am Sonntag dadurch, dass Three Days Grace bereits auf der Mandora Stage begannen, während Sum41 noch auf der Utopia Stage spielten. Mit kurzer Verspätung schaffte ich es dann mit vielen anderen rüber und erlebte eine gut aufgelegte Band und ein sehr textsicheres Publikum. Egal, ob die alten Gassenhauer wie “Animal I Have Become” oder “Riot” gespielt wurden oder Songs des erst 2022 veröffentlichen Albums “EXPLOSIONS”. Das Publikum bewies Textsicherheit. Die Band scheint eine stabile Fanbase zu haben.
An der Orbit Stage tummelten sich wie an den ersten zwei Tagen wieder mehr Schattengenießer als Fans der Acts. Für die sympathische Sängerin Lauren Sanderson war das aber kein Problem. Sie war das erste Mal in Deutschland unterwegs und steckte gleich den einen oder anderen mit ihrer Euphorie an, das Tanzbein zu schwingen. Hut ab, denn die Britin performte ganz alleine auf der Bühne.
Gleich im Anschluss brachte Charlotte Sands den Emo-Rock der 2000er Jahre zurück, sowohl vom Style her als auch von der Musik. Mit “Dress” und “Keep Me Up all Night” hat die US-Amerikanerin bereits einige Songs, die zumindest in dem Haushalt, in dem ich lebe seit einigen Wochen regelmäßig laufen. Sands hatte viel Spaß auf der Bühne und auch im Publikum wurde reichlich getanzt. Auch hier gab es leider zwischenzeitlich kurze Technik-Probleme, die jedoch von der Sängerin gut überbrückt wurden. Kurzerhand stimmte Charlotte Sands einfach “Since you’ve been gone” von Kelly Clarkson an und alberte mit dem Publikum herum. Während des Konzertes fiel Lucie, Franzy und mir noch einmal auf, dass wir die kleine Orbit Stage wirklich lieben. Es ist so angenehm zwischendurch Konzerte mit kleinem Publikum zu besuchen und ohne drängeln relativ weit nach vorne zu kommen. Das ist wirklich eine gute Abwechslung zwischen den großen Auftritten auf den anderen beiden Bühnen.
Lucie und Franzy schauten sich direkt im Anschluss Turnstile auf der Utopia Stage an. Aus Neugierde lauschte ich auch den ersten drei Songs bis ich in meiner Erwartungshaltung vollends bestätigt wurde: Ich finde diesen Sound so unfassbar langweilig. Lucie hatte nach ihrer Aussage eine gute Zeit, während Franzy sich ebenfalls sehr langweilte. Das spiegelt so ungefähr genau das wieder, was auch von anderen Festivalbesucher*innen an Ring und Park geschildert wurde. Für manche war es ein grandioser Gig, für einige Fans gehört Turnstile zu einer der wichtigsten Bands der letzten Jahre. Entsprechend sehnsüchtig wurde das Konzert erwartet. Andere können nicht wirklich viel mit dem Sound der US-Amerikaner anfangen und erlebten dann entsprechend ein sehr langweiliges Konzert. Wirklich gut besucht war der Auftritt nicht, generell wurde die Hauptbühne am letzten Tag mit Ausnahme von Sum41 erst zu späterer Zeit stärker frequentiert. Einen Hype gibt es aber definitiv, nur scheint der auf einem großen Major-Festival wie Rock am Ring noch nicht so wirklich angekommen zu sein. In einer Sache waren sich aber alle, egal wie sie das Konzert fanden, einig: Der Slot in der Nachmittagssonne auf der größten Bühne war ziemlich verschenkt. Als Headliner der kleinsten Bühne hätte das wahrscheinlich anders ausgesehen.
Um noch ein wenig in der Sonne zu tanzen und ein paar entspannte Vibes mitzunehmen, freute ich mich sehr, dass ich noch für ein paar Songs bei Cari Cari auf der Orbit Stage vorbeischauen konnte. Die Wiener Gruppe ist in meinen Augen eher ein klassischer Hurricane/Southside Act, ich freue mich aber immer, wenn sich Dreamhaus oder früher MLK trauen auch solche Bands zu Rock am Ring zu holen. Wie erwartet waren leider nicht viele Festivalbesucher*innen vor der Bühne, wer da war hatte aber eine Menge Spaß. Da werde ich definitiv nochmal reinhören und gerade der Hit “Summer Sun” wird mich noch durch den Sommer begleiten.
Nun war wieder genug Energie im Tank für das Set der Architects. Die bretterten sofort mit “Nihilist” los. Große Freude bei uns, darauf gefolgt große Ratlosigkeit. Kennt den niemand mehr die guten alten Sachen von “All Our Gods Have Abandonded Us”? Das scheint wohl so zu sein, denn sobald die neueren Sachen kamen, war das Publikum voll da. Frontmann Sam Carter ebenfalls, der ganz zu Beginn noch ein paar Probleme mit den Vocals hatte. Ab dem dritten Song war es aber eine astreine Show und auch die Vocals jetzt allererste Sahne. Zwischenzeitlich war die Autobahn an Crowdsurfern ein wenig nervig – wieso musste Sam Carter auch ausgerechnet während “Impermanence” dazu auffordern? Ansonsten war es aber mal wieder eine gelungene Show der Architects. Wir haben die Band inzwischen alle unzählige Male gesehen, langweilig wird es aber trotzdem nicht.
Für mich folgte nun noch ein absolutes Festivalhighlight. Die Toten Hosen bei Rock am Ring. Das ist wie Topf und Deckel. Wie Hammer und Nagel. Wie Bonnie und Clyde. Womit wir wieder beim Thema wären. Es gibt wenige Dinge, die besser harmonieren als Die Toten Hosen und Rock am Ring. Schon 2012 war es ein legendäres Konzert und ich konnte kaum erwarten noch einmal diese Emotionen zu spüren. Mit 50.000 Menschen “Paradies” zu singen, “Tage Wie Diese”, Eisgekühlter Bommerlunder”, “Auswärtsspiel”, “Alles aus Liebe”, “Hier kommt Alex”. Tränen in den Augen bei “Alles wird vorübergehen”, Bierdusche im Moshpit bei “Pushed again”, Bengalos bei “Freunde”, welches der Newcomer-Band Die Ärzte aus Berlin gewidmet wurde. Es war ein absolutes Fest. An dieser Stelle soll auch schriftlich fixiert werden, dass Campino versprochen hat mit 65 Jahren noch einmal das Bühnendach hinaufzuklettern – inklusive eingegegipstem Fuß. Was soll man also zu den Hosen am Ring noch sagen? “Worte sind dafür zu schwach, ich befürchte Du glaubst mir nicht.”
Lucie und Franzy blieben derweil auf der Mandora Stage. Hier folgten nun Bullet For My Valentine. Die waren zwar erst letztes Jahr bei Rock am Ring, waren aber ein passender Ersatz für Five Finger Death Punch, die bekanntermaßen ihre kompletten Europadaten aus gesundheitlichen Gründen absagen mussten. Bullet For My Valentine gehören inzwischen zu den alten Hasen und wurden zeitweise auch schon einmal belächelt, haben aber einfach eine hohe Anzahl an bekannten Songs und haben ihren Job insgesamt sehr gut gemacht.
Den krönenden Abschluss des Festivals stellte der Auftritt von Bring Me The Horizon dar. Nicht nur eine Band, die wir alle sehr lieben, sondern auch ein Act, der sich in den letzten Jahren dermaßen stark weiterentwickelt hat. Hier konnten BMTH beweisen, dass das nicht nur musikalisch der Fall ist, sondern auch, dass sie sich produktionstechnisch weiterentwickelt haben. Und dieser Beweis wurde mit Bravour erbracht. Haben wir eine Fanbrille auf bei dem Thema? Auf jeden Fall. Trotzdem waren wir uns einig: Die Produktion war Headliner würdig. Insgesamt war das angefangen beim Bühnenbild über die Effekte, Licht und die Inhalte auf den Videoscreens eine der aufwendigsten Produktionen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Auch der Sound war sowohl vorne als auch im hinteren Bereich der Bühne exzellent und Oli Sykes Livequalitäten sind inzwischen nicht einmal im Ansatz mit früheren Zeiten vergleichbar. Da stimmt einfach alles. Angefangen bei der herausragenden neuen Single, die direkt zu Beginn gespielt wurde. Weiter ging es mit einer Mischung aus älteren Sachen von “Sempiternal” über Songs von “amo” – endlich einmal “nihilist blues” live gesehen – über die neuesten Songs von “POST HUMAN: SURVIVAL HORROR” sowie die Single “LosT” und vieles mehr. Eine absolut wahnsinnige Produktion, ein würdiger Abschlussact und vielleicht ja wirklich irgendwann auch ein Name der wirklich in der aller ersten Zeile bei Rock am Ring und Rock im Park steht. Dafür fehlt allerdings noch ein absoluter Welthit. Zeitweise haben sich Bring Me The Horizon ja schonmal in Richtung des alten Linkin Park Sounds bewegt, damit wäre eine erfolgreiche, rockige Radio-Single wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit gewesen. Zuletzt wurde der Sound tatsächlich aber wieder etwas härter, worüber wir uns keinesfalls beklagen wollen. Wir sind jedenfalls gespannt womit BMTH als nächstes um die Ecke kommen – das nächste Album ist ja inzwischen bereits für September 2023 angekündigt.
Was lässt sich also abschließend noch sagen über Rock am Ring 2023? Das war ein richtig richtig gutes Festival. Sogar so gut, wie ich es am Ring schon gar nicht mehr erwartet hatte. Ein wenig bin ich aus dem Booking des Festivals rausgewachsen. Aber wie oben dargelegt, die Vielfalt hat es in diesem Jahr wirklich zu einem tollen, abwechslungsreichen Erlebnis gemacht. Viele Fuck-Ups, die mich am Ring schonmal gestört haben, waren absolut kein Problem. Das Gelände war mit 70.000 Menschen perfekt gefüllt. Klar haben sich die 20.000 fehlenden Besucher*innen bemerkbar gemacht und der einen oder anderen Band, gerade auf den kleineren Bühnen hätte ich mehr Zulauf gewünscht. Aber so war das Anstehen an Toiletten und Essensständen wirklich im Rahmen. Und auch das oft verhasste Ampel-System war in diesem Jahr wirklich absolut in Ordnung. Auch am späten Tag, teils noch vor oder während des Headliners bestand immer wieder die Möglichkeit in die Blöcke A und B zu kommen. Bemerkenswert im negativen Sinne waren die vielen Technikprobleme, gleichzeitig war es beeindruckend zu sehen wie schnell die Technik-Crews die Probleme in der Regel beheben konnten. Da wurde wirklich ein herausragender Job auf, neben und hinter den Bühnen gemacht.
Rock am Ring, du hast uns wieder einmal verzaubert. Wir kommen gerne wieder!
Tickets für Rock am Ring 2024 sind übrigens schon im Verkauf. Das Festival findet ebenso wie der Zwilling Rock im Park vom 7. bis zum 9. Juni 2024 statt.
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