Petrol Girls, Die Trompete Bochum, 08.06.2023

Safe Spaces sind (nicht nur) in der Rock-Welt Mangelware. Das machen jüngste Schlagzeilen nochmal schmerzhaft deutlich, allen voran natürlich marginalisierten Personen. Umso wichtiger und schützenswerter sind die Abende, in denen das linke Gedankengut auch vor der Bühne Auswirkungen hat. Wie das geht, zeigen die Petrol Girls mit ihrem zügellosen feministischen Post-Hardcore-Punk-Inferno schon seit vielen Jahren. Was die Szene-Lieblinge im kochenden Frühsommer auf die Bühne bringen, ist logischerweise erneut Empowerment & Frust-Abbau pur. Und das in einer Zeit, wo diese Signale nötiger sind denn je.

„YOU DON’T OWN US.“

Nach einem schicken und angenehm melodischen Set von Bellyacher aus Köln / Aachen / Berlin ist die Trompete jedenfalls schonmal schön aufgeheizt. First World Problems, aber eine Klima wird man sich im Laufe des Abends noch wünschen. Spricht aber auch dafür, dass schon der Pop-Punk der Band gut ankommt. So richtig zum Brodeln kommt der kleine und fast komplett gefüllter Bochumer Club aber erst mit den Petrol Girls, die Angepisstheits- & Lärm-Pegel nach oben schrauben. Noch vor dem ersten Ton macht Sängerin Ren Aldridge klar, wie hier heute der Wind weht: Das ist hier ein feministischer Raum, viele der Themen betreffen vor allem FLINTA. Cis-Dudes sollen dementsprechend nach hinten und an die Seiten des Clubs. Der Pit gehört heute den anderen. Kurz darauf fügt sie hinzu, hier nun niemanden konkret aufzufordern, dem Folge zu leisten, um Trans-Personen nicht in Bedrängnis zu bringen. Safe Space ist eröffnet, die passenden Hymnen stehen in den Startlöchern. Genug Futter für wutentbrannte Parolen gibt es leider zur Genüge.

Spagat von Frust und Elfenbeinturm-Flucht

Daher wird es im Laufe des Abends zu einer spannenden Dynamik kommen. Einerseits sind die Tracks der neuen Platte „Baby“ so hittig wie nie – und der knackige Math-Rock-Refrain von „Baby I Had An Abortion“ wird zu einem klaren Highlight der Setlist. Und auch die kleinen Anekdoten von Rens Verliebtheit in ihren Hund lockern die Stimmung auf. Andererseits ist aber sonst vor allem Platz für Themen wie den Umgang mit linkem Gedankengut im Falle der Verurteilung von Lina, „Jin, Jiyan, Azadi“-Ausrufen, Hinweisen auf mehr Schutz für Trans-Personen & auch Kritik an den Grenz-Gesetzen der EU. Ren kann das gut auf die Bühne bringen – wer wissen will, wie, schaue sich ihren TED-Talk an. Die Leute jubeln, hören gebannt zu, teilen die Parolen und den tief sitzenden Frust.

Dazu gibt es immer die passenden Songs: „Harpy“ als Track über die Angst des Patriarchats vor mächtigen Frauen. „Fight for Our Lives“ als Hymne gegen Femizide und Gewalt gegen Frauen. „No Love For A Nation“ als Ablehnung von Staaten als Konzept. „Touch Me Again“ als der – immer noch – größte Gänsehaut-Moment der Band. Der Sound ist top, die Gitarren sengen in Mathrock-Eskapaden durch die Gehörgänge, die Refrains sind on point, das Publikum singt, reckt die Fäuste, fühlt jede Zeile dieser Parolen haltigen Tracks.

Der Abend wird dadurch mehr als intensiv & sorgt für Gänsehaut & Kloß im Hals, wenn die vielen FLINTA gemeinsam „You don’t own us“ oder „Touch me again or i’ll fucking kill you“ rufen. Diese Räume sind keine Selbstverständlichkeit (mehr), die Petrol Girls liefern dafür den Soundtrack zum Widerstand. Und so lange sie dies nur im kleinen Club machen, während problematische Bands Stadien füllen, ist das auch weiterhin bitternötig.

Und so hört sich das an:

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Bild von Julia.

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