Interview mit Heisskalt über „Live”, Album Nummer drei und ihre Texte – Teil 3!

Heisskalt Interview Part 3

Der dritte Teil unserer Interviewreihe mit Heisskalt dreht sich vor allem um die Texte von Sänger Mathias Bloech und um die Traurigkeit von diesen. Liegt der Kern dieser Negativität in unserer Welt oder doch in Bloechs Wesen selbst?

minutenmusik: Deine Texte fallen oft sehr negativ und eher trauriger aus. Eure Songs handeln dann von zwischenmenschlichen Beziehungen und auf „Vom Wissen Und Wollen“ auch erstmals von der Gesellschaft. Glaubst du das liegt daran, dass Menschen in ihrem Wesen einfach negativ sind?

Mathias: Das kann ich dir gar nicht so genau beantworten, warum meine Texte so sind wie sie sind. Ich kann eigentlich nur vernünftig schreiben, wenn ich versuche mich von diesem Gedanken frei zu machen, warum ich das jetzt gerade so schreibe. Nur dann kommt dabei etwas heraus, was ich gut finde. Ich kann dieses „ok, ich setze mich jetzt hin und muss diesen Song schreiben“ so gar nicht. Das funktioniert bei mir irgendwie nicht. Ich schreibe einfach immer und dann kann ich mich hinterher fragen, warum es so ist. Aber ich weiß es nicht.

Mit Sicherheit benutze ich zwischenmenschliche Beziehungen oft als Gefährt um irgendwas darüber hinaus zu sagen. Aber eigentlich geht es mir doch gefühlsmäßig oft weniger um diese Beziehung an sich selbst, als um die Art und Weise wie ich die darstelle und was das aussagt über unsere Welt.

Auf jeden Fall hast du recht mit dem, was du sagst. Die Texte sind doch oft eher negativ. Das liegt mit Sicherheit daran, dass ich unsere Welt schon auch als eine negative Welt wahrnehme. Das ist aber natürlich auch ein Ventil. Das bedeutet je schlimmer die Texte sind, die ich schreibe, desto besser kann ich klar kommen. Ich fände es schrecklich, dieses Ventil für diese Wut und diese Enttäuschung und Zweifel nicht zu haben. Wo willst du denn sonst damit hin? Da wirst du ja wahnsinnig.

Ich empfinde unsere Gesellschaft aber doch schon als sehr unmenschlich an vielen Stellen. Ich sitze oft da, gucke mich um und denke mir „hä? Wie zur Hölle bist du hier eigentlich gelandet und wer sind diese ganzen Affen hier? Was machen die eigentlich den ganzen Tag? Und was mache ich eigentlich?“. So ein Gefühl von „nicht so richtig hier her gehören“ an diesen Ort. So genau habe ich das aber noch nicht herausgefunden.

minutenmusik: Glaubst du denn, dass deine Texte positiver ausfallen würden, wenn die Welt ein besserer Ort wäre? Es keine Kriege gäbe, keine künstlich gesetzten Ländergrenzen und allgemein mehr Akzeptanz und Toleranz?

Mathias: Dann wäre eher die Frage, ob ich überhaupt Texte schreiben würde. Oder ob ich dann überhaupt auf der Welt wäre. Mit Sicherheit sähen meine Texte, wenn ich sie auch in einer anderen Welt schreiben würde, ganz anders aus, als in dieser Welt. Da bin ich mir sicher. Es wäre vermessen davon auszugehen, dass mein Ich so stabil ist, dass es in verschiedenen Welten genau so bleiben würde. Man ist ja eh nur das, was einen umgibt, die Leute, die einen umgeben und die Beziehungen, die man führt. Das alles fließt irgendwie wieder aus mir heraus und ich glaube sich dem irgendwie entgegenzustellen führt dazu, dass man gar nichts mehr macht.

Die einzige Art wie ich beeinflussen kann, was ich mache, ist eigentlich nicht mir vorzunehmen etwas anderes zu machen, sondern mich einfach mit anderen Sachen, Menschen und Orten zu konfrontieren und umgeben. Dann merke ich wie sich das einschreibt. Ansonsten ist das immer einfach nur eine Kopie. In dem Moment, in dem ich mich mit etwas auseinandersetze und so ein Plateau erreiche von „Ok, das ist jetzt ein Teil von mir geworden.“, merke ich dann selber, wie sich das einschreibt. So funktioniert eigentlich mein texten und meine Musik. Deshalb ganz klar: Ja, in einer anderen Welt würde das andere Musik sein. Deshalb verändert sich meine Musik ja auch mit der Welt. Meine Lebensrealität ändert sich ja auch zur Zeit. Ich lebe in einer ganz anderen Welt, als vor fünf Jahren.

minutenmusik: Das liegt sicherlich nur am Altern.

Mathias: Ja, das Altern… (lacht)

minutenmusik: Zurück zum Songwriting. Wie entscheidest du, ob du einen Part singst oder screamst?

Mathias: Das entscheide ich einfach. Das meiste, was ich schreibe, höre ich in dem Moment schon. Ich schreibe eigentlich nicht den Text und entscheide dann, wie ich den performe, sondern höre den in dem Moment des Schreibens schon. Dann weiß ich direkt, ob der Gesungen oder Geschrien oder Geflüstert wird. Wobei ich bis jetzt eher selten etwas Geflüstert habe, glaube ich. Das habe ich früher eher. Das ist vielleicht so ein Ding.

minutenmusik: Ich habe mir letztens auch nochmal deine vorige Band „On Top Of The Avalanche“ angehört, bei der du ja oft auch richtig screamst und shoutest.

Mathias: Ja, das ist schon screaming. Das habe ich auch mir vorgenommen wieder zu lernen. Ich weiß aber nicht, ob ich das nochmal wieder so hinkriege. Mal gucken.

minutenmusik: Bald dann vielleicht Musik wie Casper mit kaputter Stimme.

Mathias: Ne, hoffentlich nicht! Ich tue tatsächlich ziemlich viel dafür, dass meine Stimme nicht kaputt geht. Die ist aber auch erstaunlich stabil. Vielen Dank Stimme!

minutenmusik: Ihr habt euch in den Jahren, wie wir jetzt auch schon mehrfach festgestellt haben, auch musikalisch weiterentwickelt. Hat sich mit der musikalischen Entwicklung auch eure Fanbase weiterentwickelt?

Mathias: Das kann ich ehrlich gesagt nur sehr schwer einschätzen. Man darf ja eigentlich nicht schlecht über Fans sprechen. Mir fällt auf jeden Fall auf, dass wir immer noch ein sehr buntes Publikum haben. Das hatten wir aber auch schon immer. Ich mag es, wenn Leute sich wirklich auf etwas einlassen und kritisch sind – sich kritisch, ernsthaft und ehrlich mit etwas auseinandersetzen. Davon gibt es immer noch sehr viele, die auf unsere Konzerte kommen.

Es gibt aber auf jeden Fall sehr viele Leute, die einen sehr komischen Umgang mit Smartphones pflegen, der mich wirklich teilweise wahnsinnig macht und total verwundert. Diese Selfiegeilheit empfinde ich als etwas surreales. Es gibt gewisse Aspekte des Fantums – auch bei uns in der Band – , die ich gar nicht nachvollziehen kann und die so gar nichts mit mir zu tun haben. Aber insgesamt hätte ich jetzt nicht gesagt, dass sich unsere Fans groß verändert hätten. Es sind eigentlich immer noch gefühlt die gleichen und alle Arten von Menschen auf unseren Konzerten. Wobei ich neulich in Stuttgart zum ersten mal eine Frau mit Kopftuch auf einem Konzert von uns gesehen habe. Da hab ich gedacht „Ja, krass! Wo seid ihr eigentlich?“.

minutenmusik: So als abschließende Frage: Ihr wart Anfang des Jahres zusammen mit dem Goethe-Institut in Frankreich und habt dort einige Shows gespielt. Wie ist es dazu gekommen und wie war das für euch?

Mathias: Die haben uns gefragt, ob wir das machen wollen und dann haben wir zugesagt. Die Shows waren ganz anders als alle anderen Konzerte, die wir bisher gespielt haben, weil die morgens zwischen 10 und 14 Uhr waren vor größtenteils minderjährigen sehr gut situierten Vorstadtkids, die den Luxus haben Deutsch als Fremdsprache in der Schule zu lernen.

Es gab wirklich sehr viele super awkwarde Situationen, aber auch vor allem war das ein super krasses Erlebnis für uns zusammen im Ausland zu sein als Band und da unsere Musik zu spielen. Das war voll eng und wir waren auch eine geile Truppe und haben super interessante Erfahrungen gesammelt. An sich war das auch wie ein Urlaub für uns. Wir haben in jeder Stadt abends noch versucht irgendwas zu erleben und zu erkunden.

In Deutschland spart man sich das doch oft, weil man schon so viele Konzerte gespielt hat. Da fragt man sich oft, ob es sich noch lohnt auf gut Glück noch mit in irgendeine Bar zu gehen. In Frankreich war das auf jeden Fall mal total geil und etwas ganz anderes. Die Menschen da ticken ja auch einfach ganz anders, beziehungsweise die Leute mit denen wir da zu tun hatten, waren natürlich ganz anders drauf, als die Menschen vor denen wir sonst in Deutschland Konzerte spielen. Einfach, weil die ja normalerweise auch keine Konzerte veranstalten, sondern eben im Goethe-Institut arbeiten. Deshalb haben wir ganz neue Herausforderungen gemeistert und ein bisschen Französisch gelernt sogar.

minutenmusik: Das klingt schön. Vielen Dank für das Interview!

Mathias: Ja, gerne!

Ja, das war unser kleines Interview mit der Musikgruppe Heisskalt. Wir bedanken uns besonders bei Mathias, der uns so ausführlich Rede und Antwort stand und genießen jetzt unseren wohlverdienten Feierabend.

Teil eins des Interviews findet man hier.

Teil zwei hier.

Und so hört sich das an:

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Heisskalt live 2017:

05.04.2017 Konstanz, Kulturladen
06.04.2017 Nürnberg, Hirsch
07.04.2017 Jena, Kassablanca
08.04.2017 Magdeburg, Factory
10.04.2017 Chemnitz, Atomino
11.04.2017 Aschaffenburg, Colos-Saal
12.04.2017 Würzburg, Posthalle
13.04.2017 Trier, Mergener Hof

Andere Beiträge über Heisskalt:

Der erste Teil unseres großen Interviews.

Der zweite Teil unseres großen Interviews.

Albumrezension „Live”.

Albumrezension „Vom Wissen Und Wollen”.

Konzertbericht über den Gig in Essen 2016.

Foto von Viktor Schanz.

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