Ja, gestern durften wir erfahren warum Leoniden gerade aus Kiel kommen und was die Stadt aus der Sicht der Band ausmacht. Jetzt gibts bisschen zu lesen, wie der doch sehr eigene Sound des Quintettes entstanden ist und wie häufig sich die Jungs beim Songwriting zurücknehmen mussten, um nicht zu experimentell zu werden. Achja: Vielleicht gibt es ja auch schon neue Songs?
minutenmusik: Um mal über euren Sound zu sprechen: Da kommen ja sehr viele verschiedene Einflüsse zusammen. Habt ihr euch das konzeptionell ausgedacht oder ist das nach und nach entstanden?
Jakob: So ein bisschen nach und nach, weil wir uns bei jedem neuen Song, den wir geschrieben haben, überlegt haben, was den Song ausmachen soll und was er haben soll, was die anderen Songs nicht haben. Jeder sollte seine Eigenständigkeit beziehungsweise Existenzberechtigung haben. So hat sich dann das Album zusammengepuzzelt. Das war aber auch nicht so, dass wir sechs Stück hatten, und dann gesagt haben „den, den, den und den nehmen wir.“, sondern das ist nach und nach entstanden. Wenn wir gemerkt haben, dass ein Song langsam zu einer Kopie von einem anderen wird, dann haben wir den wieder in die Tonne gehauen, was auch oft passiert ist. Es gibt aber trotzdem irgendwas, was sich durch das Album zieht und das ist schon der Puls und das Tanzbare und der Rhythmus. Das ist schon auch in den krummeren Songs vertreten.
minutenmusik: Wie läuft dann denn so ein Songwriting-Prozess bei euch ab? Ist das eher ein Prozess im Studio am PC oder eher ein Proberaum-Ding?
Lennart: Wir machen das am PC, im Proberaum! Im Studio könnten wir uns das gar nicht leisten – so lange wie wir brauchen.
Jakob: Wir sind super perfektionistisch und sind eigentlich schon mit fertigen Songs ins Studio gegangen. Also auch schon fertig produziert, wo der Stimmdelay hinterm zweiten Refrain genau so klingen soll und so. Wir haben trotzdem drei Monate im Studio gesessen und das produziert. Wenn wir da jetzt auch noch unsere Songs schreiben würden, dann könnten wir auch direkt Insolvenz anmelden.
Lennart: Genau, deshalb schreiben wir die Lieder im Proberaum und produzieren auch alles vor. Wir nehmen da schon jeden Song auf. Dieser wird dann immer wieder verbessert und immer wieder abgeändert. Irgendwann, wenn wir sagen, dass wir fertig sind, gehen wir mit diesem Song ins Studio und bauen den da eins zu eins wieder nach. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ändert man dann trotzdem noch etwas, obwohl man sich immer schwört, dass da nicht mehr dran rumgebaut wird.
Jakob: Wenn das dann schon fast fertig ist, nimmt das aber auch eine Ebene an, die wir im Proberaum gar nicht erreichen können. Mit dem Equipment und unserem Know-How kommen wir da nicht ran.
minutenmusik: Gab es während des Songwriting- oder Aufnahme-Prozesses denn auch mal Momente, an denen ihr euch zurückhalten musstet oder gemerkt habt, dass ihr mit bestimmten Elementen vielleicht mal ein wenig zu weit geht?
Lennart: Ständig. Ich glaube aber, dass das ein gutes Lied auch ausmacht – dass es eben wirklich auf das nötigste begrenzt ist. Wenn das zu viel ist, tut das dem häufig nicht gut. Zumindest war das häufig unsere Herangehensweise. Wir haben viel viel mehr Zeit damit verbracht Dinge zu streichen, als das wir da saßen und versucht haben Dinge zu entwickeln.
Jakob: Ganz genau. Im Prozess fliegen wirklich viele Späne. Ich habe gerade mal überlegt, was eine Sache mit „Too-Much“ war. Ich hab mich daran erinnert, dass „The Tired“ mal ein Gitarrensolo hatte. Mit so richtig lautem Schlagzeug und richtig rockig – Red Hot Chili Peppers-Style.
Lennart: Ja, genau. (lacht)
Jakob: Da dachte wir halt auch eine Probe, dass das cool ist. Wenn du am nächsten Tag aber schon denkst, dass das nicht so geil ist, dann kann man das ganz schnell auf wieder streichen.
Lennart: Oder als wir „Iron Tusk“ geschrieben haben und dachten, dass das ein Acht-Minuten-Lied wird mit einem Jam-Outro. Wir haben da dann tagelang dran rumgewerkelt. Irgendwann meinten wir dann aber auch so „nope, hier ist das jetzt einfach zu Ende“.
Jakob: Manchmal dauert es bis zum „nope“ aber auch echt dreieinhalb Monate.
minutenmusik: Ihr hattet auf dem Album jetzt schon einen Frauenchor, ganz viele Synthies, Streicher und und und. Was kommt dann auf Album Nummer 2? Ist das überhaupt noch zu toppen? Habt ihr schon Ideen?
Jakob: Ne, überhaupt nicht. Wir sind jetzt einen Monat nach Release und haben alles reingehauen, was wir hatten.
Lennart: Das war das Maximum. Wir müssen jetzt erstmal wieder frisch werden im Kopf und uns reseten. Jakob sagt immer, bevor wir ein Album rausbringen, was das erste nicht toppen kann, bringen wir kein zweites raus. Damit hat er auch recht. Keine Ahnung, wann wir das nächste mal einen Song schreiben werden. Wir spielen jetzt 37 bestätigte Festivals und gehen im Herbst wieder auf Tour. Wir kommen da frühestens im Winter zu da wieder drüber nachzudenken.
Jakob: Ab dann kann man eigentlich den zweijährigen Prozess starten.
Lennart: Ich hab auch einfach gar keine Lust gerade auf Schreiben. Das haben wir jetzt so lange gemacht. Ich will gar nicht, dass wir uns da in diesen Release-Wahnsinn, den Bands heutzutage haben, einreihen. Dass man da jedes Jahr ein Album raushauen muss. Entweder man ist genial oder schläft nie oder es ist einfach nicht perfekt gut.
Jakob: Oder man macht ein Album mit zwei guten Songs und acht schlechten Kopien von den guten Songs oder schlechten.
Lennart: So gesehen haben wir gerade das allerbeste gegeben, was wir hatten. Es wäre der ganzen Sache nicht gerecht, wenn man was hinterherschießt, wo man nicht genauso lange und hart dran gearbeitet hat.
minutenmusik: Ihr schreckt so überhaupt nicht vor dem in vielen Szenen verpönten Genre Pop zurück. Woran liegt das eurer Meinung nach, das Pop-Musik einen so schlechten Ruf hat?
Lennart: Das ist tatsächlich etwas, was eher in Deutschland der Fall ist. Ich weiß nicht woran das liegt. Ich finde das schade. Ein gutes Pop-Lied zu schreiben ist mit das schwierigste, was es gibt. Ein schlechtes Pop-Lied schreibt man schnell und ein unpoppiges Lied kann man auch schnell schreiben, weil man dann nicht so viel diskutieren muss Sachen auf den Punkt zu bringen und alles reinhauen kann, was man gut findet. Wie bereits gesagt, das finde ich schade. Es gibt nämlich so viele richtig gute Pop-Lieder. Ich mein – was ist an Pop wirklich schlecht?
Jakob: Wenn man Pop mit Schlager gleichsetzt, dann ist das auf jeden Fall schlecht. Ich glaube, dass das ein bisschen daran liegt, dass manche Leute, wenn man kurz vor der oder während der Pubertät anfängt Musik zu machen und sich das erste mal über Musik zu definieren, die scheinbar unpoppig und unmainstreamig ist – sowas wie Nirvana – dann von diesem pseudo Rebellionsprozess nicht mehr runter kommen. Das sind Leute, die können „Angels“ von Robbie Williams oder auch etliche Oasis-Songs mitsingen auch so besoffen sie sein können, aber trauen sich nicht zuzugeben, dass sie das eigentlich auch ganz gut finden.
Lennart: Dabei sind das auch alles nur geile Melodien, die dich beim Hören abholen. Hör dir mal die ganzen 90er Pop-Lieder an. Das ist Wahnsinn, wie krass die produziert sind. Das schockt einfach. Ich weiß nicht, warum das so einen schlechten Ruf hat. Wahrscheinlich wegen dieser flachen Radio-Musik. Wenn ich das Radio anmache, dann fühle ich mich da auch nicht wohl. Das verstehen wir aber auch nicht unter Pop-Musik.
minutenmusik: Das klingt auch alles gleich.
Lennart: Genau. Wenn wir von Pop-Musik sprechen, dann meinen wir sowas wie Michael Jackson oder Robbie Williams, die wahnsinnig gute Alben haben. Wer das scheiße findet, kann das gerne scheiße finden, aber es ist einfach nicht scheiße.
Jakob: Genau, wenn man mit Pop diese Deutsch-Pop-Sachen meint, wie Tim Bendzko, dann kann ich die Abneigung auch verstehen. Das klingt ja alles sehr ähnlich. Da fehlt das Besondere, was zum Beispiel Michael Jackson hatte.
Leider verbinden die meisten Menschen heutzutage eben genau diese flache Radio-Musik mit dem Begriff “Pop”. Schade. Die Jungs von Leoniden scheinen da aber einen guten Geschmack zu haben. Ihre Musik ist ja auch geil! Im dritten Teil dieser Reihe sprachen wir übrigens vor allem über die ach so tolle Musikindustrie. Hier geht es zu Teil 3!
Und so hört sich das an:
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Andere Beiträge über Leoniden:
Rezension über das Debütalbum.
Konzertbericht über den Gig in Münster.
Foto von Thomas Erthmer.
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