Interview mit Leoniden über Kiel, ihr Songwriting und die Musikindustrie – Teil 3!

Interview Leoniden 3 Musikindustrie

Dass die Musikindustrie nicht ganz so klasse und oftmals auch so überhaupt nicht modern ist, sollte den meisten Menschen schon mehrfach aufgefallen sein. Spätestens, wenn man beginnt, sich direkt mit der Branche auseinander zu setzen, wird klar, dass einige in der Szene übliche Dinge gar nicht mal so sinnvoll erscheinen. Was halten die Durchstarter Leoniden eigentlich davon? Wie man spätestens in einigen Minuten merken wird, können die Jungs auch keine großen Lobchöre auf die Branche aussprechen. Aber warum? Naja, lasst uns erstmal über die Gründung ihres eigenen Labels sprechen. 

minutenmusik: Ihr habt euch entschieden ein eigenes Label zu gründen, nämlich „Two Peace Signs-Records“ und darüber euer Album zu veröffentlichen. War das so, dass ihr schon alles wusstet oder musstet ihr euch ganz viele Dinge selber beibringen? So Sachen wie Presswerke kontaktieren, Gema-Rechte und und und, um die man sich dann ja einfach kümmern muss.

Lennart: Jein. Wir haben uns da Hilfe geholt. Wir haben einen guten Freund namens Henning, der uns ein bisschen beim Management unterstützt. Ansonsten sind wir da komplett reingestolpert, rennen seitdem total vielem hinterher und haben auch total viel lernen müssen und lernen auch immer noch. Bei der Gema weiß zum Beispiel auch überhaupt keiner, wann da mal Geld kommt oder ob wir das alles richtig angemeldet haben. Oder die erste Steuererklärung war der Horror. Genauso gbr (Anmerkung: Gesellschaft bürgerlichen Rechts) anmelden, dann wochenlang nicht kapieren, dass man das alles auch auf die gleiche Rechnungsadresse ausstellen muss.

Jakob: Also es passieren schon viele, viele Fehler, die aber auch irgendwie passieren müssen.

Lennart: Genau. Aber umso härter arbeiten wir dann auch da dran. Dann verstehen wir das auch. Wir werden auch Tag für Tag ein bisschen sicherer damit. Aber wir machen das jetzt dann doch schon ein wenig länger, sind aber auch richtig froh, dass wir mittlerweile alles verstehen. Ich kann mir vorstellen, dass manche Bands das alles wirklich niemals verstehen, weil die das komplett aus der Hand geben. Das ist ja auch eigentlich ziemlich interessant, wie sowas funktioniert, wenn man auch Zusammenhänge kapiert und versteht, wo zum Teil auch das Geld bleibt.

Wir kriegen ja schon oft eine Gage und da kommt verhältnismäßig ziemlich oft wenig bei uns an, weil da total viele Abzüge immer sind. Das macht schon Sinn sich da selbst mit zu beschäftigen. Wir sind das jetzt so gewohnt und machen das auch gerne. Ich find das auch eine gute Sache, dass wir da über alles die Kontrolle haben.

minutenmusik: Würdet ihr sagen, dass die Entscheidung ein eigenes Label zu gründen auch damit zusammenhängt, dass die Musik-Industrie irgendwie…

Lennart: …scheiße ist?

minutenmusik: Das hast du jetzt gesagt! Aber genau diese These wollte ich auch aufstellen.

Lennart: Also ich finde die Musikindustrie nicht komplett scheiße und will mich jetzt auch nicht hinstellen und gegen alles und jeden prügeln, aber es ist schon eine komische Branche – soweit ich das beurteilen kann. Da sind viele Sachen, die ich nicht verstehe, beziehungsweise nicht so machen würde, wie es gemacht wird. Man denkt immer das sind die jungen, hippen Leute, die in dieser Industrie arbeiten, dabei ist das eine total langsame Branche manchmal, die echt behäbig ist.

Jakob: Damit hat das dann schon zu tun, dass wir das Album selber rausgebracht haben. Wenn die Musikbranche ein bisschen anders funktionieren würde, hätte es vielleicht einen Deal gegeben, der uns gefällt.

Lennart: Das traurige ist, wie ich finde, dass das Tempo einfach das falsche ist. Vieles, was modern ist und von dieser Branche dann aufgegriffen wird, kommt einfach nicht aus dieser, sondern findet daneben statt. Das beste Beispiel dafür sind ja diese Youtube-Phänomene, die das Game komplett umkrempeln, weil die zuhause im Wohn- oder Schlafzimmer irgendwas komponieren oder erfinden, was dann total Viral geht und alle drehen durch. Im Nachhinein kommt dann so eine große Firma und kauft es. Es ist aber sehr selten, dass so eine große Firma eine geile Idee hat und etwas kreiert, was alle zum durchdrehen bringt. Das ist immer so, dass die kommen und das dann kaufen und das dann drei mal kopieren und damit auch noch Geld verdienen.

Jakob: Deshalb freut euch 2018 auf die ganzen Annenmaykantereit-Cover-Bands, die von den großen Labels rausgebracht werden.

Lennart: Annenmaykantereit sind super. Ich finde das richtig nice, was die gemacht haben. Aber es wird garantiert so sein, dass die Firmen jetzt reagieren und denken „Oahh, junge Leute mit tiefen Stimmen – das ist gerade angesagt!“. Dann casten die irgendwie acht Bands zusammen, die alle so klingen wir Annenmaykantereit, dabei gibt es das Original schon.

minutenmusik: Und der Hype ist tot bis sie es geschafft haben.

Jakob: Locker. Und es gibt Annenmaykantereit ja auch schon. Wir brauchen ja nicht nochmal Annenmaykantereit zwei und drei.

minutenmusik: Das beste Beispiel ist ja auch wie die komplette Musikindustrie es verkackt hat einen legalen digitalen Musikstore anzubieten, als das Internet gerade seinen großen Durchbruch erlebt hat. Itunes von Apple war da der erste Anbieter, der sich durchsetzen konnte und hat somit auch den Preis für digitale Musik bestimmt. Traurig aber wahr. Warum kommt man nicht auf die Idee Musik legal im Internet zu verkaufen, nachdem dieses schon jahrelang an Popularität gewinnt?

Lennart: Warum kommt man genauso nicht auf die Idee, dass Youtube eine wahnsinnige Plattform ist? Man konnte bis vorgestern oder so dort einfach keine Gema-Songs abspielen. Wie kann man sich das entgehen lassen? Das wäre ja so, als ob man bestimmte Seiten nicht ergooglen kann.

minutenmusik: Das stimmt. Letzte Frage! Ihr klingt sehr international, habt aber – soweit ich das weiß – noch gar nicht außerhalb von Deutschland gespielt.

Beide gleichzeitig: Einmal in Luxemburg!

minutenmusik: Da spricht man zum Teil aber ja auch Deutsch – um das jetzt nochmal so richtig schlecht zu reden.

Jakob: Genau, war eigentlich noch Deutschland. (lacht)

minutenmusik: Würdet ihr denn gerne mal – außer Luxemburg – in einem nicht-deutschsprachigen Land spielen? Wenn ja wo?

Lennart: Ja! Egal, wir nehmen alles. (lacht)

Jakob: Einfach nur, weil wir echt Bock drauf haben.

Lennart: Das ist echt auch so ein Ziel, was wir noch haben, nämlich, dass wir einmal auch die coolen Städte außerhalb Deutschlands besuchen können. Ich finde auch, dass das etwas ist, was im Jahre 2017 eigentlich selbstverständlicher sein könnte. Es ist total bekloppt. Wir kommen aus Kiel, Kopenhagen ist 300 Kilometer weit weg, Köln ist 600 Kilometer weg und wir fahren trotzdem nie nach Kopenhagen – schönen Gruß an die Musikindustrie, die ja auch da irgendwie ihre Finger mit im Spiel hat.

Wenn etwas englischsprachiges in Köln funktioniert, dann verstehe ich nicht, warum das nicht in Kopenhagen oder sonstwo funktionieren soll. Das ergibt einfach keinen Sinn. Da gibt es genauso viele bescheuerte junge Menschen mit schlecht sitzenden Hosen und Mützen, wie wir.

minutenmusik: Geil, dann haben wir was gemeinsam. Meine Hose sitzt auch immer zu tief – zumindest beschweren sich da immer alle drüber.

Lennart: Ja, voll. Meine sitzt immer super schlecht. Aber versteht ihr? Da gibt es genauso die Zielgruppe, um das mal im Musikjargon zu sagen. Warum sollte die da anders sein? Klar, das deutschsprachige Argument würde ich gelten lassen. Wenn jemand das gar nicht verstehen kann, dann sicher.

Jakob: Das spielt aber auch vermutlich oft mit, dass wir eben eine deutsche Band sind. Aber eigentlich ist das völlig unnötig.

minutenmusik: Es gibt aber ja auch kaum Bands, die aus Deutschland kommen, englischsprachige Musik machen und international super bekannt sind. Milky Chance fällt mir da jetzt ein, aber sonst halt nur Rammstein oder Die Toten Hosen oder sowas, die auf Deutsch singen.

Jakob: Aber du hast ja auch gefragt, ob wir gerne im Ausland spielen wollen würden. Das auf jeden Fall. Würden wir gerne im Ausland erfolgreich sein? Das steht für uns überhaupt nicht zur Auswahl. Wie sollen wir das denn machen?

Lennart: Genau. Ich will mich da jetzt auch nicht die ganze Zeit drüber beklagen, aber wir haben uns das fest vorgenommen, dass wir das mal schaffen wollen.

Jakob: Sei das zwei Tage Italien oder auf ein skandinavisches Festival oder so.

Lennart: Oder einfach mal nach Prag oder Warschau. Das ist alles gar nicht so weit weg. Das ist alles aber in weiter Ferne für uns, was aber auch voll ok ist. Wir wollen nicht schimpfen. Uns geht es fantastisch. Wir hätten nicht gedacht, dass wir so weit und viel fahren können.

Jakob: Wir spielen jetzt noch über 50 Konzerte dieses Jahr…

Lennart: …Tendenz steigend. Wir haben halt April. Da kann noch vieles passieren.

minutenmusik: Fazit: Junge Menschen mit schlecht sitzenden Hosen hören Leoniden.

Lennart: Nein, wir sind das! Unser Publikum ist total gemischt.

minutenmusik: Stand ja auch im Pressetext. Hardcore-Kids, Punker, Indie-Fanatiker…

Lennart: Das ist auch tatsächlich so. Das ist total toll. Das ist genauso wie du das gesagt hast. Da stehen Leute mit Tattoos bis zum Kinn und…

Jakob: Faschos, Linke, alle sind da!

minutenmusik: …und prügeln sich im Moshpit.

(alle lachen)

Lennart: Eigentlich wollte ich „Menschen, die ohne ihre Eltern nicht reinkommen“ sagen. (lacht) Aber es ist schon echt schön gemischt. Familienmusik! Fazit: Leoniden ist Familienmusik.

minutenmusik: Das nächste mal nehme ich auch meinen Papa mit.

Jakob: Ja, voll gerne!

minutenmusik: Konzept perfekt umgesetzt. Dann mal vielen Dank für das Interview!

Jakob: Sehr gerne.

Ok, Faschos waren bei der Show der Band jetzt nicht. Das ist vielleicht auch besser so – findet die Band sicherlich auch. Bei der Show an diesem Tag konnten die Jungs aber beweisen, warum es momentan einen derartigen Trubel um diese kleine Band aus dem Norden gibt. Hinter dieser stecken nämlich extrem talentierte Musiker und dazu sehr sympathische Menschen. Vielen Dank an Leoniden für das tolle Gespräch. Uns hat das sehr viel Spaß gemacht!

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.

Hier zu Teil 2!

Und so hört sich das an:

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Andere Beiträge über Leoniden:

Rezension über das Debütalbum.

Konzertbericht über den Gig in Münster.

Foto von Robin Hinsch.

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