Von der Musiklandschaft kann man halten, was man will. Dass die Industrie in der Vergangenheit aber sehr viele Fehler begangen hat und oft zu langsam war, lässt sich nicht abstreiten. Das sieht auch Florian Kiesling (Gesang, Gitarre) von Van Holzen so. Wir haben uns im Rahmen des Way Back When Festivals in Dortmund mit ihm und seinen beiden Kollegen Jonas Schramm (Bass) und Daniel Kotitschke (Schlagzeug) getroffen, um unter anderem genau darüber zu sprechen. Außerdem thematisierten wir im dritten Teil des ausführlichen Interviews mit dem Trio, ob man schon an neuer Musik arbeitet und wann man eventuell mit dieser rechnen kann.
minutenmusik: Du hast jetzt eben schon euer Label Warner Music angesprochen. Habt ihr zu irgendeinem Zeitpunkt bereut bei einem so großen Major gesigned zu haben?
Florian: Wir sind immer noch 100 Prozent damit zufrieden.
minutenmusik: Wenn man so von außen die Musikindustrie betrachtet, gibt es ja sehr viele Dinge, die an Majors kritisiert werden.
Florian: Das stimmt auch voll. Irgendwie ist das oft auch zurecht so. Ich finde auch viele Sachen, die bei Majors laufen, nicht so cool. Aber die müssen auch irgendwo Geld verdienen und dann verstehe ich auch, dass so ein Mike Singer [Youtuber] ausgeschlachtet wird und jetzt nach einem halben Jahr wieder ein Album raus bringt. Ich finde es geil, dass wir da ein Gegenbeispiel sind in dieser Majorwelt. Da sind wir in einer ganz geilen Position. Wir waren jetzt vor kurzem beim Preis Für Popkultur in Berlin, wo natürlich diese Popularmusik zelebriert wird. Da sind viele Labelchefs und viele wichtige Menschen. Dann ist es immer geil, wenn wir da hinkommen, den Finger zeigen und einfach spielen. Wir sind da in einer geilen Position. Wir haben den Rückhalt von unserer Plattenfirma – ob das ein Major ist oder nicht ist erst einmal scheiß egal – und sind irgendwie die „bad Boys“ in dieser Popularmusik. Wir polarisieren da mit dem Sound. Deshalb bereuen wir das gar nicht.
minutenmusik: Wir haben vor einigen Monaten mit den Jungs von Leoniden gesprochen, die sehr über die Musikindustrie hergezogen haben und kritisiert haben, dass man mit einfach allem viel zu langsam ist und hinterherhinkt. Die haben ihr Debüt dann über ein eigenes Label veröffentlicht.
Florian: Das ist richtig. Die Majors waren in der Vergangenheit oft zu spät und oft auch nicht mutig genug – haben das Internet komplett verpasst. Deshalb finde ich es aber umso geiler, dass sie bei uns da von Anfang an Glaube rein stecken. In unserer Position können wir uns da gar nicht beschweren. Klar ist das auch cool so, wie die Leoniden das machen. Das ist auch ein Weg, den man mal erfahren muss. Da habe ich auch Bock drauf. Aber solange die Zusammenarbeit so schön ist, sehen wir keinen Grund da irgendwas dran zu ändern.
minutenmusik: Eure Texte fallen häufig ja sehr negativ und ehrlich auf. Fehlt euch diese Ehrlichkeit in populärer Musik auf? Hört man einige Stunden Radio, so stößt man ja eigentlich ausschließlich auf „Gute-Laune“-Musik.
Florian: Das Ding ist, dass Ehrlichkeit immer belastend ist. Die Leute, die das Radio anschalten, wollen einfach nicht belastet werden. Die haben Bock abzuschalten und nebenher Musik zu hören. Dafür ist das auch in Ordnung, aber ich finde man muss den Hörer auch ein bisschen erziehen und herausfordern. Da fehlt dann schon ein bisschen die Ehrlichkeit. Radio darf Radio bleiben. Die sollen sich da die Welt bunt malen. Aber ich finde, dass alle Künstler, die eben nicht im Radio laufen, haben eine krasse Verantwortung sich dem noch mehr zu widersetzen. Da wirklich viel ehrlicher zu sein und gar nicht zu versuchen, in diesen Radiokosmos reinzukommen – außer sie wollen Geld verdienen. Ich höre selber aber auch nicht so viel Radio.
minutenmusik: Manchmal muss man das leider auf der Arbeit ertragen. Da laufen teilweise auch fünf mal am Tag dieselben Songs. Ab und an rutscht dann mal etwas negativeres oder neues dazwischen. Wenn dann sind das aber eigentlich immer Künstler, die vorher schon groß waren und dann sowas rausgebracht haben.
Florian: Da sind glaube ich die Radiosender einfach nicht gut genug – vor allem die öffentlich rechtlichen. Die tragen ja eine riesige Verantwortung unterschiedliche Musik zu spielen. Aber auch bei uns der SWR… die müssen sich ja nicht durch Werbeeinnahmen oder durch Hörer finanzieren. Ich würde einmal die Stunde den Leuten irgendwas neues nahebringen. Das passiert aber leider nicht. Das Radio macht im Prinzip das, was die Leute wollen. So soll es im Moment eben sein.
minutenmusik: Lasst uns einen weiteren Blick auf die Vergangenheit werfen! Ihr habt in der Vergangenheit schon den ein oder anderen Bandcontest mitgemacht und spielt jetzt bald ja auch nahe Koblenz als Special Guest auf einem. Ist das etwas, was ihr kleinen neuen Bands empfehlen würdet?
Daniel: Also ich glaube ganz am Anfang nach der Gründung, wenn man noch nicht an Auftritte ran kommt und keine Erfahrung hat, ist das schon ziemlich gut. Da muss man aber auch die richtigen Bandcontests finden. Irgendwie ist das alles aber schon auch scheiße. (alle lachen) Wir haben echt schon bei richtig vielen Contests mitgemacht und letzten Endes waren da vielleicht drei dabei, die uns weiter gebracht haben. Andere verschaffen einem nur die Möglichkeit aufzutreten.
Florian: Ich fand Play Live zum Beispiel super. Ein Bandcontest darf einfach nichts kosten. Bei manchen muss man eine Startgebühr bezahlen oder Tickets verkaufen. So eine scheiße! Ich will spielen. Ich will Leute kennenlernen. Und fertig. Popcamp ist auch noch cool, aber das ist eher eine Fördergeschichte. Aber alles andere, wo keine öffentliche Förderung dahintersteckt, ist nichts. Da wollen die Leute dann nur Geld dran verdienen. Da steckt ja niemand hinter, der da Spendengelder reindrückt. Da muss man echt gucken, dass man die richtigen Sachen spielt. Wobei man natürlich auch die schlechten Erfahrungen sammeln muss. Was gut oder schlecht ist, kann man ja auch erst sagen, wenn man das gemacht hat. Das muss man für sich selber herausfinden.
minutenmusik: Lasst uns mal über eure Zukunft sprechen. Ihr habt das eben ja schon angedeutet, aber habt ihr schon mit dem Schreiben neuer Musik angefangen? Nach den guten Kritiken, die ihr für euer Debüt erhalten habt, habt ihr beim Schreibprozess mehr Druck verspürt?
Florian: Also ja, wir haben schon angefangen. Und nein, wirklich gar nicht. Wir haben ein bisschen auf das letzte Album geschissen – das ist für uns abgeschlossen. Wir spielen das sehr gerne live, aber in unseren Köpfen ist schon das neue Album. Das reift da gerade heran. Im Moment schaffen wir es sehr mutig zu sein und uns dem Druck, der vielleicht entstehen könnte, zu widersetzen. Das ist richtig geil so. Gerade sind wir psychisch mega stabil.
minutenmusik: Und es funkt nicht mehr die ganze Zeit Abi und Schule dazwischen.
Florian: Das ist eben cool. Wir können uns jetzt de ganze Zeit auf Musik konzentrieren und wenn wir keine Konzerte spielen, schreiben wir halt das Album.
minutenmusik: Also schreibt ihr nicht auf Tour bei Soundchecks oder so? Das machen an sich ja auch viele Bands.
Florian: Ne, aber das machen viele. Vor einem halben Jahr dachte ich noch, dass wir ja über die Festivalsaison das Album schreiben können. Das geht aber nicht. Wir können das einfach nicht. Wir sind keine Band, die am Wochenende Festivals spielt und dann unter der Woche wieder schnell in den Proberaum geht und da dann direkt wieder die Vibes auf Songwriting stellen kann. Wir brauchen da getrennte Blöcke. Das ist unsere Art zu schreiben. Wir nehmen uns da einfach die Zeit im Dezember und jetzt zwischen den beiden Tourblöcken bleibt auch noch was. Wir brauchen immer einen kleinen Zeitraum, in dem wir runterkommen können. Dann wird das hoffentlich nice.
minutenmusik: Das hoffen wir auch! Ihr seid dann jetzt bis Februar auf Tour. Wie sieht danach die Zukunft eurer Band aus? Widmet ihr euch danach dann dem Studio?
Florian: Nein. Wir spielen wieder einen geilen Festivalsommer. Wir haben dieses Jahr schon ziemlich viele Festivals gespielt. Das wollten wir so und war auch geil. Nächstes Jahr kann man sich gerne ein bisschen zurücknehmen, vielleicht bisschen weniger spielen und dann eher den Fokus auf die Tour im Herbst legen. Das wird dann wahrscheinlich schon „Album Nummer 2“-Tour. Das man nicht schon im Sommer überall war und im Herbst dann überall nochmal hinkommt.
Daniel: Ist auch vom Fahren mega stressig.
Florian: Genau! (alle lachen)
minutenmusik: Vielen Dank für das Interview!
Florian: Gerne!
Schon sehr sympathisch die drei jungen Herren. Das war jetzt aber unser Interview mit der Band. Bis dann!
Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.
Hier zu Teil 2.
Und so hört sich das an:
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Van Holzen live 2017 / 2018:
13.10. Augsburg – Soho Stage
14.10. Koblenz – Rockbuster Finale
10.11. Nürnberg – Club Stereo
11.11. Braunschweig – Eulenglück
12.11. Leipzig – Täubchenthal
14.11. Dresden – Groove Station
15.11. Berlin – Musik & Frieden
16.11. Flensburg – Volksbad
17.11. Bremen – Tower
18.11. Bonn – Bla
19.11. Frankfurt/Main – Nachtleben
01.12. Kiev – World Aids Day (Ukraine)
07.12. Stuttgart – Keller Klub
08.12. Weiden I. D. Oberpfalz – Die Sünde
31.01. Salzburg – Rockhouse Bar (AU)
01.02. Linz – Stadtwerkstatt (AU)
02.02. Graz – PPC (AU)
03.02. Lustenau – Carinisaal (AU)
04.02. Freiburg – Waldsee
09.02. Zürich – Bogen (CH)
10.02. St. Gallen – Grabenhalle (CH)
11.02. – Solothurn – Raumbar (CH)
Foto von Jaro Suffner.
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