Eurovision Song Contest 2025, 1. Semifinale: Die Ergebnisse

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Hier war ordentlich zittern angesagt: Am Dienstagabend, dem 13.5., fand um 21 Uhr deutscher Zeit das erste Semifinale des Eurovision Song Contest 2025 statt, der insgesamt schon 69. Ausgabe. Ein Teilnehmerfeld bestehend aus 15 Acts, die qualitativ bis auf sehr wenige Ausnahmen enorm eng beieinander lagen. Dementsprechend groß ist auch für so manchen die Enttäuschung, da doch auch ein oder zwei bereits fürs Finale gesetzte Kandidat*innen nun bereits auf dem Weg nach Hause sind. 10 sind weiter dabei, von denen wir acht in unserem Vorchecking auch richtig getippt haben.

Der größte Musikwettbewerb der Welt geht in dieser Saison in der Schweiz über die Bühne, besser gesagt in Basel – direkt hinter der deutschen wie französischen Landesgrenze. Der non-binäre Act Nemo hat 2024 mit der kreativen Rap-Oper-Electro-Pop-Nummer “The Code” gesiegt, 36 Jahre nachdem es Céline Dion zuletzt für die Schweiz tat. Basel ist zum ersten Mal Austragungsstätte, somit auch die St. Jakobshalle. Schon Donnerstag, am 15.5., geht es zur selben Zeit in die nächste Runde, wenn hier sogar 16 Acts konkurrieren und um die letzten 10 Finaltickets buhlen. Wenige Stunden später droppt dann die Startreihenfolge für alle 26 Artists im Grand Final am Samstag.

Das sind die Ergebnisse vom 1. Halbfinale. Wichtig: Die hier aufgelisteten Länder sind nach Startreihenfolge sortiert. Welches Land wie abschnitt, bleibt bis nach dem Finale geheim.

Diese zehn Länder sind im Finale dabei:
Island – “Róa”, Væb
Polen – “Gaja”, Justyna Steczkowska
Estland – “Espresso Macchiato”, Tommy Cash
Ukraine – “Bird Of Prey”, Ziferblat
Schweden – “Bara Bada Bastu”, KAJ
Portugal – “Deslocado”, NAPA
Norwegen – “Lighter”, Kyle Alessandro
San Marino – “Tutta L’Italia”, Gabry Ponte
Albanien – “Zjerm”, Shkodra Elektronike
Niederlande – “C’est La Vie”, Claude

Ausgeschieden sind somit:
Slowenien – “How Much Time Do We Have Left”, Klemen
Belgien – “Strobe Lights”, Red Sebastian
Aserbaidschan – “Run With U”, Mamagama
Kroatien – “Poison Cake”, Marko Bošnjak
Zypern – “Shh”, Theo Evan

NACHLESE ZUR SHOW:

Flaniert man im Mai 2025 durch Basel, sieht man auf vielen ESC-Werbeplakaten den Slogan “Welcome Home”. Auch wenn der Eurovision kein richtiges Zuhause kennt – schließlich ist der gesamte Kontinent quasi das Zuhause des Megaevents – so steckt trotzdem im Kern etwas Wahres. 1956, als die allererste Ausgabe mit gerade einmal sieben teilnehmenden Ländern stattfindet, duelliert man sich in Lugano, also in der Schweiz. Die ist schließlich dann auch noch mit Lys Assia und “Refrain” das erste Gewinnerland. Nach heutigen Regeln hätte die zweite Ausgabe also direkt wieder in der Schweiz stattgefunden, da der nächste Wettbewerb immer beim Vorjahressieger einen Platz findet, doch diese hübsche Idee gab es damals noch nicht. So ist 1957 ESC-Time in Frankfurt.

Nach einem fulminanten Start mit besten Voraussetzungen wird es jedoch für die Schweiz zusehend ernüchternder. Eigentlich kann man mit vier Amtssprachen aus den Vollen schöpfen, dennoch kann man in 68 Ausgaben erst dreimal siegen. Dafür darf man aber mit der zweiten Siegerin für die Nation im Jahr 1988 durchaus flexen: Céline Dion? Schon mal gehört? Bis heute die erfolgreichste Solokünstler*in, die jemals aus dem Eurovision Song Contest hervortrat. Krass wie eh und je. Bis zum 1. Semifinale wird immer wieder spekuliert, ob sie wohl auftreten wird oder nicht. Gen Ende der Show gibt es jedoch eine berührende Message von ihr auf der LED-Leinwand und eine ganze Schar an Acts aus der jüngsten Vergangenheit, die ihren Siegertitel “Ne partez pas sans moi” singen. Céline, von vielen Jahren mit schweren Schicksalsschlägen gezeichnet. Man kann ihr einfach nur das Beste wünschen.

Nemo, der 2024 gewann, ist eher weniger Everybody’s Darling. Non-Binarität, extravaganter Stil in Outfit und Performance. Da war doch so einiges an Hate zu lesen. Doch auch mit politischen Äußerungen macht sich der 25-jährige Artist wenig beliebt: Gab es im letzten Jahr riesige Demos, die Israel aufgrund des Krieges aus dem Wettbewerb haben wollten, so sah es zunächst 2025 aus, als ob der ESC entspannter verlaufen könnte. Den Moment nutzte dann aber eben Vorjahressieger*in Nemo und sprach sich auch kurz vorm 1. Semi gegen die Teilnahme Israels aus. Anstrengend.

Eine der besten Vorrunden Shows seit Langem

Umso erfreulicher ist dann doch das, was es am Dienstagabend zu sehen gab. Selten fühlten sich zweieinhalb Stunden Semifinale so kurzweilig und gut an. Die Inszenierung in der Baseler St. Jakobshalle vor gerade einmal rund 6000 Zuschauer*innen sorgte quasi durchgehend für hervorragende Kritiken. Das lag nicht zuletzt an dem perfekten Moderationsduo-Match, das sich aus Comedienne Hazel Brugger und Moderatorin und Sängerin Sandra Studer zusammensetzte. Studer erreichte 1991 bereits selbst einen 5. Platz beim ESC und zeigt sich als stilsichere Moderationswaffe mit reifem Appeal. An der Schlagfertigkeit von Brugger wurde sowieso nie gezweifelt, besonders gen Ende darf sie ihr komplettes Improvisationstalent im Greenroom zeigen. Beide spielen sich wunderbar gegenseitig die Karten in die Hand und haben eine Michelle Hunziker, die im Finale noch dazu stoßen wird, eigentlich gar nicht nötig. Richtig stark.

Doch die größte Erwähnung verdient – und ja, man sagt es jedes Jahr, aber es wird auch jährlich gefühlt immer geiler – die atemberaubende Bühnentechnik. Landestypisch gibt es im Hintergrund Aufbauten in Berg-Form, die in Tausenden von Lichtern leuchten, einen beweglichen Sternenhimmel, ein riesiges bilderrahmähnliches Gerüst, das direkt vorm Beginn des Songs in den Landesfarben leuchtet und natürlich Bühnensets sondergleichen. Purer Wahnsinn, bei dem man auch auf der Couch Beifall klatschen mag.

High- und Lowlights

Am Ende ist es selbstredend etwas Geschmacksache, ob man sich mehr von dem Gesamtpaket tragen lässt oder doch den Fokus auf die Musik legen mag. Erneut ist fürs Weiterkommen in den Semis ausschließlich das Televoting verantwortlich. Betrachtet man den Eurovision Song Contest als Unterhaltungsshow gelingt besonders der mitreißende Start im 1. Semi mit dem witzigen “Róa” von Væb aus Island. Zwillingsbrüder, die übers Rudern singen und direkt einen Jump in die 2010er vollführen. Das ist Retro und spaßig.
Wie eine verschollene Schwester von ESC-Gewinnerin 2004 Ruslana aus der Ukraine gibt es mit der ältesten Teilnehmerin im Feld, die 52-jährige Justyna aus Polen, das komplette “Hau drauf”-Package ohne Abzüge. Feuer, Dance-Breaks, laute Schreie. “Gaja” hat zwar keinen Refrain, aber das ist bei so viel Viel dann auch egal. They love to entertain you.
Heiß wird es auch im hohen Norden: Schweden geht saunieren! Auf der Bühne! Hinter einem Lagerfeuer! Auf Schwedisch! Ja, das ist krass. Das finnische Trio KAJ sorgt mit seinem “Bara Bada Bastu” für einen ursympathischen Ohrwurm, der wenig überraschend am Samstag nochmal darf. Ein Favorit für den Sieg, aber unserer Meinung nach wird’s dahingehend knapp – für die Jurys ist das wohl nicht so der große Wurf. Egal, liebt man natürlich instantly.
Die größte Konkurrenz zu Schweden kommt aus Estland: Der sowieso schon international erfolgreiche Tommy Cash zeigt mit dem bescheuert-genialen “Espresso Macchiato” eins der großen Highlights des Abends. Wenn das nicht ein klassischer Grund ist, um ESC zu gucken, dann können wir auch nicht mehr weiterhelfen.

Doch wie so oft sind es Nuancen: Manchmal zieht Drama. Aber eben auch nicht immer. Der slowenische Klemen versucht in seiner ruhigen Performance die Krankheitsgeschichte zwischen ihm und seiner Frau zu vertonen – und scheitert damit final. Da hilft es auch nicht, dass er einen ganzen Part über Kopf (!) singt, offensichtlich braucht es 2025 einfach mehr Lockerheit.
Die einzigen tonal teilweise ganz schön daneben gegangenen Töne gibt es aus Aserbaidschan. Trotz eines coolem Indie-Pop-Rock-Songs namens “Run With U” ist für Mamagama finito. Ein fast durchgängig auf Falsett-Gesang komponiertes Lied bringt so seine Tücken mit sich, der Frontmann greift leider mehrfach gleich richtig daneben.
Auch Kopfgesang, dazu noch Techno-Beats, aber insgesamt einfach kein übergesprungener Funke: Red Sebastian aus Belgien hat zwar einen ganz coolen Song, der jedoch in dem TV-Kontext von Daheim einfach nicht funktionieren mag. Auf der passenden Party mit Strobo-Licht ist das bestimmt ein Banger, hier bangt er aber zurecht um ein Finalticket und wird an seinem Geburtstag (sad, but true) mit keiner weiteren Runde beschenkt.

Uns persönlich hat das eigentlich gar nicht so besondere, aber in sich einfach enorm stimmige und berührende wie motivierende “C’est La Vie” aus der Niederlande am meisten überzeugt. Sänger Claude hat wahnsinnig viel Star-Appeal und bringt seinen Französisch-Englisch-Mix mit viel Gefühl perfekt auf den Punkt. Einen Song, den man unbedingt vier, fünf Mal hören sollte. Ein Grower, wie er im Buche steht.
Albanien haben wir einfach zu wenig auf dem Schirm. Musikalisch für westliche Ohren immer etwas schwierig, aber sobald es dann auf der Bühne von dem Duo Shkodra Elektronike so wuchtig inszeniert und dargeboten wird, ist das kein Wunder, dass es eine Runde weitergeht. Außerdem gibt es wohl sowieso viele Albaner*innen in der Schweiz, sodass dem Act fürs Finale gar eine Top 10-Platzierung prognostiziert wird. Oho.
Auch bei Portugal lagen wir daneben. Immer wieder grotesk, wie der wohl unaufgeregteste Auftritt, der ohne Berührung an einem vorbeihuscht, doch genügend Fans findet. NAPA sind klar erkennbar eine gute Indie-Band, die sich zu einem gemütlichen Kaffee am Nachmittag richtig gut hören lassen – doch auch hier sind offensichtlich einige von dem Quintett schwer begeistert. Fair enough.

Der einzige wirklich unangenehme Beitrag des Abends: Kroatien. Nachdem Voodoo-Zauber aus Irland im vergangenen Jahr ist der “Poison Cake” allerhöchstens ein schlecht gewordenes Yes-Törtchen. Ein großes Wirrwarr aus vielen schrägen Zutaten ergibt immer noch kein Meisterstück. Schüssi Finale, schüssi Marko!
Überraschend: Zypern scheidet aus. Das ist bei der Inszenierung und dem sehr modernen, aber auch stark verkopftem Song “Shh” nicht zu erwarten gewesen. Unser Tipp an dieser Stelle: Wenn Sonntag alle Ergebnisse veröffentlicht werden, war der hier Platz 11 und knapp am Final-Entry vorbei.

Für einige sah es in der Fan-Bubble zunächst so aus, als ob die Ukraine erstmalig seit ihrer Teilnahme im Eurovision nicht das Finale erreichen könnte. Ziferblat und “Bird Of Prey” ist arg speziell, wirklich. Irgendwie gut, irgendwie nicht. Doch die Solidarität ist dermaßen stark, dass anscheinend zumindest bei jenem Land der musikalische Beitrag etwas nebensächlich ist. Wo es wohl im Finale landet?
Generisch, solide: Norwegen hat mit “Lighter” wahrhaftig kein Brett am Start. Aber Kyle Alessandro gibt alles, die Bühne sieht nice aus. Finale war recht sicher, aber unsere Prognose für Samstag lautet letztes Drittel.
Sieger der Herzen ist San Marino. Ja, das sagt man nicht oft, aber Gabry Ponte (ehemaliges Eiffel 65-Mitglied) hat mit der old schooligen Party-Hymne “Tutta L’Italia” die komplette Halle auf seiner Seite. Manchmal dürfen Dinge auch einfach nur für drei Minuten Fun machen. Wir halten es für durchaus realistisch, dass das hier am Ende besser funktioniert als Italien selbst.

Die bereits Qualifizierten & Honorable Mentions

Seit 2024 dürfen auch die Big Five sowie das Austragungsland in den Semis performen. Besonders auffällig ist die umwerfend energetische Nummer “Esa diva” aus Spanien. Melody wirkt wie die europäische Beyoncé und haut einfach richtig raus. Hat definitiv viel mehr Aufmerksamkeit verdient.
Das ganz, ganz leise “Voyage” aus der Schweiz wird eines der wenigen super intimen Momente am Wochenende, worauf man sich freuen darf. Ein Moment, in dem man wohl innehält und ein Lächeln im Gesicht wie automatisiert auftritt. Wunderschön.
Italien hat mit dem optisch interessanten Lucio Corsi den schlechtesten Beitrag seit Langem. Mit dem DavidBowieKissQueen-Verschnitt, der musikalisch aber wie ein fast abgekühlter Cappuccino mit Sojamilch wirkt, könnte Italien erstmalig seit 2016 die Top 10 verfehlen.

Zwischen all den “Ohhhs” und “Aaaahhs”, wofür es schon im zirkusartigen Alpen-Opening unzählige Augenblicke gibt, reißt besonders der irrsinnig witzige Interval-Act “Made in Switzerland” total mit. Studer und Brugger präsentieren in einer pompösen Musicalnummer alle großen Erfindungen, die die Schweiz zu bieten hat. Super witzig. WTF des Abends: Eine neue Version von dem 2000er-Siegertitel “Fly On The Wings Of Love”. Passend ans Motto angelegt singt einer der Olsen Brothers hier “United By Music”, jedoch Playback. Vor einer bereits herausströmenden Halle, bei der vielleicht noch die Hälfte an Plätzen belegt ist. Und im TV der Abspann läuft. Wie unangenehm.

Neuartig ist die Verkündung der weiterkommenden Acts: Drei Länder werden gleichzeitig eingeblendet, wovon eins weiterkommt und zwei zunächst zittern müssen. Dann wieder drei weitere Länder mit einem Finalticket und so weiter. Coole Idee.

Auch wenn man vorab nicht drin ist, ist man es doch allerspätestens um 21:10 Uhr: Der Eurovision Song Contest reißt auch 2025 wieder gnadenlos mit. Witzig, schräg, berührend, aufweckend, spektakulär. Und da geht noch so viel mehr. Stay tuned.

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Hier nochmal unser Favorit des Abends – Claude aus der Niederlande:

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