“Heimat”, ein diffuser Begriff. Für so manchen mit unerfüllten Träumen verbunden. Für andere negativ aufgeladen. Und doch: Danach fühlt sich ein Blumengarten-Konzert eben an.
Per Katapultstart schoss es Sammy und Rayan von Blumengarten hoch hinaus in die deutsche Indie-Riege. Einen Tag dauerte es so nur, bis die 900 Tickes für das Gloria Theater – immerhin der Konzertsaal mit der besten Akustik Kölns – vergriffen waren. Knapp zwei Jahre nach Genesis von “Paris Syndrome” stehen die zwei Blumengartler also vor ausverkauftem Haus, im Rücken eine stilvoll eingesetzte Lichtinstallation, ihre dreiköpfige Band und ein lautstarker Publikumschoral. Die Frage nach dem zurecht stellt sich nicht. Die Magie, die die frühen Auftritte des Duos erzeugten, ist erhalten geblieben: Von Uniwiese (spontan) über Club Bahnhof Ehrenfeld (℅-pop 2023) und Bürgerhaus Stollwerck (letzte Tour) hin zum Carlswerk Victoria (am Vortag) und Gloria Theater (heute).
Blumengarten jedenfalls klingen fantastisch. Das Bandsetup steht den Songs besonders gut, verleiht ihnen eine tanzbare Note. Hier und da wird außerdem ein Gitarren- oder Basssolo ergänzt. 80 Minuten lang spielt man sich so durch die eher kurze Diskographie, lässt lediglich hier und da einige Songs links liegen. Zwei unveröffentlichte Lieder – das eine Disco, das andere Indie-Rock, beide haben einen Blumengarten-typischen Pathos-Titel – schummeln sich außerdem in das Set. Und auch das Cover von AnnenMayKantereits “Vielleicht Vielleicht” findet seinen Platz. An selbiger Stelle, in diesem Raum, habe er einmal Henning May getroffen, er habe jedoch aus Nervosität und Ehrfurcht kein Wort rausbekommen, erzählt Rayan anschließend.
Innig ist die Umarmung nicht nur als sich zu “Herz aus Porzellan” nach Aufforderung der Band hin der ganze Raum im Arm liegt, sondern auch die Chemie zwischen Musiker*innen und Crowd. Dicht hängt der Fanchoral Rayans markanter Engelsstimme an den Fersen. Sammy und Rayan außerdem heizen der “Heimat” ordentlich ein und fegen wie von unsichtbarem Motor angetrieben über die Bühne, der eine mit Gitarre, der andere mit rudernden Armen. Tief ist auch die Dankbarkeit die der fantastischen Stimmung wegen im Raum liegt. Als sich das einstige Kino zu “Mama” in ein buntes Lichtermeer verwandelt, fließen auf und vor der Bühne unkontrolliert Tränen.Vor allem Rayan kriegt sich anschließend gar nicht mehr ein. Er habe sich vorgenommen, solche Momente mehr zu genießen, wird er später sagen.
Derartige Gefühlsausbrüche sind heute Niemandem unangenehm, sondern Teil des Konzeptes. Vertrautheit und Nähe auf Abruf. Eine gewisse Intimität liegt so in der Luft, wohl auch weil aufgrund des abschüssigen Zuschauerraums leicht Blickkontakt entsteht. Familiär ist jedoch auch, wie Blumengarten und Team auftreten. Zum Cro-Feature (nicht anwesend) “Nie Wieder Normal” stürmt die gesamte Crew die Bühne. Und nach Konzertende feiern Fans (vor) und Musiker (auf der Bühne) gemeinsam zu Taio Cruz “Dynamite” eine kurze unoffizielle Aftershowparty. So vertraut, so innig fühlt sich oft nur etwas an, was als Heimat empfunden wird. Ja doch, Blumengarten sind Heimat.
Und so hört sich das an:
Beitragsbild von Jonas Horn.
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