Ehemaliges Fabrikgelände des Metallverarbeiters Carlswerk. Eine lange Schlange zieht sich durch das gentrifizierte Industrieareal. Ein paar Menschen in Rave-Outfits, einige Metalcorler und Punker, viele doch eher gewöhnlich anmutende Outfits. Für ein Konzert von Brutalismus 3000 würde man eigentlich mit Ausgefallenerem rechnen. Doch das Techno-Punk Duo, so scheint es, ist im Mainstream angekommen. Schon lange sind die weit über 1000 Konzertkarten vergriffen. „Europaträume“ heißt die kompakte Tour. Genau wie die aktuelle Single der Musiker*innen.
Nur langsam schrumpft die Schlange. Wir haben bereits nach Beginn, doch noch immer stehen sich hunderte Meter lang Menschen die Beine in den Bauch. Um kurz vor 9 dann endlich in der ehemalige Industriehalle. Dort legt bereits ein DJ – Sky Leon nennt er sich – Hard-Techno und Dubstep auf. Arme und Hüften winden sich dazu passend im Takt. Ist das nun ein Konzert oder doch eine Party? Gerade zumindest fühlt es sich mehr nach letzterem an. Etwa eine halbe Stunde lang geht das noch so, dann ist eine Viertelstunde Pause. Also doch eher Konzert? Die Luft wird währenddessen immer dicker, pusten doch hunderte gierige Münder Rauchschwaden gen Stahlträger und Lüftungsschächte.
Dann geht das Licht aus. Das Gesicht einer blonden Frau taucht auf einer Leinwand in 70mm-Ästhetik auf. Sie lacht frenetisch. Alarmsirenen blinken. Sie feuert einem Affirmations entgegen. Wir sind schön und stark. Unsere Leben sind bedeutungsvoll. Wir sind im hier und jetzt. Dann dreht DJ und Produzent Theo Zeitner an den Reglern. Der erste Beat. Meistens Techno, manchmal Trap. Gliedmaßen setzen sich in Bewegung. Vor der Bühne, aber auch auf ebendieser.
Victoria Daldas in der Rolle der Frontfrau. Viel Zerrung liegt auf ihren Vocals, außerdem ein meterdicker Backingtrack. Wichtiger ist die Performance, die frei von Tiktok-Tanzmoves ist (in der Menge, der Zustand ein anderer). Immer wieder verschwindet Daldas außerdem in der ersten Reihe. Sie und Zeitner sind krank. Er habe Halsschmerzen, sagt sie. Dann kommt der nächste Track und ihre Beine bleiben dennoch nicht still.
So steht man da inmitten einer Wolke aus dichtem Rauch, macht obskure Verrenkungen mit Armen und Oberkörper während die Kick rhythmisch alle Gedanken aus dem Hirn massiert (und so manchen wohl auch die Erkältung aus den Nebenhöhlen). Die Zeit verfliegt wie die Motive auf der überbreiten Leinwand. Ein grünes Herz, Taubenwirrwarr, ein massiv-arschiges Teufelssternchen, dann doch wieder nur Brutalismus 3000 in roten, weißen, schwarzen Lettern. Oft außerdem verschwommene Live-Aufnahmen der zwei Protagonist*innen.
So richtig entscheiden können sich Brutalismus 3000 dann nicht, ob der Abend nun Konzert oder Rave sein soll. Vom Setting ist es definitiv Konzert – auch wenn am Ende erst um Viertel vor 12 Schluss ist. Es ist aber immer noch Dienstag abend und nicht Freitag Nachts. Für ein Konzert, fehlt es dem 110-minütigen Set jedoch an Spannungsbogen und Faden. Zwar wird es im Mittelteil etwas clubbiger und zum Schluss dann hittiger, gegen Ende leert es sich in der Halle jedoch bereits zunehmend und auch die Stimmung ist eher monoton gleichbleibend und nicht wellenförmig. Das auch, weil die zwei vor allem ihre Party-Tracks spielen und der Vibe somit relativ gleich bleibt. So verortet sich der Abend dann irgendwo zwischen den beiden Extremen. Hätte man sich doch lieber entschieden.
Und so hört sich das an:
Brutalismus 3000 live 2024:
17.02. – Berlin, Columbiahalle
Foto von Jonas Horn.
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