Kleine Konzerte in viel zu großen Räumlichkeiten werden schnell mal sehr unangenehm, können Künstler und Künstlerinnen mit den Gegebenheiten, den nicht selten auch mal unangenehmen Gästen, nicht umgehen. Wenn man knapp fünf Jahre nicht mehr in einer Stadt gespielt hat, die eigenen Alben kaum im Zielland promotet wurden, dann kann es auch mal sein, dass selbst Clubs kleinster Kategorie nur spärlich gefüllt sind. Drenge aus der UK trafen genau diese Umstände im Kölner MTC an, in dem sich an einem angenehm warmen Apriltag knapp 50 bis 100 Gäste einfingen, um dem ersten Gig der Band in der Stadt seit 2014 zu lauschen. Die Band ignorierte alle Absurditäten und zog ihr Set professionell und routiniert durch – besser kann man eine solche Situation wohl nicht händeln.
Das Intro von „No Woods“ aus dem zweiten Album seiner Band verhaut Eoin Loveless heute komplett. Bereits ab Ton drei klingen die Gitarrensaiten gar nicht mehr an und es tönt nur noch ein unangenehmes Scharren aus dem Verstärker. Der große Kerl – heute in weißem Hemd, dessen oberen Knöpfe lässig geöffnet sind – lächelt den unangenehmen Moment verlegen weg, beginnt den Song souverän einfach nochmal von vorne – so als sei nichts gewesen. Auch den restlichen Auftritt seiner Band gibt es immer wieder solche kurzen Störsituationen – seien das ein Mann in der ersten Reihe, der mehr mit seiner Freundin als den Musikern vor sich beschäftigt ist oder laut quatschende Konzertbesucher – die der sympathische Brite mit dem breiten Lächeln einfach gekonnt ausblendet. So singt Loveless, dessen tiefes Stimmorgan stets mächtig aus den Boxen schallt, immer wieder auch mit geschlossenen Augen, tänzelt geschickt über die Bühne, während seine drei Bandkollegen die musikalische Untermalung in die Hand nehmen. Als er seinen Einsatz in „Teenage Love“, der ansonsten gänzlich ohne E-Gitarren auskommt, verpasst, hält er das Instrument für die wenigen Sekunden, die der Part andauert, einfach lässig in seinen riesigen Pranken – wer braucht schon einen Gurt?
Immer wieder bedankt sich die Band trotz der sonderbaren Umgebung höflich beim Publikum. Diesen Part übernimmt vor allem Eoins Bruder Rory, der ansonsten energetisch und kraftvoll sein Schlagzeugkit penetriert. Irgendwann versuchen die beiden sich an ihren letzten Köln-Besuch zu erinnern. Der liegt jedoch so lange zurück, dass die Brüder sich nichtmal sicher sind, wie viel Jahre dieser denn nun her sei. Seit dieser letzten Europa-Tournee hat sich um Drenge tatsächlich einiges bewegt: Damals war die Band noch ein Duo, hatte erst ein Studioalbum – mittlerweile sind es drei – veröffentlicht. Den Frontmann zwischenzeitlich auch ohne Instrument zu sehen, mag im ersten Moment genauso verwundern, wie das stilistisch breit aufgestellte neue Songmaterial, funktioniert dessen Ausstrahlung wegen jedoch erstaunlich gut. Das gilt auch für die alternative Version des Drenge-Klassikers „Backwaters“, sowie für die neuen Songs, wie das düstere „Prom Night“, das diesmal leider ohne seinen markanten Saxophon-Part auskommen muss.
75 Minuten spielt das Quartett heute, eine für eine solch intime Show durchaus ungewöhnlich lange Spielzeit. Die Songauswahl gleicht der der UK-Tour, während der man unter anderem dem Londoner Brixton Electric (Kapazität: 1200) einen Besuch abstattete. Alleine wegen der geringeren Besucherzahl deutlich kürzer zu spielen, geschieht leider heutzutage viel zu häufig. Drenge geben sich jedoch über eine Stunde voll und ganz ihrer Musik hin, verlieren sich in jamartigen Momenten, wie dem langen Outro von „Let’s Pretend“ und ignorieren ansonsten perfekt alle ungemütlichen Sorgen und Ängste. Das beschert der Band sicherlich beim nächsten Mal eine deutlich größere Crowd – vorausgesetzt das „nächste Mal“ dauert nicht wieder eine halbe Dekade.
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Foto von Jonas Horn.
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