Das Bühnenbild ist schlicht. In der Mitte der Bühne, die am Ende der riesigen Mitsubishi Electric Halle thront, steht ein einsames Klavier, etwas schräg weiter vorn ein kleines Synthesizer-Konstrukt. Auf einer Empore wenig dahinter befinden sich das Schlagzeug, weitere Keyboards und Instrumente. Über, neben und hinter all dem erhascht man unzählige Lichter, die die Musiker mal von oben beleuchten, oft aber auch einfach von der Seite in Szene setzen werden. Das ganze runden ein paar Gitterstäbe, die die Instrumente von dem hinteren Teil der Bühne abtrennen, und ein unauffälliges Banner ab. Die Band, die Ende Januar diese Bühne betritt, wird die mehreren Tausend Menschen, die zuvor in die leicht verkleinerte, aber dafür sehr gut gefüllte Arena strömten, auch trotz der simplen Produktion mitreißen: Eine Aufgabe, die sich nicht von alleine meistert.
Das bemerken wohl auch die Whispering Sons aus Belgien. Knapp eine Stunde bevor die Hauptakteure des Abends – die Rede ist natürlich von den famosen Editors – an der Reihe sind, darf das Quintett sich zunächst als Support versuchen. Obwohl Sängerin Fenne Kuppens jeden Becken-Schlag ihres stehenden Kollegen an den Drums lebt und sich in dem 80er-Post-Punk-Teppich, den ihre vier Mitstreiter stricken, nahezu zu wälzen scheint, geht diese Energie kaum auf die Menge über. Dabei könnte der Auftritt der jungen Band, die erst 2018 ihr Debüt in die Welt entlassen hatte, gar nicht vielversprechender sein. Der Sound und das Auftreten der fünf Musiker ist emotionsgetränkt und einzigartig, ihre Songs dürfen dementsprechend in den richtigen Momenten auch mal ausbrechen und Kuppens ihre zumeist kühle Stimme in verzweifelte Schreie entlassen.
Ähnlich dicht bleibt der Sound, der aus den Boxen dröhnt, auch für das erste Viertel des knapp 110-minütigen Editors-Auftritts. Die Indie-Band aus Birmingham setzt den Fokus ihrer Tour zum Best-Off Album „Black Gold“ vorrangig auf die zwei Frühwerke. Gleich die ersten vier Stücke des Abends stammen von diesen zwei deutlich rockigeren Alben. Wenn die fünf Musiker also ohne spektakuläre Begleitmusik und mit wenig Bombast der Reihe nach die ebenfalls reduziert gestaltete Bühne betreten, steigen sie ohne Umschweif in die wohl nach vorn treibendsten Songs ihre Karriere ein. Mit „Escape The Nest“ gibt es dann an vierter Stelle ein Stück, das man nahezu als rifflastig bezeichnen könnte. Das liegt wohl ebenfalls daran, dass die Band live noch einmal deutlich eklektischer klingt als auf Platte.
Die Posen eines Rockstars
Kein Wunder, zu Beginn schneiden zeitweise drei Gitarren gleichzeitig durch die randvolle Halle. Währenddessen reißt Bassist Russell Leetch sein Instrument in die Höhe, fordert das Publikum immer wieder zu Mitklatsch-Spielchen auf – was zugegebenermaßen irgendwann fast schon zu viel wird – und verweilt ansonsten lässig an den Saiten, während er zwischen seinen Kollegen umherschlendert. Auch bei den Kollegen sitzen die Rock-Star-Posen: Selbst ohne große Produktion gehört die Bühne voll und ganz der britischen Band. Vor allem Sänger Tom Smith beherrscht nicht nur die Kontrolle über sein markanten Bariton, sondern gleichsam über die Fans. Mal baut er sich theatralisch über dem Synthesizer-Tisch auf und lehnt sich gen Menge, mal schmeißt er sich voller Leidenschaft auf den Boden und haucht die mehrdeutigen Texte pathetisch in Richtung Technik oder erste Reihe. Auf ausufernde Ansagen verzichtet der Frontmann.
Der Indie-Rock weiche etwas Tanzbarerem
Stattdessen setzt die Band Song nach Song. Nach dem rockigen Start weichen die Gitarren fix deutlich tanzbareren elektronischen Klängen und spätestens beim „Frankenstein“-„Papillon“-Zweier tanzt die ganze Halle. Mit „The Weight Of The World“ und „Spiders“ folgen zwei Songs, die Smith an der Akustik-Gitarre performt. Ersteres alleine, letzteres gemeinsam mit den vier Mitmusikern. Im Anschluss konkurrieren Parts, die von Synthesizern oder Klavier getrieben werden, und solche, die vorrangig auf mehrlagige Gitarrenschichtungen setzen, miteinander. Mit „You Are Fading“ werfen die Editors der Halle gleich vor der Zugabe zudem einen Song vor die Füße, den man vor der Tour zuletzt Anfang der 2010er-Jahre gespielt hatte. Fulminant bäumt sich das Ungetüm immer wieder auf, macht in seinem weniger geradlinigen Verlauf Höhen und Tiefen durch und entlädt seine Spannung zum Schluss in einem letzten Ausbruchpart.
Selbst die Lichtshow setzt vorrangig Akzente und bleibt häufig reduziert, auch wenn das über der Bühne schwebende Konstrukt durchaus protzig ausschaut. Nur in den ekstatischeren Momenten fährt man jedoch gelegentlich Flackerlicht und andere Spielereien auf. Trotz des reinen Fokus auf der Musik, haben Smith und co. ihre Anhänger nahezu zwei volle Stunden komplett im Griff: Ein Kunststück, an dem bislang so manche Band scheiterte. Bei den Editors sieht das dahingehend jedoch spielend leicht aus.
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Und so hört sich das an:
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Editors live 2020:
03.02. – Berlin, Velodrom (ausverkauft!)
07.02. – Wien, Gasometer (AT)
22.06. – Hamburg, Stadtpark
29.06. – München, Tollywood Festival
Foto von Jonas Horn.
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