Frank Carter steht mit seinen Klapperschlangen seit nunmal drei Jahren für Konzerte, bei denen niemand still steht und zerlegt regelmäßig Locations buchstäblich in ihre Einzelteile. Auch das Kölner Luxor – schon Monate zuvor ausverkauft – durfte das nun auf der Tour zu seiner zweiten Platte „Modern Ruin“, die bereits im Januar 2017 erschienen war, am eigenen Leib erleben, kam aber nochmal mit einem blauen Auge davon.
Der langgestreckte Club im Süden der Domstadt eignet sich mit seinem bei ausverkauften Shows notwendigen Wellenbrecher und seiner doch recht engen Tanzfläche auch nicht wirklich für derartige Konzerte, bei denen vor allem die enge Beziehung zum Publikum im Vordergrund steht. Carter machte mit seinen Kollegen jedoch das Beste aus der Situation, ließ das Publikum nach zwei eher weniger passenden Supports, der Pop-Punk-Band Woes und den Stoner-Rockern von Demob Happy – vor allem letztere lieferten jedoch ordentlich ab -, noch knappe 45 Minuten warten, dementsprechend aufgeheizt und energetisch war die Menge dann aber auch nach der Verschnaufpause. Auch das Quartett schien ab den ersten Takten an unter Strom zu stehen, vor allem Carter selber und Gitarrist Dean Richardson begaben sich immer wieder vor, in und auf das Publikum. So setzte Frank Carter gleich zu Beginn zu seinem mittlerweile schon obligatorischen Gang über das Publikum an, lief wie eine Spinne an der Decke entlang und hinterließ ein Loch in der niedrigen Decke des Clubs – ob durch einen Schlag oder durch einen Unfall.
Natürlich fand der immer wütende Rotschopf auch eine Lösung dafür, dass es für Künstler schwierig ist im sehr langen Luxor mit den hinteren Reihen des Publikums in Kontakt zu treten und spielte einen Song komplett an der seitlich gelegenen Bar. Wirklich auf der Bühne hält es den Herren selten. Das darauf folgende Stück „Acid Veins“ widmete er seiner die Show von der Seite der Bühne betrachtenden Frau, brachte ihr einen Cocktail von der Bar, den er ihr in den ersten Reihen der Menge übergab. Neben seiner stets aggressiven, wüsten Art verfügt der Sänger auch über eine emphatische, emotionale Seite, die bereits auf seinem letzten Album immer häufiger zum Vorschein kam. Dies blitzte vor allem in seinen Ansagen durch, von denen er in den 75 Minuten, die er auf der Bühne verbrachte, eine Handvoll hielt. So betonte er beispielsweise, dass es wichtig sei Freunde nach ihrem Wohlbefinden zu fragen und man vor allem bei Männern auch mehrfach nachfragen sollte, da die Gesellschaft ihnen vermittele, immer hart sein zu müssen und nur wenige Emotionen zeigen zu dürfen. Er selber habe auch bereits schlimme depressive Phasen durchgemacht. Es folgte die unter die Haut gehende Akustik-Version des sonst sehr zügigen „Loss“.
Bei Carter herrschen die Superlative vor. Bei den emotionalen, ruhigen Songs müssen alle – also wirklich alle – ihren Mund halten, bei den härteren Stücken muss jeder ausrasten und die Circle-Pits müssen größer sein als alles, was die Location bislang gesehen hat. All dies erreicht der Brite mit den Rattlesnakes selbstverständlich auch. Immerhin hat er selber fast 15 Jahre Bühnenerfahrung und weiß einfach, wie man eine Crowd mitreißt. Eindrucksvoll stellte der von Kopf bis Fuß tätowierte Mann dies bereits bei Rock Am Ring im vergangenen Jahr unter Beweis, bei dem er vor einer sehr kleinen Zahl an Personen spielen musste, da der Auftritt seiner Band recht spontan um knappe 45 Minuten vorverlegt worden war. Schon damals konnte er jede einzelne Person zum Ausrasten motivieren. Auch wenn die Grundsituation diesmal wohl um einiges einfacher für ihn ausgefallen war, so war es doch beeindruckend, wie sehr das Publikum mit dem Herren mitging.
Auch als sich am Ende bei der Hass-Hymne „I Hate You“ alle in den Armen lagen, schien es kaum möglich, sich nicht von der unglaublichen Energie, die in dem Raum herrschte, anstecken zu lassen. Alle Zuschauer verließen nach diesem Aufmerksamkeit erfordernden Auftritt erschöpft, eventuell leicht blutend, aber glücklich den Club. Das Luxor selber erlitt ebenfalls leichte Blessuren, kam aber noch glimpflich davon. Ob Frank Carter den Club das nächste Mal auch stehen lässt?
Und so hört sich das an:
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Frank Carter & The Rattlesnakes live 2018:
28.03. – Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft!)
Foto von Jonas Horn.
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