Jeff Rosenstock, Buhmann & Sohn Köln, 25.09.2018

Jeff Rosenstock, Bumann & Sohn Köln, 25.09.2018

Gewöhnlich kann jeder. Spannend wird Kunst vor allem, wenn sie in unbekannte Gefilde vordringt, den Sprung ins Dunkle wagt. Viele Konzertabende sind in die Kategorie „kennt man schon“ einzuordnen. Klar, eventuell ist die Stimmung gut, man liebt die Musik oder die Menschen auf der Bühne liefern technisch voll und ganz ab. Ansonsten unterscheidet sich die Erfahrung hingegen kaum von dem Vibe anderer Shows. Einige wenige Veranstaltungen schaffen es jedoch im Gedächtnis zu bleiben. Das mag an der einzigartigen Musik der Künstler liegen oder an Konventionsbrüchen oder den sonderbaren Charakteren der Musiker.

Jeff Rosenstock und Chris Farren bilden zusammen nicht nur das Emo-Projekt Antarctigo Vespucci und sind gute Freunde, sondern befinden sich momentan ebenfalls gemeinsam auf Europa-Tournee. Jeff Rosenstock betourt mit seiner Band sein aktuelles Album „Post-“, Chris Farren spielt seine Solo-Songs – neu und alt. Diese Tour – Farren gab ihr den humorvollen Titel „Jeff Rosenstock closing for Chris Farren“ – machte unter anderem in der Kölner Bar Bumann & Sohn Halt. Dieser Konzertabend fiel alles andere als gewöhnlich aus.

Kurz vor Konzertbeginn beobachtete man vor und neben der Bühne einen zierlichen Mann mit einer ordentlichen Portion Glitzer im Gesicht. Ja, das muss doch einer der heute auftretenden Künstler sein! Und tatsächlich: Kurze Zeit später betrat dieser humorvolle Kerl die fast schon improvisierte Bühne der Location und stellte sich als Chris Farren heraus. Gute vierzig Minuten entführte der 32-jährige die gespannt lauschende Menge in seine (musikalische) Welt aus Glamour (seine Gitarre und Mikro zierten bunte Lichterketten), klebrigen Synthiebässen, elektronischen Drumbeats und Songwriter-E-Gitarren. Immer mehr Künstler beweisen in letzter Zeit, dass man auch mit einem reduziertem Set-Up aus Drum-Computer und Gitarre viel reißen kann. Auch Farren – angestrahlt von mal sphärischen, mal humorvollen Projektionen – baut seinen Songwriter-Punk auf dieser Grundlage auf, die seinem Sound nicht selten einen 80er-Anstrich verleihen. Was ein absolut unterhaltsamer Auftritt!

Stand zuvor nur ein Mann mit seinem leuchtenden Instrument auf der Bühne, wurde es während des Auftrittes von Jeff Rosenstock und Band doch recht voll auf dieser. Gleich vier Begleitmusiker, die den Sound seiner Platten perfekt reproduzierten, hatte Rosenstock über den großen Teich gekarrt. Teilweise drei Gitarren und mal ein Saxophon, Keyboard oder eine Slide-Gitarre sorgten hier für musikalische Abwechslung. Auch der Sound, den die fünf Herren auffuhren, unterschied sich von dem zuvor dargebotenen. Bot Farrens Musik viel Platz zum umhertänzeln, so ließen Rosenstock und Co eher flotten Punk-Rock mit einer guten Menge Raffinesse auf die Menge los. Den wollten ein Jack Black-Lookalike und Freund auch gleich für sich nutzen und versuchten ihre Mitmenschen auf doch eher aggressive Weise zum Pogen zu animieren. Nachdem man sich an diese beiden wütend-bellenden Hunde gewöhnt hatte, wurde im Verlauf des Sets dann jedoch immer ausgelassener getanzt und auch Black bekam, was er zuvor eingefordert hatte: Pogo.

Hatte es den Voract zuvor bereits während einem seiner Songs in den Außenbereich der Bar gezogen, um auf einen kleinen Erkundungsausflug zu gehen, hielt es auch den Mainact nicht die vollen 70 Minuten auf der Bühne. Ob fast schon in sich gekehrt mit Mikrofon durch die Menschenreihen spazierend, mit Saxophon während „You, In Weird Cities“ auf einem Bartisch stehend oder halb in der Menge liegend – Publikumsscheu scheint der Sänger, der sein Mikrofon auch gerne mal fast komplett in den Mund nimmt, nicht zu sein. Auch vor Soundexperimenten schreckt Rosenstock nicht im geringsten zurück – nach vorne treibende Punk-Parts und Fäuste-Reck-Hymnen findet man zwar reichlich, neben diesen stehen jedoch nicht selten ruhige, nachdenkliche Passagen, die mal von den Gitarren, mal vom Keyboard getragen werden und dem Gesamtbild eine vielseitige Note verleihen.

Schlussendlich hinterließen Jeff Rosenstock und Chris Farren wahrlich bleibenden Eindruck. Gewöhnliche Punk-Rock-Shows gibt es mittlerweile en masse – vor allem in einer Stadt wie Köln. Wer seine Suche hingegen auch auf die Randbereiche des Genres erweitert, wird auf solche absolut inspirierenden Künstler und Abende stoßen, von denen man positiv überrascht wird. Da können dann selbst Soundprobleme nichts dran ändern.

Und so hört sich das an:

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Foto von Jonas Horn.

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