„Our president is an asshole“ – ein eher untypisches Zitat, das minutenmusik auf einem anspruchsvollen Jazz-Konzert aufschnappen durfte. Aber Randy Crawford hat genau mit dieser kleinen, aber starken politischen Message beim Publikum genau ins Schwarze getroffen und frenetischen Beifall ausgelöst. Und ganz nebenbei auch noch mit 90 wundervollen Minuten Musik.
Der Alfried Krupp Saal in Essen steht für perfekten Sound und ist neben dem Opernhaus für die Philharmoniker der Stadt eine perfekte Anlaufstelle, um richtige Instrumente klingen zu lassen. Davon haben wohl auch die vier Musiker rund um unsere Protagonistin gehört. Mit Nick Sample am Bass, George Whitty am Klavier, Allen Hinds an der Gitarre und Land Richards am Schlagzeug hat sich eine Riege gefunden, die nicht weniger als fehlerfreien und punktgenauen Jazz präsentiert. Nach einem fünfminütigen instrumentalen Intro, das um Punkt 20h beginnt, betritt Randy Crawford die Bühne – bereits jetzt steht ein Teil des Publikums auf, ohne einen gesungenen Ton gehört zu haben. Die meisten wissen offensichtlich schon, was sie erwartet.
Die Plätze in dem schicken Raum sind geschätzt zu 90% verkauft. Das Durchschnittsalter liegt wahrscheinlich bei Mitte 40, was aber bei dieser Form von Musik nicht groß überrascht. Was sehr wohl überrascht: Das Programm selbst ist mit Coverversionen von „Feeling Good“, „Knocking On Heavens Door“ oder „When I Need You“ wirklich breit aufgestellt. Generell präsentiert Randy Crawford in eineinhalb Stunden, dass Jazz auch mainstreamig klingen kann. Die instrumentalen Soli halten sich im Zaum, Improvisation und Scat-Gesang ist auch eher kurzzeitig angesagt – alles andere schwebt irgendwo zwischen Soul und Lounge. Außer ein paar Spots im Hintergrund sind keine Showelemente vorzufinden, was gut so ist! Zusätzlich ist die Musik vielleicht halb so laut wie auf üblichen Popkonzerten.
Eine wohlige Atmosphäre macht sich nach wenigen Takten breit. Alle Menschen wechseln stets zwischen zufriedenstellendem Lächeln, leichtem Mitschwingen und geschlossenen Augen. In den besten Momenten werden alle drei Dinge kombiniert. Randy Crawford verzaubert mit atemberaubender Gesangstechnik, ganz weichem Ansatz und setzt zu keiner Sekunde zu stark auf. Zweimal singt sie A-cappella. Die mittlerweile 66jährige Lady verzückt stattdessen mit ehrlichem, lauthalsigem Lachen, kurzen Anekdoten zu den Songs und einer einzigartigen Bühnenpräsenz. Obschon sie bis auf die letzten fünf Minuten auf einem Hocker sitzt, nur dort etwas groovige Bewegungen zeigt und körperlich nicht wirklich fit ist, kommt der Charme des Talents bis zu den letzten Plätzen an.
Dies sind Momente, die fast schon eine Parallelwelt eröffnen: kaum einer zückt sein Handy zum Fotografieren (es wurde eigentlich sogar per Durchsage verboten), es wird wenig geredet, Mitgesungen nur auf Anweisung von Randy und ansonsten einfach zugehört. Die unglaublich schnelle Medienwelt bleibt für kurze Zeit vor der Tür und sorgt dafür, dass bei den Zuschauern eine wahre Tiefenentspannung einkehrt. Man fühlt sich heruntergefahren und von so guten und doch meist ruhigen Klängen einbalsamiert. Verblüffend, dass das überhaupt noch funktioniert. Wenn die Welt untergeht, bekommt man das doch gerade gar nicht mit? Egal. Jetzt zählt einmal allein der Moment.
Bei den Highlights „One Day I’ll Fly Away“, „Street Life“ und „Almaz“ wird leicht mitgeschnipst, zum Ende hin jubelnd aufgestanden. Ja, das hat den Leuten gefallen. Und das völlig zurecht. Wer in einem Atemzug mit Aretha Franklin, Ella Fitzgerald oder Nina Simone genannt wird, hat anscheinend einiges richtig gemacht im Leben. Tatsächlich ein perfekter Abend, ohne Tamtam – aber mit ganz viel spürbarer Musikalität, die tief unter die Haut geht.
Und so hört sich das an:
Bild von Christopher F.
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