Er ist schlichtweg der Rap-Newcomer des Jahres 2017: RIN! Spätestens seit Songs wie „Bros“ oder „Monica Belluccii“ kennt ihn die halbe Nation. Bereits im vergangenen Jahr lieferte der gebürtige Bietigheim-Bissinger gemeinsam mit Yung Hurn den Rap-Sommerhit „Bianco“, der mit seiner eingängigen Hook („Der Scheiß ist weiß“) und einem lässigen Beat von Lex Lugner zum ausgelassenen Mitwippen auffordert. Am vergangenen Sonntag spielte RIN nun im Wiesbadener Schlachthof vor ausverkauftem Haus.
Vor der Halle wartet eine Schlange, die sich vom Eingang über einige hundert Meter zum nahe gelegenen Parkplatz erstreckt und sich nur langsam nach vorne bewegt. Das Publikum – besonders aus vielen Jugendlichen und Kids aus den 2000ern bestehend – singt fröhlich ein paar Zeilen von RINs Songs an und tanzt ausgelassen dazu. Auch in der Halle, in welcher sich ein Großteil der Gäste zunächst Richtung Getränkestand stürzt, herrscht beste Partylaune. Die Stimmung kocht.
Mit einer halben Stunde Verspätung tritt DJ Minhtendo als Show-Anheizer auf die Bühne, der mit verschiedenen Mixtapes zu derzeitigen Stimmungskrachern aus den Dance-Charts die Meute zum Toben bringt. Anschließend wird eine kurze jazzige Fahrstuhlmusik zu letzten Umbauzwecken eingespielt. Ein harter Bruch zu dem vorher gespielten Trap-Club-Sound, aber das Publikum nimmt auch dies schmunzelnd hin.
Um ca. 21 Uhr stürmt RIN, der sowohl sein eigentliches Alter wie seinen Nachnamen der breiten Öffentlichkeit verschweigt, schließlich unter tosendem Beifall und von Rauchschwaden der Nebelmaschinen umgeben die Stage. Auf seinem T-Shirt-Rücken ist sogar der Name der hessischen Landeshauptstadt, der Ort des heutigen Tourstops, bedruckt. Das Bühnenbild zeigt dabei einen von LED-Herzen umrahmten Schriftzug „ERROR“ – ein Track seiner Genesis-EP aus dem vergangenen Jahr. Die Herzen symbolisieren dabei wohl die Verbindung zum aktuellsten Werk. Schließlich hat RIN erst am 01. September dieses Jahres sein Debütalbum „Eros“ veröffentlicht, welches namentlich 15 Songs – gefühlvoll wie beatlastig – beinhaltet und prompt auf Platz 3 der Deutschen Albumcharts einstieg.
Der Rapper mit bosnisch-kroatischen Wurzeln brüstet sich in Interviews immer wieder damit, dass er einer der wenigen Musiker im Rap-Geschäft sei, der Gefühle in seinen Songs zulasse. Gefühle, die auch an diesem Abend deutlich werden. Die gespielten Songs wechseln sich dabei stets ab: Mal tanzbar und zum Abriss aufrufend, mal gefühlvoll und ruhig.
Auf RINs Frage: „Hallo Wiesbaden, habt ihr Bock?“, folgt ein ohrenbetäubendes Gekreische – besonders von der weiblichen Fraktion des Publikums ausgehend. Auch die Frage, ob jemand schon sein neues Album gehört habe, erübrigt sich schnell. Das Publikum scheint, bis auf wenige Ausnahmen, die Songtexte mitrappen zu können: Songs über den vermeintlichen Alltag, über Frauen, Freundschaften, ausgelassenen Tabakkonsum und den Kauf von bestimmten Labelklamotten. RIN trifft mit den Themen seiner Songs den Zahn der Zeit.
Jedoch läuft die Kommunikation mit dem Publikum über den Abend verteilt eher schleppend. Nach jedem Song schreitet RIN langsamen Schrittes auf seinen DJ Minhtendo zu, der ihm offensichtlich den nächsten Song souffliert. Dies sei zwar einem Tour-Neuling verziehen, doch hätten ein paar unterhaltende Worte hie und da die Verbindung zum Publikum etwas aufgelockert. Den während der Pausen aufkommenden lautstarken Forderungen nach dem Song „Marlboro T-Shirt“, der vor allem durch RINs „Hotbox“-Auftritt bei Marvin Game bekannt wurde, kommt der junge Bietigheim-Bissiger dabei ebenfalls nicht nach. Ein kurzes „Sorry, aber den Song spiele ich wirklich nie!“ watscht den sehnlichsten Songwunsch des Publikums ein wenig lieblos ab. Schade, den Track hätte man bestimmt auch noch spontan aus dem Ärmel schütteln können.
Nichtsdestotrotz, RIN bemüht sich, springt auf der Bühne wild auf und ab und flötet zu den zarten wie harten Beats in sein Autotune-fähiges-Mikro. Besonders bei Songs wie „Zeig mir wie high du bist“ oder seiner Hymne an Bietigheim-Bissingen „Doverstreet“ stellt er das Können seines automatischen Höhenkorrekturen-Mikros unter Beweis. Auf Halbplayback versteht sich und leider dabei auch nicht immer gleich den gewünschten Musik-Effekt treffend. Aber die Marihuana-Schwaden um mich herum verraten mir, dass dies an dem Abend wohl kaum jemanden (mit Ausnahme von mir) interessieren wird.
Mit „Jetzt kommt ein Song für die Mädels!“ leitet RIN schließlich den derzeitigen Radiohit „Monica Bellucci“ ein. Ich fühle mich natürlich augenblicklich tiefst geschmeichelt, geht es in dem Song doch um ein verzweifeltes Mädchen, welchem offensichtlich die Kontrolle über ihr Leben entglitten ist und welches im Drogenrausch durch die Szeneclubs der Stadt irrt. Tja, … eine Frau sollte wohl – wenn es nach RIN ginge – während ihres Herzschmerzes immer einen „Molly in ihren Drink“ bekommen.
Um ca. 21:45 Uhr kündigt RIN mit den Worten: „Jetzt sind wir am Höhepunkt der Show angekommen“ die wohl wirkliche Krönung des Abends an. In der Mitte des Saals bildet sich auf seine Anweisung hin ein riesiger Moshpit, dessen Beteiligte gleich bei den ersten Takten des Refrains wild aufeinander zuspringen. Denn nichts Geringeres als „Bros“, der Song mit der wunderschön-einfallsreichen Deklination „er/sie/es frägt“, wird gespielt. Die Stimmung ist am Siedepunkt. Ich bin mir sicher, dass wirklich jeder Besucher des Schlachthofs den Text lautstark – sofern Stimme noch vorhanden – mitgröhlt. Es folgt mit „Blackout“ und den bei RIN häufig wiederkehrenden Worten „Es ist 12 Uhr, ich kauf mir Supreme“ der letzte Abriss-Song des Abends, ehe nach nur einer Stunde und einer erneuten Darbietung von „Bros“ als Zugabe auch schon Schluss ist.
Die Meute ist kaputt und die mittlerweile erreichten 22 Uhr des Sonntagabends zeigen: Es ist eine gute Zeit, nach Hause zu gehen. Alles in allem: Es war eine kurze, aber durchaus gute Show, die zum ausgelassenen Feiern anspornte, aber auch ruhige Minuten für Gefühlsduseligkeiten zuließ. Dass RIN sich in puncto Musikalität und Zuschauerunterhaltung aber noch so einige Scheiben von seinen Rap-Kollegen abschneiden könnte, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Nichtsdestotrotz: Cloud-Rap wird wohl auch in Zukunft noch ein großes Ding im Rapgeschäft und vor allem bei den Jugendlichen sein. RIN und Minhtendo haben sich jedenfalls solide geschlagen! Wir dürfen gespannt sein, wie sich der Newcomer entwickelt und ob er in Zukunft vielleicht doch noch sein „Malboro T-Shirt“-Song live auspacken wird.
… Übrigens: RIN, hat während der gesamten Show (zumindest nicht sichtbar) keine einzige Zigarette geraucht. Dem bekennenden Kettenraucher sollte man an dieser Stelle – aus pädagogischer Sicht zumindest – große Anerkennung zollen.
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