Manche Songs haben sich so sehr in das tiefste Unterbewusstsein festgekeilt, dass sie allen Enwicklungen des eigenen Musikgeschmacks standhalten. Bei mir gehört “What Else Is There?” des norwegischen Electronia-Duos Röyksopp dazu. Vom Release des Songs 2005 bis zum ersten Live-Erleben sollten Schule und Uni, unzählige Konzerte und 18 Jahre vergehen. Nun kommen an diesem kühlen Herbstabend circa 3.000 Fans des melancholischen Electro-Sounds gepilgert. Was sie und mich erwartet? Die richtig große Atmosphären-Schau.
Mystisch statt stumpf
Jetzt ungefragt gegen EDM zu wettern, ist vielleicht etwas gemein. Natürlich hat auch dieses Genre seine Daseinsberechtigung. Und doch ist es maßgeblich dafür verantwortlich, warum ich elektronische Konzerte und vor allem Festivals meide. So wirklich wollen diese platt produzierten, immer gleichen Songs nicht zünden. Warum Röyksopp trotz gleicher Grundvoraussetzungen – ergo dem DJ-Dasein – funktionieren, zeigt schon die bloße Inszenierung des Konzerts vor Beginn. Während immer dichtere Nebelschwaden die Bühne einhüllen, winden sich noch ganz sanfte Klangflächen durch das Palladium. Schließlich treten fünf Gestalten auf die Bühne, gehüllt in Jawa-Gedächtnismäntel (StarWars-Fans wissen, was gemeint ist), die Gesichter versteckt hinter metallenen Masken. Zwei von ihnen begeben sich schließlich hinter die Mischpulte, die anderen drei wiegen sich zwischen Licht und Beats in einen anderen Bewusstseinszustand. Das sanfte “The Ladder” schließlich ist der nervöse, irgendwie auch tieftraurige Einstieg in diesen Abend. Aber dabei soll es nicht bleiben.
Die Trance kommt auch ganz ohne Substanzen
Denn Röyksopp stehen sicherlich für diese Art von elektronischer Musik, die eben nicht auf Teufel komm raus die Charts beeindrucken oder den leichten Weg ins Publikumsherz nehmen will. Aber klar – gerade die Songs, die stark durch die Melodien der Feature-Gästinnen geprägt sind – sind echt hittig. “The Girl and the Robot” oder “Monument” mit Robyn, “Never Ever” mit Susanne Sundfør oder “Breathe” mit Astrid S funktionieren bei jedem Indie-Publikum auf diesem Planeten. Und das ganz sicher. Trotzdem steckt in ihnen eine haltlose Melancholie, eine, die von den ersten Werken der Band von vor 20 Jahren bis zum aktuellen Tripple-Album “Profound Mysteries I,II und III” zur Band dazu gehört. Sie ist dermaßen intensiv, man kann den großen Synthie-Wänden nur dankbar sein, dass sie immer und immer wieder um die Köpfe schwirren.
Im schönen Kontrast zucken die großen Club-Hits wie “This Time, This Place…” ganz unkompliziert durch die Halle. Gerade bei diesen Episoden begeistert die dreiköpfige Tanz-Crew, die Svein Berge und Torbjørn Brundtland visuell unterstützen, immens. Die Choreos sind fließend und pointiert, wirken aber gleichzeitig locker und emotional. Die beiden Musiker selbst sind hauptsächlich mit ihren Mischpults beschäftigt, ein paar Ansagen sind da das Höchste der Gefühle. Aus der Mischung aus toller, oft auch exzentrischer Licht- und Bühnenshow und der Spannung aus Melancholie und Massenwahn entsteht etwas, das auch über die knapp 95-minütige Set-Länge begeistern kann. Und das so ganz ohne Person am Mikrofon.
“What Else Is There?”, das heute im Trentemøller-Remix auf die Bühne kommt (warum auch immer), ist dann vor der Zugabe der größte Moment des Abends. Und dazu einer von denen, den man auch nach Hunderten Liveshows nicht mehr vergessen wird.
Und so hört sich das an:
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Beitragsbild von Julia.
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Das war das schlechteste Konzert aller Zeiten. Der Sound war so dermaßen übersteuert und schrecklich, dass man die Songs gar nicht identifizieren konnte. Hätte man vielleicht in dieser Rezension mal erwähnen können. Das liest sich hier so schön, dabei war es Kernschrott. Es sind so viele Leute während des Gigs meckernd abgehauen. Außerdem fand ich es eine Frechheit, dass nach 70 Minuten das Licht anging. War sehr enttäuscht. Nie wieder Röyksopp, obwohl ich großer Fan bin, bzw. war.
Danke für deinen Kommentar! Interessant, deine Sichtweise zu hören, bei mir waren alle sehr begeistert und der Sound war ebenfalls vollkommen in Ordnung – sonst hätte ich es natürlich geschrieben 🙂
Ist aber ja leider ein bekanntes Palladium-Problem, dass der Sound hier oft für viele Hallenbereiche nicht funktioniert. Schade, dass du hier so eine negative Erfahrung machen musstest.
Es war wirklich ein traumhaftes Konzert. Ich habe auch jede Sekunde genossen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass demnächst mal wieder ein Konzert in Deutschland stattfindet und es nicht wieder 20 Jahre dauert, bis eine neue Scheibe rauskommt. Zur Not bleibt ja noch das neue Dreifachalbum zum nachhören. Genau. Es sind 3 Alben. Eins hast Du uns unterschlagen!
Ich fand das Konzert wie du ja gelesen hast auch ziemlich schön! Der Ansturm war ja schon recht groß, ich kann mir gut vorstellen, dass die nächste Tour nicht mehr so lange wartet.
Und danke für den Hinweis zum aktuellen Album, habe ich entsprechend im Text angepasst!