Gäbe es eine Band, der man im Hardcore den riesigen Schritt in die größeren Hallen und kleinen Arenen zutrauen könnte, so wären das wohl Stick To Your Guns aus dem Westen der Vereinigten Staaten. Die Melodic-Hardcore Pioniere wissen es wie kein anderer Künstler so schlüssig brachiale Ausbrüche mit melodievollen Refrains zu paaren. Die energetischen Live-Shows des Quintettes sind da fast nur die spitze des Erfolg-Eisbergs. So ist kein Jahr vergangen, seitdem die Band das letzte mal in der Kölner Essigfabrik gespielt hatte – da wegen der unstillbaren Nachfrage gleich zwei Mal. Obwohl die Amerikaner in der Zwischenzeit keinerlei neuen musikalischen Output aufweisen können, war die große Industriehalle auf der Schäl Sick bereits wieder Wochen vor dem Konzert ausverkauft. Dort bewies die Band zwischen großen Gesten und stagedivenden Weihnachtsmännern erneut, warum die Szene viele Hoffnungen in sie setzt, offenbarte jedoch auch ein großes Manko.
Wenig stadiontauglich zeigten sich jedoch erstmal Employed To Serve, die zwischen Mathcore und Beatdown, zu viel gewollter Publikumsanimation und Synchron-Headbangen nicht wirklich überzeugen konnten. Anders sah das bereits später bei Counterparts aus, deren Publikum sich textsicherer als bei so mancher Headliner-Show anderer Acts zeigte. Hier offenbarte sich bereits, was sich durch den Großteil des Abends ziehen sollte: Stagediven und Weihnachtsmannverkleidungen scheinen bei den Kölnern ganz hoch im Trend zu stehen. Nunja, ist ja auch die düsterste, aber auch gemütlichste Zeit des Jahres – da tut ein bisschen kollektives Kuscheln auch gut.
Stick To Your Guns gehörte für die darauf folgenden 55 Minuten dann ohne Frage die gesamte Essigfabrik. Nun aber auch schon zum großen Knackpunkt der Show: Wenn die Band weiter wachsen möchte, kann sie kürzere Sets nicht weiterhin mit einer größeren Anzahl an Support-Acts kompensieren. Ja, Hardcore-Shows bestechen auch durch ihre knackige Setlänge, wenn eine Band jedoch in größere Locations geht und dementsprechend auch höhere Ticketpreise verlangt, muss ein Weg gefunden werden auch mal 75 oder gar 90 Minuten abzuliefern – der Großteil der Fans ist eben wegen der Band, die am größten auf dem Plakat steht, da und nicht wegen einer der Vorbands. Vielleicht wären die Amerikaner dann ja auch mal gezwungen sich ein wenig abseits des neuen Materials und der größten Hits zu bewegen.
Dass Stick To Your Guns trotz alldem absolut das Potential besitzen, in Zukunft auch mal mehrere tausend Fans gleichzeitig und eben nicht „nur“ mehrere hundert zu begeistern, bewies vor allem Sänger Jesse Barnett, der auf dem soliden, von seinen Kollegen geschaffenen, musikalischen Grundkonstrukt aufbauen konnte. Der Frontmann, dessen Glatze nun wild wuchernden braunen Locken gewichen ist, griff immer wieder in die Entertainer-Trickkiste, fing gen Bühne fliegende Kleidungsstücke elegant auf und zierte sich spontan mit Kappe, Weihnachtsmann-Cape und Co. , dirigierte die „Wooo-Hooo“-Chöre, die die Songs seiner Band antreiben und verbannte wild gewordene Weißbärte mit roten Mänteln in das „Stagedive-Gefängnis“. Diese kurze Auszeit hatten sich die fünf Musiker auf der Bühne auch redlich verdient – während jedes Songs erklommen weit mehr als zwanzig Fans die Bühne, um sich dann wieder mit einem energetischen Sprung in die Menge fallen zu lassen. So viele Stagediver sieht die Essigfabrik vermutlich nur sehr selten. Dementsprechend chaotisch ging es auch vor der Bühne zu.
Ohne Zugabe war das geordnete Durcheinander dann so plötzlich, wie es nach der von Queens „We Will Rock You“ und Green Days „Basket Case“ angeführten Umbaupause begonnen hatte, zu Ende. Dass die „music for the trash nobody wants“ in Zukunft immer mehr verbrauchte Menschenhüllen (höhö) anziehen wird, lässt sich kaum abstreiten – dafür sind Stick To Your Guns einfach zu gut. Wenn die Kalifornier jedoch längerfristig an den großen Erfolg anknüpfen wollen, so müssen sie in Zukunft etwas mehr Energie in längere Spielzeiten investieren. Bis dahin geben wir uns aber vorerst mit der knappen Stunde zufrieden.
„True View” erschien am 13.10.2017 über End Hits Records und kann hier gekauft werden.*
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Und so hört sich das an:
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Stick To Your Guns live 2018 / 2019:
16.12.2018 – Knockdown Festival, Karlsruhe
12.04.2019 – Impericon Festival Zürich (CH)
13.04.2019 – Impericon Festival Oberhausen
19.04.2019 – Impericon Festival Wien (AU)
20.04.2019 – Impericon Festival Leipzig
21.04.2019 – Easter Cross Festival Oberndorf
27.04.2019 – Impericon Festival München
Foto von Jonas Horn.
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