Suicideboys, E-Werk Köln, 02.07.2019

Suicideboys, E-Werk Koeln, 02.07.2019

In seinem „Das Lied vom Tod“ besingt der Schweizer Tausendsassa Bonaparte die engstirnige Konzeption von Musikgenres und kommt im gleichen Zug zum Schluss: wenn sich Hip-Hop und Punk nur noch selber reproduzieren, kann man sie gleich für tot erklären. Dafür dass Rap-Musik sowohl „punk“ sein, als auch dem Zeitgeist entsprechen kann, stehen die Suicideboys aus New Orleans ein. Das Duo vermischt zunehmend den rauen Spirit des einst so simplen Gitarren-Genres mit der spontanen Ader des Raps. Kein Wunder, dass die Shows der Amerikaner vor immer größer werdenden Menschenmassen stattfinden.

Stetiger Aufstieg

Ging es 2017 noch in das schicke Gloria Theater (Kapazität etwa: 900 Menschen), stand für die Suicideboys im Folgejahr bereits die lange ausverkaufte Live Music Hall an. Nach einer in wenigen Stunden ausverkauften Club-Show im Club Bahnhof Ehrenfeld trägt es das Rap-Duo nun in das deutlich geräumigere E-Werk (Kapazität: etwa 2000 Menschen) im aufblühenden Köln-Mülheim. Dessen Empore hat man heute zwar für Besucher gesperrt, vor der Bühne tummeln sich dann aber trotzdem deutlich mehr Menschen, als im letzten Jahr noch in der Live Music Hall Platz fanden.

Gegen halb neun geht das Hallenlicht aus und der Tour-DJ betritt die Bühne. Eine halbe Stunde lang gibt es nun alles, was im Amirap-Kosmos die vergangenen Jahre angesagt war. Neben Lil Peep und dem fragwürdigen XXXTentacion finden hier auch Sheck Wes’ „Mo Bamba“ und andere viral gegangene Hip-Hop-Hits Platz. Die Crowd ist bereits voll am Start, öffnet Moshpits und kämpft lautstärkemäßig gegen die Anlage an. Immer wieder schallen auch „G59“-Chöre – so heißt das Label der Band – durch die ehemalige Industriehalle.

Der Spirit des Punk

Ohne großartiges Intro betreten Scrim und Ruby da Cherry später die Bühne. Für eine Stunde haben die zwei alle im Raum Anwesenden voll in ihrer Hand. Die Menge ist textsicher, pogt zu nahezu jedem Stück und lässt sich auch jetzt immer wieder zu „G59“-Ausrufen animieren. Die Bühne ist die ganze Zeit über in ein kühles, dunkles Blau gehüllt, das zwischenzeitlich von grellen Lichtstrahlen durchzogen wird. Dem rauen Auftritt gibt das die passende Untermalung.

Die beiden spielen nach Lust und Laune. Kommt ein Song nicht gut an, wird er mittendrin abgebrochen. Auch ansonsten rappen Scrim und Ruby mit kratzigen Stimmen über die knalligen Beats, die stets auch mit einem ordentlichen Vocal-Backing-Track versehen sind. Ob gerade einer der beiden Suicideboys über das Instrumental rappt oder nur die Stimme von Platte hörbar ist, geht den meisten Fans gehörig am Arsch vorbei. Hier zählt nur, dass performt wird und die Stimmung da ist. Beides ist der Fall.

Für ihre „Anti“-Haltung haben Duo und Fans sich beim Punk bedient. Bock auf Kategorisierung und Schubladen hat hier niemand. Deshalb stehen heute Menschen mit Black-Metal-Shirts neben solchen mit Cap und Jogging-Hose. Auch die Band lebt diese Freiheit. Vor einem Song sollen die Zuhörer auf Kommando ein wütendes „Fuck You“ gen Bühne brüllen. Einen anderen Song spielt man komplett mit Hallenlicht, weil die beiden ihre Fans sehen wollen. Später verteilen die zwei ganz uneigennützig Wasser, das sogar im hinteren Hallendrittel ankommt. Auch in ihrer Performance leben die Suicideboys die ungezügelte Energie des Punk – sei das ein Ruby, der sich sein Mikrofon gegen den Kopf schlägt oder ein Scrim, der während eines eskalativen Moments in die Menge springt.

Passenderweise hat die Band im vergangenen Monat eine EP veröffentlicht, auf der man neben Trap- vor allem Einflüsse härterer Gitarren-Genres zulässt. Leider spielt man davon nur zwei Stücke. Der Großteil der Songs stammt vom letztjährigen Album-Debüt „I Want To Die In New Orleans“, das deutlich mehr Platz für eingängige Hooks ließ. Nach 55 Minuten ist dann mit dem Schauspiel Schluss. Die Band kehrt darauf nochmal für eine Zugabe zurück, um seine Fans dann mit Queen’s „Bohemian Rhapsody“ in die angenehm frische Sommernacht zu entlassen. Vielleicht ist Punk doch nicht tot – vielleicht lebt er nur an anderer Stelle weiter. Man muss ihn nur suchen, um ihn zu finden.

Tickets für die Tour gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

Facebook / Twitter / Soundcloud / Bandcamp

Suicideboys live 2019:

11.07. – Ferropolis, splash!-Festival
16.07. – Leipzig, Parkbühne

Foto von Jonas Horn.

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