The Kelly Family, SparkassenPark Mönchengladbach, 15.06.2019

Kelly Family Mönchengladbach

Aller guten Dinge sind… vier!? Zum bereits vierten Mal geht die Kelly Family mit ihrem fulminanten Comeback auf Tour. Seit Mai 2017 gibt es quasi kein Halten mehr. Fast 20 Jahre haben unzählige Fans nur darauf gewartet, endlich die hierzulande größte 90er-Kultband wiederzusehen. Zwar haben drei Mitglieder nicht den Weg zurück in die Band gefunden – zwei davon sind trotzdem mit ihren Soloprojekten überaus erfolgreich – letztendlich genügen aber die klassischen Hits im neuen Gewand und eben Zweidrittel der Gruppe, um gleich 50 Gigs auf insgesamt drei Touren auszuverkaufen. Das dazugehörige Album We Got Love war eine Kombination aus modern aufgenommenen Best Of-Songs und fünf neuen Tracks. Soundtechnisch blieb zum Glück vieles beim Alten und konnte somit das Zielpublikum mehr als nur zufrieden stimmen und zu den Shows locken.

Nun soll es aber genug sein mit We Got Love. Die Bonuskonzerte mit dem Namen We Give Love zeigen, dass es sich vonseiten der Kellys um ein Dankeschön handelt: acht Open-Air-Shows, bevor dann im kommenden Winter ein ganz neues Programm ansteht. Doch dazu später mehr.

Der Stopp Nr. Sechs findet im SparkassenPark in Mönchengladbach statt und lockt über zehntausend Zuschauer an. Die Bandmember sind 20 Jahre älter geworden und das Publikum größtenteils auch. Bestand in den 90ern doch die Crowd meist aus weiblichen Teenies, sind nun viele Mütter mit ihren Kindern vor Ort – häufig auch mit Ehemännern. Das Kelly Family-Publikum ist stets bunt gemischt – von den Kleinen im Kindergartenalter bis hin zu Rentnern. Das sieht man selten und ist umso schöner!

Aber trotzdem ist für ein Kelly-Konzert heute vieles ein wenig anders. 19:30 soll das Konzert beginnen, stattdessen startet es um 19:50 – das passiert bei Gigs der Gruppe nahezu nie. Es handelt sich auch nicht um eine typische Verspätung oder um einen technischen Ausfall, sondern um eine geplante Verzögerung. Völlig überraschend gibt es nämlich einen Support, der die leichte Zeitänderung verursacht. Jan & Jascha spielen deutschsprachigen und sehr poppigen Singer/Songwriter auf zwei Gitarren. Die beiden kommen sympathisch rüber, unterhalten nett, plätschern aber mit ihrem sehr seichten Sound ein wenig am Zuhörer vorbei. Löblich, dass das Duo während des Einlasses spielt und um 19:30 die Bühne verlässt. Davon können sich viele Konzerte eine Scheibe abschneiden.

Nach kurzem Umbau startet also das Hauptprogramm, das – nächste Überraschung – ohne Pause durchgezogen wird. Regulär spielen die Kellys gerne in zwei Blöcken. Wahrscheinlich musste für die Vorband die Pause weichen. So gibt es stattdessen satte 140 Minuten und 29 Songs lang die volle Bandbreite. Wobei…

Was geht denn mit Mönchengladbach? Entweder hat sich die Tour doch mittlerweile ein wenig abgenutzt oder Mönchengladbach hat einen extrem schlechten Tag. Jimmy weist mehrmals drauf hin, Patricia probiert mit umgewandelten Texten die Stadt miteinzubeziehen. Sämtliche Bandmitglieder wollen mit unterschiedlichen Anheizern das Publikum in Stimmung bringen und schaffen es tatsächlich nur bedingt. Was ist hier los? Waren die meisten schon auf einem Comebackkonzert und es fehlt ihnen nun an Überraschungen? Ist es vielleicht der SparkassenPark, in dem die Tribüne äußerst weit von der Bühne entfernt ist und zu wenig Stimmung bis hinten ankommt? Der Innenraum ist auch nur zu Zweidrittel voll. Stört die Sonne, die erst bei den letzten Songs untergeht? Wahrscheinlich spielen alle Faktoren zusammen, sodass es sich atmosphärisch leider um ein schwächeres Kelly Family-Konzert handelt.

Trotzdem läuft aufseiten der Band nahezu alles perfekt. Die Sechs sind gut drauf, jeder singt so, wie er es soll, die Gastmusiker zocken on time und der Sound ist bis auf seltene zu späte Mikrofoneinsätze gut gepegelt. Man ist mittlerweile wieder voll im Groove und alle wissen, was zu tun ist. Die Setlist hat sich erfreulicherweise auch verändert, jedoch leider etwas zum Schlechten. Statt 32 Songs wie 2017/18, sind es nun nur noch 29. Außerdem mussten einige großartige Titel weichen. Nicht mehr dabei: „Please Don’t Go“, „Red Shoes“, „Because It’s Love“, „Key To My Heart“, „Come Back To Me“, „I Can’t Stop The Love“, „When I Was In Town“, „Cover The Road“. Bei einigen Titeln schmerzt das Fanherz ganz schön. Stattdessen gibt es aber ein Wiedersehen mit „Too Many Ways“, was eine hervorragende Wahl ist und emotional total trifft. „Staying Alive“ und „Stay Beside Me“ hingegen sorgen dafür, dass Joey ein wenig zu viele Soli hat. Warum Kathy lieber „Sick Man“ und „Only Our Rivers Run Free“ singt statt den zwei oben genannten, bleibt auch ein Geheimnis. Obendrein hätten die traditionellen Cover „Let My People Go“ und „Amazing Grace“ gerne fehlen und sich stattdessen für zwei beliebte eigene Songs entschieden werden dürfen.

Bei den Effekten bleibt die Show wie gewohnt. Ein paar tolle Feuerfontänen und Pyros bei „Why Why Why“, dem Drum Solo von Angelo und dem großen Finale. „We Got Love“ hat neben einem ausschweifenden Monolog von Jimmy die beliebte Kiss-Cam im Angebot, „Nanana“ und „Wearing Of The Green“ werden mit Konfettibomben unterstützt, die irischen Breaks verführen die Mitglieder zum Volkstanz, im Hintergrund laufen nostalgische Videos. Bei den Favoriten „An Angel“, „Fell In Love With An Alien“, „Good Neighbor“ und „Take My Hand“ sind auch die Mönchengladbacher Fans am Start und singen bzw. feiern lauthals mit. Für eine Bonustour gibt es also zwar einige Neuerungen in der Setlist, optisch bleibt jedoch alles wie gehabt.

Die Atmosphäre in der Sparvariante ist letztendlich schuld daran, dass das Konzert unter seinen Möglichkeiten bleibt. Da sind sich mit Sicherheit auch die Bandmitglieder einig. Der Funke ist trotz sommerlichem Wetter nicht übergesprungen. Vielleicht doch besser wieder in einer geschlossenen Halle? Es kann dennoch weiterhin jedem Pop-Folk-Fan ans Herz gelegt werden, sich ein Konzert der Band anzuschauen. Bald steht das 25-jährige Jubiläum des Überalbums „Over The Hump“ an, was mit insgesamt 41 (!) Auftritten zwischen November und Februar gefeiert wird. Erstmalig soll das ganze Album live gespielt werden, was nach einer spannenden Sache klingt. Immerhin gibt es Maite-, Barby– und Paddy-Soli auf dem Album, die neubesetzt werden müssen und seit dem Comeback noch nicht gespielt wurden. Freuen wir uns also darauf, auf die weiteren Projekte danach und haken den Mönchengladbach-Gig unter „Ganz nett“ ab.

Und so hört sich das an:

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Bild von Christopher.

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