Es war ein denkwürdiger Auftritt. Am späten Abend des 30. November 2011 – ein knappes halbes Jahr nach der Veröffentlichung von „This Modern Glitch“ – lehnt sich The Wombats Sänger und Gitarrist Matthew Murphy auf der Bühne des Kölner Palladiums über seine Gitarre, drischt auf das Instrument ein und kreischt unter seinem Lockenhelm ein euphorisches „Wooo“ in das Mikro, vor ihm bildet sich ein die volle Breite der Halle einnehmender Circlepit. Es ist der Abschluss einer Show, die die Band auf dem Hoch ihres Schaffens zeigt, für die Nachwelt eingefangen von einem unscheinbaren, verpixelten Clip. Damals ist die AfD noch nicht gegründet, nichtmal die Idee von Fridays For Future existent, Obama noch President der Vereinigten Staaten. Damals haben The Wombats lediglich zwei Alben.
Doch damals ist nicht mehr, nun ist heute. Und heute ist 2022: Keine Merkel mehr, dafür Ampel, Scheißkrieg in der Ukraine, immer noch zu viel Scheißkrieg, Klimakrise ebenfalls noch nicht gelöst. Und auch bei The Wombats hat sich vieles getan: Murphys Locken sind kurz-geschnitten, ein paar Falten hinzugekommen, die Band näher an ihren 40ern als an ihren 20ern. Und: Mittlerweile sind die Ex-Liverpooler bei ihrem fünften Album angelangt. Das heißt „Fix Yourself, Not The World“ und ist das Beste seit dem 2011er Zweitling. Viermal hat die Band außerdem seit 2011 in Köln gespielt. Das letzte Mal im Februar 2019 in der Live Music Hall. Gut war das immer, an ebenjenen Abend im vermutlich verregnet-kalten November 2011 konnte aber kein Auftritt heranreichen. Heute aber steht die Band im Köln-Mülheimer Carlswerk Victoria auf der Bühne. Auch das gab es in der Welt des Damals noch nicht.
Vielleicht ist es die erzwungene Pandemie-Pause. Vielleicht die in den letzten Jahren dank moderner Social-Media-Plattformen – „Greek Tragedy“ ging auf TikTok viral – hinzugewonnen Fans aus der Generation Z. Aber heute ist etwas anders. Die Energie stimmt. Und wenn die Energie stimmt, dann treibt das auch immer The Wombats an. So wie eben das Mühlrad schneller schlägt, wenn das Wasser eifriger fließt. Euphorisch ist das bei dem schottischen Einheizer-Quartett Vistas noch nicht, begeistert aber schonmal. Melodischen Indie-Rock spielt die junge Band. Bei den Wombats-Fans kommt das an, auch wenn die Songs oftmals wirkliche Alleinstellungsmerkmale missen lassen.
Im Anschluss wird Indie-Hit nach Indie-Hit vom Band geworfen, bis dann endlich die drei Wombats an ihre Mikrofone treten. Das zuckelige „Flip Me Upside Down“ vom aktuellen Album eröffnet die Show und den Pogo, der spätestens beim drittgestellten „Moving To New York“ überkocht. Es folgt ein 95-minütiges Best-of aus alt und neu, mal zum Tanzen, mal zum Hände in die Luft werfen, dazwischen immer mal wieder Material vom aktuellen Album. Das besteht auch in der Live-Umgebung, denn auch die neun aktuellen Songs möchten die Stimmung nicht mindern. Der Band bereitet das sichtlich Freude. Wenn Bassist Tord Øverland Knudsen nicht gerade an seinen Synthesizer oder Mikro gebunden ist oder auf Crew-Mitglieder in Wombats-Kostümen Acht geben muss, dann titscht er wie ein Tischtennisball über die Bühne, seinen Bass dicht am Körper sitzend. Und auch Murphy und Schlagzeuger Dan Haggis können ihre gute Laune nicht verstecken. Vor „Pink Lemonade“ witzeln die beiden darüber, wie oft Murphy im Konzertverlauf das Wort „Lemon“ singen würde. Immerhin: Es sind zwei Songs, die die saure Frucht prominent in den Vordergrund rücken, deren Name – Genius gibt Aufschluss – schlussendlich zwanzig Mal fällt.
So wie Wasser und Mühlrad in perfekter Symbiose existieren, tun das auch Publikum und Band. Es entsteht (zumeist) eine Lücke in der Menge, wenn es passt. Und wenn es nicht passt, dann wird für sich allein getanzt, die vielen Accapella-Parts mitgesungen. „Lethal Combination“ außerdem spielt Murphy alleine, nur Akustikgitarre und Gesang. Es braucht keine Aufforderung und schon wird die ganze Halle von Handylichtern erhellt. Die Band gibt, die Menge reagiert. Nach 2011 also 2022: Ein zweiter denkwürdiger Abend.
Mehr The Wombats – unter anderem ein Interview zu der aktuellen Platte – gibt es hier.
Und so hört sich das an:
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The Wombats live 2022:
02.05. – Hamburg, Uebel & Gefährlich
07.05. – Berlin, Huxley’s Neue Welt
10.05. – München, Backstage Werk
Fotorechte: Jonas Horn.
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