Retro ist in! Feiern gerade im TV mehrere Shows der 80er und 90er ihr großes Comeback, ist auch in der Musik schon lange nicht mehr so viel Old-School-Sound aus den selbigen Jahrzehnten zu hören gewesen wie jetzt. Die einen entdecken es neu, die anderen wieder. Passend dazu kehrt auch ein Bühnenstück in die Städte ein, dass eigentlich schon vor zehn Jahren zur Weltpremiere nostalgisch war: Kein Pardon – Das Musical ist zurück.
Vor wenigen Tagen gab es das erste Szenenbild aus der geplanten Serie “Club Las Piranjas” zu sehen. Darin soll die Originalbesetzung mit Hape Kerkeling und Angelika Milster vor die Kamera zurückkehren – ganze 27 Jahre nach dem Film mit Kultfaktor. Zwar gilt jener Streifen aus dem Jahr 1995 mit seiner völlig skurrilen Geschichte, die das spießige Hotelclub-Leben aufs Korn nimmt, als Kerkelings Drehbuchmeilenstein, jedoch gelang ihm auch schon zwei Jahre zuvor mit Kein Pardon eine nicht weniger beachtenswerte Fernsehsatire, bei der er sogar zusätzlich Regie führte. Von der Aktualität ist in den drei Jahrzehnten nur wenig verloren gegangen, denn tatsächlich wurde sich schon damals über merkwürdige Shows im deutschen Fernsehen lustig gemacht. Das lockte eine halbe Million Menschen in die Kinos.
2011 lief in Düsseldorf das erste Mal die Musicaladaption des beliebten Filmes und sogar hier war Hape Kerkeling der Schutzherr. Auch ohne direkte Beteiligung holte sich Autor und Liedtexter Thomas Hermanns – ja, der vom “Quatsch Comedy Club” – stets das OK von einem der beliebtesten deutschen Komiker aller Zeiten. Elf Jahre danach, passend zur Retrowelle und zum Fernsehcomeback von Hape, nimmt sich Frank Serrs Showproduktionsfirma Kein Pardon – Das Musical zur Brust und hält auf seiner Tour auch in kleinen Städten und Theatern. Richtung Ende geht’s aber in eine besonders schöne Location in NRW, nämlich in das schicke Theater am Marientor in Duisburg, das erst vor Kurzem nach ewiger Zeit, die von Corona, Umbauten und anderen Schikanen gezeichnet war, wieder eröffnen durfte.
Ist einem bewusst, dass es sich hierbei um eine Tourproduktion handelt, die lediglich einen Abend pro Stadt verweilt, sollten die Erwartungen automatisch etwas heruntergeschraubt sein. Dem überhaupt möglichen Aufwand entsprechend ist auch das Bühnenbild etwas karg, wie sich beim Betreten und auch beim Zuschauen herausstellt. Das Theater hat den Rang geschlossen, im Parkett sind wohl etwas mehr als die Hälfte der Plätze belegt. Macht eben auch einen Unterschied, ob eine Show für einige Zeit an einem Ort bleibt und alle dorthin reisen oder sowieso sehr viele Alternativtermine zur Auswahl stehen.
Aber das soll dem Ganzen keinen Abbruch tun. Zwar ist die eigentliche Kulisse spärlich, dafür aber sowohl die Requisite als auch das Kostüm abwechslungsreich. Mit 14 Darsteller*innen in der Cast sind ebenso mehr Personen auf der Bühne zu sehen, als zunächst gedacht. Dafür muss man sich jedoch mit Musik vom Band arrangieren. Für Tickets, die in der besten Kategorie nicht die 60€-Marke knacken, ist das noch ok.
Schnell wird deutlich – und das ist selbstredend nicht überraschend -, dass sich im Publikum überwiegend Fans des Filmes versammeln, die teilweise die Songs mitsingen, bei Insidern Zwischenapplaus geben und einfach herzlich laut lachen. Kein Pardon ist auch zweifelsohne ein witziges Stück mit viel Slapstick und altmodischem, liebenswertem Humor – nur eben auch entschieden in die Jahre gekommen. Gerade bei der Anzahl an sehr vielen extrem guten Musicals ist die Konkurrenz hier dreimal dranvorbeigezogen. Natürlich dürfen Stücke ein wenig von vorgestern sein und das Liebhaber*innen-Herz von damals bedienen – allerdings erntet man damit wohl nur im geringen Maße neue Anhänger*innen.
Die Geschichte rund um den etwas verlorenen Peter Schlönzke, der nicht richtig weiß, wo er hingehört, aber das Fernsehen so liebt, ist empathisch erzählt, kurzweilig unterhaltsam, hin und wieder Klischee, aber immer noch süß. Die Figur, um die sich nahezu jede Szene dreht, wird auch mit leicht schüchternem und dennoch sympathischem Charme von Tim Reichwein gut dargestellt. Ihm gehört hier die größte Anerkennung, sticht er mit seinem gesanglichen und schauspielerischen Talent hervor. Bas Timmers als Heinz Wäscher und ebenso als Uschi Blum – übrigens die Szene, in der das Publikum am frenetischsten applaudiert – kann als geborener Niederländer den niederländischen Akzent in seinen Parts perfekt nachmachen. Die restliche Cast spielt solide – weder groß positiv noch negativ auffallend. Lediglich Katrin Claßen als Mutter Schlönzke singt leider oftmals unsauber und vergreift sich im Ton. Zum Glück aber nicht so stark, dass es auch ungeübten Ohren auffallen würde.
Zum Glück hat das Stück aber trotz seiner etwas rostigen Atmosphäre genügend verrückte Momente und besonders durchgeknallte Charaktere. Zwar spielt Andrea Schyboll als Die kleine Battina keine tragende Rolle, dafür aber eine so herrlich bekloppte, dass man hier nicht anders kann als beim Zuschauen die Bauchmuskeln zu trainieren. Großartig. Musikalisch bewegt sich Kein Pardon – Das Musical zwischen den Filmklassikern wie den Showstoppern “Das ganze Leben ist ein Quiz” oder “Witzigkeit kennt keine Grenzen” und extra fürs Stück komponierten Liedern, die ebenso akzeptables, aber kein herausragendes Material darstellen. Ok ist es aber allemal. Wirklich gut: Viele kultige Dialoge – unter anderem zum Thema “Käffchen” – wurden 1:1 übernommen und treffen den Film-Fan da, wo sie sollen. Super.
Kein Pardon – Das Musical ist in seiner gegenwärtigen Tourproduktion kein großer Wurf, aber ganz nettes Entertainment, das besonders für Hape-Freund*innen und Kein–Pardon-Im-Schlaf-Zitierer*innen schon zu empfehlen ist. Musical-Besucher*innen von großen Produktionen sollten nicht zu viel erwarten, sich auf die Zeitreise einlassen und können es dann von der To Do streichen.
Und so sieht das aus:
Foto von Christopher.
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