Als “Raop” im Juli 2012 erschien war ich gerade einmal fünfzehn Jahre jung. Nicht einmal in der Oberstufe angelangt, lief das Debüt von Cro – selbstverständlich besaß ich die “limitierte” Fanbox – im Schulbus rauf und runter. Ich besuchte sogar ein Konzert, das mich zugegebenermaßen nur wenig abholte. Im Laufe der Zeit wurde mir meine ehemaliges Fantum dann erst unangenehm, später egal. Die musikalische Fortentwicklung des gerade einmal sieben Jahre älteren Rappers aber beobachtete ich zumindest meistens gespannt – auch wenn ich so manche Phase mitreißender (“Tru”, das psychedelische von “Trip”), andere eher öde (die Pop-Seite von “Trip”, der Rest) fand. Was aber würde ein Cro-Konzert über zehn Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dem Panda-Rapper in mir auslösen?
Eine Antwort auf diese Frage suche ich an einem späten Augusttag auf dem schon lange ausverkauften Gelände des Kölner Tanzbrunnens. Über 10.000 Fans haben sich dort eingefunden, der Anlass ist das Album “11:11”, nach dem auch die Tour benannt ist. Man trifft auf Jugendliche, auf Menschen in ihren Zwanzigern, auf Eltern und auf einige Kinder. Knapp 70% wohl weiblich gelesen. Die Fans von Cro sind also ein wenig mitgealtert, generell jedoch jung geblieben. Neue Generationen rücken kontinuierlich nach, so scheint es. Verantwortlich dafür zeichnet sich Tiktok. Doch dazu später mehr.
Pünktlich zum Beginn um 19 Uhr hört der Regen auf, der seit Mittags aus dem Wolkengrau heraus die Domstadt bewässert. Schmyt, eigentlich längst viel zu groß für einen solchen Support-Slot, betritt mit seiner Band die Bühne. Während die Leinwand eine Cro-Dauerwerbesendung abspielt, windet und gendert sich Schmyt nun 40 Minuten sympathisch durch kleinere technische Defekte, feinfühlige Eigenkompositionen und The Weeknd- sowie Lil Nas X-Remixe. So richtig mitgehen wollen die Cro-Fans währenddessen nie. Wichtiger scheint die Handyaufnahme für Zuhause – oder eben das Internet.
Nach einem komplett egalen Warmup zweier Rapper aus dem Cro-Umfeld, steht um 20:15 Uhr dann endlich der Hauptgang auf dem Tisch. Beziehungsweise er wird eingeflogen. Auf der Leinwand erscheint ein Cro-ähnliches Alien-Ding, das nach etwas hin und her auf die Erde geschossen wird. Nach einem Countdown landet das Cro-Alien dann in einer bunten Grillparty. Kunstrasen auf dem Boden, ein überdimensionaler Grill als DJ-Pult, aufblasbare Riesengänseblümchen. Das Setting stimmt. Leider bleibt es schöne Kulisse und wird ansonsten wenig in die Show eingebaut.
Als Cro nach seiner Band endlich auf die Bühne spaziert, strapazieren sich die Stimmbänder vieler Anwesender auf 200%. Sicher leitet er nun für 100 Minuten durch das Set, das ungewöhnlich unausgeglichen daherkommt. Gerade einmal drei Songs aus dem Album, das der Tour ihren Namen verleiht, gibt es. Dafür relativ viel Altes, das wiederum oft nur flott angespielt wird. “Hi Kids” gleich zu Anfang etwa ist nicht mehr als einmal die Hook. Andere Songs werden aus gutem Grund unterbrochen – medizinischer Notfall – dann jedoch nicht weitergeführt. Man müsse um 22:00 Uhr durch sein und habe nicht genug Zeit, heißt es erkärend. Auch das wunderbare “Alles anders (weniger im Arsch)” mit Support Schmyt bleibt ungespielt. All das obwohl schlussendlich doch schon sieben Minuten vor angesetztem Ende Schluss ist.
Cro selbst sieht während Song für Song durchläuft natürlich unverschämt lässig aus. Selbst wenn er seinen Hoodie nur halb auszieht. Oder sich auf der B-Bühne sitzend fortwährend im Kreis dreht. Er liebt natürlich jeden vor Ort (indirektes Zitat). Und er verliebt sich in Fan Cosima (ebenfalls indirektes Zitat), die einen Handstand macht und deshalb kurz auf die Bühne darf. Generell: Er hantiert mit unnötig viel Geschlechterkrimskrams (bedeutet meistens: Jetzt mal nur alle “Mädchen”). So richtig übel möchte man es ihm nicht nehmen. Dafür sind Auftreten und Setting zu unschuldig.
Drückt hier und da bislang ein wenig der Schuh, so stört doch eines am meisten: Die zunächst nicht vorhandene Stimmung. Nahezu unbeweglich steht das Gros der Menge da. Mal nur so, meistens mit Handy in der Luft. Cro-Content geht zuletzt nämlich gut auf Tiktok. Obendrauf sind die meisten nicht wirklich textsicher. Erst im letzten Viertel bessert sich das. Zu “Meine Gang (Bang Bang)” mit Danju, “Unendlichkeit” und “Easy”. Bis dahin verpufft viel der von der Bühne in Richtung Pavillon-Pilze geschickten Energie einfach. Tragisch ist das auch, weil nicht nur die Live-Band fantastisch klingt, sondern auch Backgroundsängerinnen und Tänzer*innen abliefern. Eigentlich passt also vieles, so etwas wie Euphorie oder Ekstase kommt jedoch nur partiell auf. Viel fühle ich ansonsten nicht. Schade eigentlich.
Mehr zu Cro gibt es hier.
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Foto von Jonas Horn.
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