Französischsprachige Musik in Deutschland – und dann noch im Tanzbrunnen. So eine große Location? Wer tritt da denn aus Frankreich bitte auf? Das muss ja schon jemand einschlagendes sein… und tatsächlich hat Zaz mit ihrem Chanson-Pop eine kleine Revolution eingeleitet. Das etwas vermoderte Genre wurde kräftig entstaubt und mit eingängigen Ohrwürmern versehen, die man mitzusingen vermag, auch wenn das Schulfranzösisch schon längst eingerostet ist.
95 Minuten lang zaubert Isabelle Geffroy, wie sie gebürtig heißt, ein wenig Flair aus unserem Nachbarland nach Köln. Das Publikum, das sich am Montag, dem 29.07., einfindet, könnte bunter kaum sein. Das Durchschnittsalter befindet sich geschätzt bei Ende 30, viele Pärchen kann man dank schönem Wetter rumturteln sehen, gerne in etwas intellektuellere Gespräche vertieft mit alternativem Klamottenstil.
Damit um 22h die Schotten dicht gemacht werden können, um Anwohner nicht zu stören, muss die Vorband Ina Regen bereits während der Einlasszeit spielen. Hups, damit haben wir nicht gerechnet – und sie leider verpasst. Schade. Stattdessen ist zum Start um 20h alles bereits in Position. Bei derartig relaxten Zuschauern ist um einen herum schön viel Platz, sodass sich auch, ohne jemanden anzurempeln, bewegt werden kann. Zur besten Sendezeit darf dann um 20:15 auch der Hauptact auf die Bühne.
Neben der 39-jährigen Persönlichkeit aus Tours besteht das Musikerbild aus fünf Instrumentalisten, die neben den gängigen Gitarren, einem Schlagzeug, Bass und Keyboard auch ein Banjo oder Kontrabass anzubieten haben. Zaz probiert sich zwischenzeitlich am Theremin. Sie trägt ein schwarzes Cocktailkleid mit bunten Verzierungen, in dem sie ständig über die Bühne flitzt. Showelemente bleiben bis auf schlichte Lichter aus.
Stattdessen wird sich über anderthalb Stunden peu à peu (um der Sprache mal treu zu bleiben) gesteigert. Die Meute vor der Bühne braucht gute 20 Minuten, um richtig in Fahrt zu kommen. Gerade am Anfang wird ungewöhnlich viel geredet, frei nach dem Motto „Wir sind hier, um mit Freunden zu schnacken und da vorne spielt jemand“. Dann scheint aber das Feeling doch übergeschwappt zu sein und breitet sich mehr und mehr bis auf die letzten Reihen aus. Es wird geklatscht und mit breitem Grinsen getanzt. Die Kombination aus schönem Wetter, Open Air-Bühne und Musik ergibt eine geschickte Symbiose.
Zaz fordert mehrmals auf, mitzusingen. Das fällt nicht jedem leicht. Um vor Scham nicht im Boden zu versinken, sagt sie, dass es durchaus ok ist, einfach die Töne auf „Lalala“ zu trällern. Wie gesagt, Schulfranzösisch ist definitiv zu lange her – dennoch wirken einige der Zuschauer durchaus textsicher. Theoretisch zumindest. Kein Wunder, irgendwer muss die Platten ja daheim haben. Das Debüt hat sich unglaubliche 1,6 Millionen Mal verkauft und hielt sich in Deutschland über zwei Jahre in den Albumcharts. Mittlerweile sind drei weitere Alben zu haben, sodass sich das Repertoire doch geweitet hat – aber wie sollte es anders sein: bei sämtlichen Songs des ersten Longplayers gehen die Handys zum Filmen nach oben und der Text wird mitgegrölt, so gut es eben geht.
Musikalisch bewegt sich Zaz zwischen lockerem Gute-Laune-Pop, groovigem Bossanova, intimen Akustikballaden und zwischenzeitlich sogar rockigen Nummern, in denen auch mal für einige Minuten E-Gitarren-Soli gezockt werden dürfen. Der Sound ist gut abgemischt, die Instrumentalisten spielen ordentlich – es könnte nur ein wenig lauter sein. Gesanglich ist das angemessen, klingt recht ähnlich wie in den Studio Versionen, auch wenn sie hier und da mal von der eigentlichen Melodielinie etwas abweicht und vielleicht etwas zu frei interpretiert.
Highlights des Konzerts sind neben dem Dauerbrenner „Je Veux“ und dem fast genauso beliebten „On Ira“ ganz besonders das neu arrangierte „Éblouie par la nuit“ und das catchige „Les passants“. Bei „Le long de la route“ wird es beflügelnd und dank „Demain c’est toi“ gibt es auch aus dem neusten Werk, „Effet miroir“, tief berührende Momente.
Ganz typisch für Franzosen wird die englische Sprache komplett ausgemerzt. Die meisten ihrer Ansagen sind auf Französisch, einige sogar auf Deutsch. Sie wünscht sich, dass das Publikum wieder an seine Träume erinnert wird. Um andere Träume zu verwirklichen, setzt sie sich gezielt für die Stiftung „Viva con Agua“ ein, deren Mitarbeiter sogar selbst für ein paar Worte auf die Bühne dürfen. Um 21:50 verlässt die Band nach einer Zugabe die Bühne. Das Publikum applaudiert unglaubliche fünf Minuten mit lauten Rufen weiter. Ein wirklich frenetischer Applaus, der selten solche Längen annimmt. Also muss sie doch noch mal wiederkommen. Tut sie tatsächlich auch und singt für eine gute Minute den Evergreen „La vie en rose“ a-cappella. Bravo!
Ein Konzert von Zaz bleibt nicht im Kopf, weil es optisch Maßstäbe setzt. Für Showfans passiert wenig bis nichts. Dafür gibt es einfach tolle handgemachte Musik mit einer sympathischen Persönlichkeit und dem passend leichtfüßigen Flair für laue Sommerabende.
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Bild von Christopher.
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