Zeal & Ardor, Essigfabrik Köln, 28.11.2018

Zeal & Ardor, Essigfabrik Koeln, 28.11.2018

Ein Gospel-Chor dröhnt leise aus den Boxen der gut gefüllten Essigfabrik im Süden des Kölner Stadtteils Deutz und gaukelt eine unbeschwert malerische, doch kühle Idylle vor. Etwas südlich dieser Location liegt das Veedel Poll. Knapp über zehntausend Menschen leben hier. Die müssen an diesem verregneten Novembertag doch recht zügig ihre Wohnungen und Häuser verlassen – Mittags hatte man auf einem Grundstück einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, der nun entschärft werden muss. Im ein Kilometer-Umkreis um die 20-Zentner-Bombe werden bis in die Nacht hinein alle Bewohner evakuiert. Davon bekommt man in der etwa zwei Kilometer von Fundort entfernten Essigfabrik kaum etwas mit. Gegen 21 Uhr tönt noch immer seichte Gospel-Musik – mittlerweile hat sich ein Klavier zu dem Chor gesellt – durch die Halle. Plötzlich geht das Hallenlicht aus. Sechs Personen betreten die Bühne.

Zwei von ihnen greifen zu E-Gitarren, eine hält etwas später einen Bass in der Hand, andere umgreifen Schlagzeugsticks oder Mikrofone. Zeal & Ardor, die Senkrechtdurchstarter um Mastermind und Amerikaschweizer Manuel Gagneux, betreten die Bühne. Von den Protagonisten sieht man nur die Umrisse – sie tragen allesamt Mönchskutten-ähnliche Kleider. Erst zwei Jahre ist es her, seitdem die Journalistin Kim Kelly das Projekt um Gagneux ins Rollen brachte – mit einem relativ harmlosen Tweet, der die Aufmerksamkeit vieler auf die sonderbare Musik des Baselers lenkte. Einzelne seiner Stücke waren bereits einige Jahre im Internet erhältlich gewesen – was einst als Gag begann, evolvierte in Windeseile zu einer angesehenen Band, die nun in etlichen Städten auf der ganzen Welt mehrere hundert Menschen in Konzerthallen und Clubs treibt.

In Zeiten, in denen die Gitarrenmusik eher Rück- als Fortschritte macht – man betrachte nur den viel zu erfolgreichen Led Zeppelin-Klon Greta Van Fleet – kann es eben mal äußerst frischen Wind durch ein Genre treiben, wenn sich jemand mal an etwas neues wagt. Die Grundidee hinter Zeal & Ardor – Black-Metal mit Gospel zu vermischen – hat Gagneux auf „Stranger Fruit“, dem zweiten Album seines Projektes, deutlich weiterentwickelt. Natürlich schmettert einem das Schlagzeug noch immer gelegentlich Blast-Beats um die Ohren und reißen die Gitarren einen stets in ihren Schrammelstrudel – die Kernelemente des Sounds sind erhalten geblieben, wurden aber um elektronischere Komponenten und eingängigere Passagen ergänzt. Kein Wunder, dass man an dem verregneten Novemberabend neben Kuttenträgern auch viele eher unauffällig gekleidete Menschen erspäht. Noch nie verfügte Extreme-Metal über eine solche Leichtigkeit.

In seinen wenigen Ansagen auf der Bühne spricht der Frontmann Zeal & Ardor mit „wir“ an. Aus dem Soloprojekt scheint mittlerweile eine vollwertige Band gewachsen zu sein. Vorher erklärt er, sie würden im Verlauf des Abends eher die Musik für sich stehen lassen und nur wenig reden. An das Versprechen hält sich das Sextett – neben dem gewöhnlichen Bandsettup aus zwei Gitarren, einem Bass und Schlagzeug, reichern zwei Sänger die choralen Gesangspassagen an. Trotz der fehlenden Publikumsanimation ist die Stimmung ausgezeichnet. Das bislang unveröffentlichte „Cut Me“ treibt den Moshpit an, „Row Row“ sorgt zwischen Mitklatschparts und Kreischstürmen für Begeisterung und „Devil Is Fine“ mobilisiert die Stimmbänder der Anwesenden, zeigt dabei die poppigere Seite Zeal & Ardors auf. Zwischendrin durchbrechen elektronische Interludes den trotz der ungewöhnlichen Symbiose fremder Musikstile doch sehr homogenen Sound.

Das Konzert wirkt perfekt inszeniert. Auch an den Instrumenten sitzt jeder Handgriff. Da verzeiht man Gagneux auch, dass er etwas heiser ist. Kein Wunder, wenn man jeden Abend so abliefert. Am Ende stehen die Musiker im Halbkreis um das Schlagzeug herum während die letzten Akkorde erklingen, als beraten sie gerade über geheime Welteroberungspläne. Bis zur Weltherrschaft wird es für Zeal & Ardor vielleicht nicht reichen – einen Platz in der Metal-Avantgarde-Szene hat die Gruppe sich jedoch redlich verdient. Das kann auch eine altes Stück Sprengstoff nicht verhindern.

Und so hört sich das an:

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Foto von Jonas Horn.

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