65daysofstatic – replicr, 2019

Cover von 65daysofstatics "replicr, 2019"

Die emotionalisierende Kraft der Musik als Kunstform liegt nicht nur in ihren Texten und ihrem Gesang. Das stellt die klassische Musik seit über drei Jahrhunderten unter Beweis. Seit einigen Dekaden zeigen auch unzählige Post-Rock-Bands, dass sich rein instrumentale Musik ebenfalls darin verstehen kann bestimmte Stimmungen und Gefühlslagen zu vermitteln. Man wühle sich nur durch in die Schlüsselwerke von Explosions In The Sky, *shels und Caspian. Mit ihrem stets elektronisch angehauchten Post-Rock und dem in den Anfangstagen starken Math-Rock-Einfluss nahmen 65daysofstatic schon immer eine Sonderstellung in der Post-Rock-Szene ein. Über die Jahre nahm der Synthesizer- und Drum-Computer-Anteil stets leicht zu, die Gitarren entfremdeten sich von ihrem klassischen Sound und die zuckeligen Math-Parts wichen intensiven Soundscapes. Was „replicr, 2019“, dem achten Langspieler der Briten, erhalten bleibt, ist die musikalische Raffinesse und einnehmende Atmosphäre, die die Band bislang auf jedem ihrer Alben kreierte.

Die Sheffielder folgen mit „replicr, 2019“ den Pfad, den sie mit dem Soundtrack zum Indie-Game „No Man’s Sky“ losmarschiert waren. Zwei Minuten lang wabert „pretext“ als obligatorisches Intro vor sich hin und bereitet die bedrohliche Stimmung vor, die sich dann in Gänze im elektronischen „stillstellung“ entfaltet. Mit seinem eklektischen Drum-Beat und den mystischen Soundflächen ist hier genau das Gegenteil von Stillstand angesagt. Einem hypnotischen, deutlich überladenen Techno-Track gleich fügt das Quartett dem seit Beginn bereits mitreißenden Song nach und nach immer mehr Schichten zu.

Die Klänge einer düsteren Welt

Bei „bad age“ beschleicht einen dann auf einmal das Gefühl man habe doch versehentlich einen der Stranger Things-Soundtracks angeschmissen. Den synthie-lastigen Elektro-Spielereien Kyle Dixons und Michael Steins ähnlich arbeiten 65daysofstatic hier mit Spannungsfeldern, die immer wieder Wendungen erfahren und oftmals ein Gefühl des Unbehagens hervorrufen. „sister“ erforscht diese dystopischen Soundlandschaften ebenfalls und lässt einen mit seinen erschreckend düsteren Klangwelten frösteln. Zwischen die acht vollwertigen Stücke setzt die Bands sechs Interludes, die allesamt mit unleserlichen Titeln versehen sind, nahezu auf Schlag-Elemente verzichten und zu den nach ihnen folgenden Stücken leiten.

Mit seinem schrägen Elektro-Sample-Beat lässt „popular Beats“ alte Math-Zeiten wieder aufkommen. Hier kommt die Vermutung auf, die Band spiele mit Titel auf die doch häufig simple Beat-Gestaltung populärer elektronischer Musik an und parodiere diese, indem sie weder eingängige Melodien, noch ein leicht zu folgender Fluss wählt. „five waves“ und „interference_1“ zuckeln dann ebenso lässig – teils mit Lounge-Piano und abgedrehtem Elektro-Irgendwas, teils mit euphorischem Synthie-Bass und House-Sounds – nach vorn.

Das Gefühl der Angst

„z03“ fährt dahingegen Sounds auf, die nach einem angsteinflößenden Klapperschlangen-Etwas klingen. Das knarzt so bedrohlich aus den Boxen, man fürchtet, das Ding würde einen jeden Augenblick von hinten anfallen und verschlingen. Ob „z03“ wiederum der Name dieses hoffentlich frei erfundenen Ungetüms ist und ob es überhaupt existiert oder nur der Fantasie des Autors entspringt, beantwortet der Pressetext leider nicht. Nunja, dann tönt bereits „trackerplatz“ durch den Raum und bringt als wohl klassischster 65daysofstatic-Song der Platte hoffnungsvollere Klänge mit sich. Die Geschichte, die die Band mit „replicr, 2019“ zu vertonen versucht, scheint also doch noch ein gutes Ende zu nehmen. Das achte 65daysofstatic-Album ist nämlich eines, das dem Soundtrack eines düsteren Science-Fiction-Dramas gleicht, der mal mit dystopischen Soundflächen beunruhigt, mal mit euphorischen Piano-Parts um die Ecke kommt. Etwas fühlen tut man aber zu jedem Zeitpunkt – auch wenn es die intensive Empfindung von Angst ist.

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