Architects – Holy Hell

Architects - Holy Hell

Es gibt Genres, die ihres musikalischen Grundkonstruktes wegen schon derart in ein Korsett gedrückt werden, dass ein großer Teil des Outputs exakt gleich klingt: immerselbe vorhersehbare Strukturen, immerselbe Stimmungen, immerselbe Riffs. Der Metalcore gehört mit seinem ausgeprägten Szenegedanken, der jegliche Progressivität verbietet, zu diesen Sparten – die Acts, die mittlerweile den Sprung in die großen Hallen gemeistert haben, entfernten sich entweder von ihren Ursprüngen – man schaue sich nur Bring Me The Horizon an – oder entwickelten ihren Sound vom Core weg zum klassischen Metal, wie beispielsweise Parkway Drive. Eine Band, die es geschafft hat ihre Fanbase konstant immer zu vergrößern, ohne sich allzu sehr von ihrem Ursprungssound zu entfernen, sind die Architects aus Brighton. „Holy Hell“ heißt das achte Album der Metalcore-Gruppe und schafft es trotz des doch sehr szenetypischen Sounds immer noch interessant zu bleiben.

Eine Rezension über „Holy Hell“ zu schreiben scheint schier unmöglich ohne auf den tragischen Krebs-Tod von Tom Searle einzugehen, der als Gitarrist nicht nur ein Grundfundament zum Sound der Band beitrug, sondern auch den Großteil der Songs schrieb. Das Ableben des Musikers – übrigens ebenfalls der Bruder von Schlagzeuger Dan Searle – riss jedoch nicht nur ein riesiges Loch in jedes Fanherz und den musikalischen Kern der Band, sondern hinterließ auch seine Bandkollegen in tiefer Trauer. „Holy Hell“ ist das direkte Produkt dieses Kummerbewältigungsprozesses. Die Texte dieses symbolischen Neubeginns gehen vor allem auf die Kappe von Schlagzeuger Searle, die Musik schrieb dieser größtenteils in Zusammenarbeit mit Neuzugang Josh Middleton. Hier von einer gänzlich neuen Band zu sprechen, wäre gar nicht mal so abwegig.

Keine Sorge, im Kern merkt man Architects diesen Wandel kaum an: Musikalisch macht die Band gar nicht mal so viel anders als auf den Vorgängern. Die musikalische Entwicklung vollzieht sich gänzlich innerhalb des Cores – dessen Grenzen testet man jedoch voll und ganz aus. So greift das Quintett immer häufiger auf Streicher zurück, wagt auch mal den Griff in die Elektrokiste und bedient sich vermehrt an schmissigen Hardcore-Grooves. Letztere ziehen sich vor allem durch das sperrige „Modern Misery“ und das brachiale „The Seventh Circle“. Die Windmühlen sieht man da bei den Konzerten schon vor dem inneren Auge rotieren.

Die Band nimmt den Hörer vom Streicher-Intro des Openers „Death Is Not Defeat“ mit seinen verfrickelten Gitarren über die treibenden Strophen der Vorabsingle „Hereafter“ und der Hüpf-Party „Doomsday“, die sich bereits auf der letzten Tournee beweisen durfte, hin zum einfühlsamen Closer „Wasted Hymn“ auf ihre ganz eigene Reise der Trauerbewältigung mit und zeigt immer wieder, warum sie nicht umsonst eine der populärsten Acts des Genres ist. Was die vier Instrumentalisten hier musikalisch abliefern bewegt sich auf ganz hohem Niveau. Wenn Sam Carter, Sänger der Gruppe, am Schluss über einen Streicherteppich „I’ve got nothing except this wasted hymn. Holy Ghost, nothing lasts forever“ singt, könnte der Verweis auf seinen verstorbenen Freund nicht deutlicher und der tiefe Seelenschmerz, der bei der Zeile mitschwingt, nicht größer sein. Gerade solche intimen Momente bilden einen Standpfeiler der Musik der Brightoner.

Letzten Endes ist es gerade diese eindringliche Atmosphäre, die „Holy Hell“ von vielen anderen Metalcore-Platten ab und die Band auf die Ebene weiterer Riesenacts hebt. Das verdammt gute Songwriting ist hier nur die Spitze des Eisbergs und gehört neben der aalglatten, aber durchdachten Produktion zu den vielen Elementen, die das Grundkonstrukt bilden, auf denen diese tieferen emotionsgeladeneren Elemente aufbauen können. Für Architects stellt das Album einen wichtigen Schritt der Neufindung dar, auch wenn „Holy Hell“ für das Genre an sich nicht viel ändern wird. Was bleibt ist der Erkenntnis, dass gute Musik manchmal auch innerhalb relativ enger Grenzen entstehen kann.

Das Album “Holy Hell” kannst du dir hier kaufen.*

Tickets für die anstehende Tour gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

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Architects live 2019:

10.01. – Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
02.02. – Leipzig, Haus Auensee
03.02. – Offenbach, Stadthalle
05.02. – Berlin, Verti Music Hall
06.02. – München, Zenith
08.02. – Hamburg, Sporthalle

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Epitaph Records.

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