Brian McTernan war nie der Typ für das große Experiment. Schon nicht, als seine einst einflussreiche Band Battery in der Straight-Edge-Hardcore-Szene der 1990er florierte. Und ebenfalls nicht im Anschluss, als er als Produzent progressiven Hardcore-Bands wie Thrice und Turnstile genau die Alben lieferte, auf die der große Aufbruch folgen sollte. Jene Alben, die diesen Ausbruch aus altbekannten Mustern erst möglich machten. Auch „The Weight And The Cost“, das Debüt McTernans neuer Band Be Well, verändert die Punk-Genres nicht grundlegend. Als dreißigminütige Punk-Rock-Abhandlung der menschlichen Psyche bietet dieses jedoch eine Anlaufstelle für alle verlorenen Seelen – und von denen gibt es in der Szene bekanntlich genügend.
Auf dem Weg zu „The Weight And The Cost“ bedarf es jedoch zunächst einer intensiven Selbstfindungsphase. Nach der Kurzzeit-Reunion von Battery Mitte der 2010er-Jahre zog es den 44-jährigen dafür zunächst auf den Bau – erst als Projektmanager, später als Bauleiter. Die vielen langen Reisen förderten jedoch seine bereits jahrelang in ihm brodelnden psychischen Probleme zutage, die er zunehmend in langen Texten zu verarbeiten begann. Das langfristige Ziel derer: Eine neue Band gründen und so nach Seelenheil streben. Auf der Suche nach Mitgliedern für sein neues Projekt wurde McTernan flugs fündig: Bei seinem Battery-Kollegen Schleibaum sowie bei befreundeten Bands wie Bane und Fairweather. All das ist wichtig dafür, um zu verstehen, warum sich der Sänger auf „The Weight And The Cost“ derart ehrlich und direkt die Seele vom Leib schreibt.
Die langen Texte der elf Be Well-Stücke behandeln in vielen Facetten deshalb das psychische Leiden des Brian McTernan. Der schreibt über den Wunsch Vergangenes vergessen zu machen, sehnt sich nach Selbstoptimierung und Befreiung von den schier unbesiegbaren Dämonen. Den Titeltrack beispielsweise richtet der Sänger an seine Tochter, bei der er sich für all die Nebenwirkungen entschuldigt, die Mental Health-Probleme auf die Erziehung eines Kindes haben. Das erste Be Well-Album kann jedoch noch intensiver: McTernans Stimmorgan neigt dazu in Schlüsselpassagen scheinbar unkontrolliert zu entgleiten. Wenn er in „Frozen“ deshalb vor dem letzten Refrain-Durchgang immer wieder verzweifelt fleht, man solle ihm vergessen helfen, geht das wahrlich unter die Haut.
Schon im hymnischen Opener und heimlichen Underground-Hit des Albums „Meaningless Measures“ wünscht McTernan sich mit gebrochener Stimme: „Please tell me it’s not too late.“ Diese Angst davor sich nicht früh genug mit sich selbst auseinandergesetzt zu haben, blitzt auch an anderer Stelle durch. Im anschließenden „Magic“ schreit er apathisch: „I gave it my best shot, but I could never see straight and I got lost // (…) Is it too late now for me to learn how?“
Be Well verpacken McTernans Katharsis währenddessen in melodiösen Punk-Rock mit Hang zum Hardcore. So brettert „Morning Light“ mit 200BPM in Richtung Seelenheil, wankt „Meaningless Measures“ mit treibenden Drums und flotten Gitarren auf einen hymnischem Punk-Rock-Chorus zu und strickt der Titeltrack in seiner Bridge prompt ein dichtes Geflecht aus Post-Hardcore-Flächen.
Viel Licht bietet der Vortrag McTernans über diese dichten Punk-Bretter selten. Während die ersten zehn Stücke der Platte sich meist beschreibend mit dem Inneren des Sängers beschäftigen, bietet der Closer „Confessional“ zumindest ein wenig Perspektive, wenn der Frontmann sich mit einem hymnischen Mantra an seine Tochter wendet: „One day I’ll be better, I hope that you never feel as lost as I do today.“ Hoffen wir, dass der auf dem Cover abgebildete Sonnenaufgang auch den mit dem Album erhofften Aufbruch in Richtung Seelenheil bringt. There are better times ahead!
Hier kannst du dir das Album kaufen.*
Du kämpfst mit Mental Health Problemen? Hilfe gibt es unter 0800-1110111 oder 0800-1110222 oder hier.
Und so hört sich das an:
Facebook / Twitter / Instagram
Die Rechte für das Cover liegen bei End Hits Records / Equal Vision Records.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.