Bombay Bicycle Club – Everything Else Has Gone Wrong

Australien steht in Flammen, weltweit sorgen Krisenherde für fürchterliche Szenen, eine ganze Generation ist von Zukunftsängsten geplagt – und Bombay Bicycle Club setzen mitten in diese Szenerie ein Bild, das friedlicher kaum sein könnte: Vier Vögelchen, die genüsslich aus einer Schüssel trinken. Eskapismus kann das Indie-Genre von allen alternativen Musikarten wohl am besten, was bei Weitem nicht bedeutet, dass sich die Protagonist*innen des Genres nicht der bedrohlichen Lage bewusst sind – ganz im Gegenteil. Wenn Bombay Bicycle Club nach einer vier jährigen Pause nun mit diesem Albumcover zurückkehren, erwartet man vielleicht lebensbejahenden, von World Music beeinflussten Spaß wie auf dem bisher letzten Langspieler “So Long, See You Tomorrow” oder gar den tanzbaren Rock-Sound des Debüts, aber weit gefehlt: Am ehesten entspricht “Everything Else Has Gone Wrong” noch dem Folk des zweiten Albums “Flaws”, angereichert mit kleinen Pop- und Americana-Einschüben. Ein Sound, den der Produzent und Grammy-Gewinner John Congleton schon bei Acts wie Sharon van Etten und The War on Drugs perfektioniert hat. Und anstelle einer friedfertigen Kulisse erwartet Zuhörer*innen hier vor allem eins: Tiefgehende Melancholie.

Repition als Schlüsselmoment

Die beeindruckenden Effekte der permanenten Wiederholung führen die Briten schon beim Opener “Get Up” vor, wenn ein luftiges Klavierthema konsequent durch die Gegend hüpft, während die unverkennbar-nasale Stimme von Jack Steadman durch einen psychedelischen Nebel nach vorne dringt. Anfänglich wirkt das noch behaglich und einlullend, doch als die Bässe und Drums einsteigen, gleicht der Song tatsächlich einem ziemlich ermutigendem Wachmacher, den man sich gleich als Weckton einstellen will. Den Aufschwung nimmt das sommerliche “Is It Real” auch gleich mit, Drummer Suren de Saram schraubt sich mit einem stoischen Beat in den Vordergrund, bis dann der Titeltrack die melancholische Seite des Albums einführt. Doch trotz all des klanglichen Trübsinns, der die folgenden Songs ausmacht, strahlen textlich immer wieder positive Sequenzen hervor: “And yes, I found my peace again, and yes I found my second win” heißt es so im Titeltrack, zwei Sätze, die durch die stets bestimmtere Wiederholung einige fette Ausrufezeichen angedichtet bekommen – doch erst durch die Gegenüberstellung mit dem Albumtitel “Everything Else Has Gone Wrong” an Bedeutung hinzugewinnen.

Licht und Schatten

Ganz anders als das farbenfrohe Cover also suggerieren mag, ist das fünfte Album des Quartetts somit ein sehr zwiespältiges geworden. Von elektronischeren Beats (“I Can Hardly Speak”) über drängelnde Polyrhythmik (“I Worry Bout You”) bis zu gesanglicher Unterstützung von Liz Lawrence und Billie Marten in einigen Songs zeigen sich die zarten, pastellfarbenen Facetten des Albums in ihrer vollen Pracht, während es inhaltlich an die Introspektive geht. “Eat, Sleep, Wake (Nothing But You)” ist gerade wegen der Mixtur aus verhuschtem Gesang und liebevollen Lyrics eins der schönsten Liebeslieder der letzten Jahre, während es im Kontrast dazu im sommerlichen Hand-Clap-Folker “Good Day” um Selbstzweifel und Depressionen geht.

In “Do You Feel Loved” wird einer Person vor zarten Streichern schließlich mit der steten – man ahnt es – Wiederholung  der Worte “Throw your Arms around my Neck and hold me tight / All the Cracks around your Head will fill with Light” so viel Liebe ausgeschüttet, dass man sich dann schließlich doch wohlig warm fühlt. Im Closer behält dann aber doch die Melancholie die Überhand, wenn der Leitsatz “This light will keep me gold and I don’t even know where ever I may go” irgendwo in der Schwebe zwischen Zuversicht und Haltlosigkeit landet. So viele explizite und vor allem unterschiedliche Gefühlsregungen kommen nicht von ungefähr: Der Titel soll dafür stehen, dass Musik ausdrücken kann, wo Worte versagen. Abgedroschene These, effektive Songs. Auch wenn das Comeback nicht ganz so friedlich und glückselig klingt, wie das Cover vermuten lässt, bietet die Melange aus Melancholie, Ängsten und Zufriedenheit einen Rückzugsort für alle, die allzu radikalem Eskapismus dann doch nichts abgewinnen können. Ein bisschen in der eigenen Misere baden, kann eben auch sehr befreiend sein.

Das Album “Everything Else Has Gone Wrong” kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Bombay Bicycle Club live 2020

  • 15.03. Backstage, München
  • 18.03. Huxley’s, Berlin
  • 24.03. Live Music Hall, Köln
  • 25.03. Docks, Hamburg

Rechte am Albumcover liegen bei Caroline International.

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