Christina Aguilera – Liberation

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An welche Songs denkt ihr, wenn ihr den Namen Christina Aguilera hört? Wahrscheinlich an „Genie In A Bottle“, „Dirrty“, „Beautiful“, „Lady Marmelade“, „Fighter“, „Hurt“ oder „Ain’t No Other Man“. Ohne Zweifel sind das alles sehr große Hits der 2000er-Ära, die über Monate die Charts dominierten, in Radios und auf Partys liefen und eine ganze Generation beeinflussten. Jeder dieser Songs ist mindestens zwölf Jahre alt – tatsächlich hatte die aus New York stammende 37jährige Künstlerin seitdem in Deutschland keine Top Ten-Platzierung mehr, ausgenommen die Kollaborationen mit Maroon 5 und Pitbull. Erinnert sich noch irgendwer an Songs wie „Keeps Gettin‘ Better“, „Not Myself Tonight“ oder „Your Body“? Wohl kaum. Nach dem großen Erfolg mit „Back To Basics“ floppten die beiden Nachfolger „Bionic“ und „Lotus“ gnadenlos – und wir behaupten, dass das mit „Liberation“ nicht viel anders wird.

Dabei musste sage und schreibe fast sechs Jahre auf neues Material gewartet werden. Zwischenzeitlich wurden Kinder gebärt und Teilnehmer in Castingshows gecoacht. Dass Frau Aguilera immer noch gesanglich zur Oberliga gehört, bewies vor einigen Monaten ihr Auftritt beim „Carpool Karaoke“ von James Corden. Ob man ihren Gesangsstil mag oder nicht, ist Geschmackssache. Technisch ist da jedenfalls nicht viel zu meckern. Doch wie knüpft man nun an Erfolge an, die elendig lange her sind, das Publikum längst erwachsen ist und die neuen Teenager wenig bis gar kein Interesse an einem haben? Christina Aguilera macht einen radikalen Schritt und entscheidet sich für: gar nicht erst versuchen.

Bevor das Urteil zu schnell fällt: „Liberation“ ist kein Totalausfall. „Liberation“ ist aber noch weniger eine Granate. Der selbsternannte Befreiungsschlag bietet 49 Minuten Musik, aufgeteilt in 15 Tracks, wovon gleich vier Intros bzw. Interludes sind. Direkt zu Beginn werden zwei davon verbraten, sodass der erste wirkliche Song erst bei Track drei zu hören ist. Nach einem viel zu lang geratenen Intro und einem fast schon klassisch gesungenen Vorspann startet die Platte und mit „Maria“ auch eine Andeutung, wo das Ganze hinführen könnte. Das größte Problem des Albums ist, dass kein Song wirklich schlecht ist, aber auch kaum einer hervorsticht. Hitsingles sucht man hier vergeblich. Kein einziges Lied wird es in die Playlist eines Radiosenders schaffen, was für eine Künstlerin, die mal die Charts anführte, schon sehr ungewöhnlich ist. Ebenso schwer tut sich das Album aber im künstlerischen Gefilde, da es leider häufig einfach nur so plätschert. Natürlich ist das gesanglich alles schick zu hören und zwischenzeitlich hat man kleine Déjà-Vus an gute Zeiten („Fall In Line“), aber der Großteil ist leider schlichtweg langweilig.

Die Vorabsingle „Accelerate“ versucht mit zweideutigem Video alle Aufmerksamkeit zu erhaschen, schön „Dirrty“ zu sein und ist dabei so kantig und stolpernd, dass das Tanzbein still bleibt. Endresultat? Nicht mal die Top 100-Singlecharts erreicht. „Right Moves“ hat einen angenehmen Reggae-Beat und steuert auf R’n’B-Disse zu, holt aber auf Melodieebene nicht ab. Bei „Sick Of Sittin‘“ darf mal ordentlich losgebrüllt werden, Christina Aguilera zeigt Belting der besten Form – trotzdem führt die Erinnerung an ein „Fighter“ dazu, dass man eben diesen danach gerne hören möchte. Die Beurteilung fällt außerordentlich schwierig aus, da der Sound insgesamt eher Retro klingt, aber stets zeigt, was früher alles besser war, trotz mehr als einer Hand voll Features, die zeitgemäß auserwählt wurden. Zwei Songs stechen dennoch aus der Dreiviertelstunde Beliebigkeit hervor: „Deserve“ ist eben das, wofür man sie einst feierte und bietet moderne Popmusik, wie sie zu sein hat. Elektrisch-verspielter, mystischer Beat zu Beginn, Stimme weit im Vordergrund, etwas Sexyness – warum denn bitte nicht gleich so? Ganz andere Richtung, aber mindestens genauso gut ist „Masochist“, das dank Ohrwurmrefrain am wohligsten ins Ohr geht und die beste Nummer darstellt. Und ja, für Pianoballaden-Fans ist auch „Twice“ ein Anspieltipp, das mit mehrstimmigem A cappella beginnt.

Christina Aguilera bot auf ihren Alben schon immer einige Songs, die dem mainstreamigen Popgenre etwas wegsprangen, aber gerade die Mischung aus Erfolgsgarant und Anspruch wusste stets zu überzeugen. Nach dem überambitionierten und sterilem „Bionic“ und dem zu beliebigen „Lotus“ schafft auch „Liberation“ nicht richtig die Kurve. Man hört, dass sich Mühe gegeben wurde und Xtina es will, aber einfach die Luft raus ist. Nett zum Hören nebenbei – aber welcher Künstler möchte schon gern nebenbei gehört werden? Schade, sehr sogar.

Das Album „Liberation“ kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=3Q2j5ApzSqs

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