Drake zeigt in seinem neuen 90-minütigen Album einen nahezu kindlichen Drang gefallen zu wollen
Kennt ihr diese Filme, die ein riesiges Schlachtfeld an Stars und Sternchen zu sein scheint, aber nie die versprochene Tiefe erreicht? So fühlt sich das neue Album des Streamingwunders Drake an. Bad Bunny, Chief Keef, J. Cole, Yeat, 21 Savage, Lil Yachty und viele weitere zieren dieses vor sich hin windende Album und beanspruchen die wenigen musikalischen Höhepunkte des Albums.
“They say they miss the old Drake, girl don’t tempt me. For all the dogs.”
Drake schaffte es zu Beginn seiner Karriere ohne große Plattenfirmen, Produzent*innen oder anderen Gatekeeper*innen seine Karriere, alleinig durchs Internet, in nie erreichte Dimensionen zu befördern. Seit seinem Debütalbum So Far Gone sind nun allerdings auch schon vierzehn Jahre vergangen, und seine Musik ist so vorhersehbar, wie die Diskussion, die dieser Release wieder anstoßen wird. Kann Drake als der größte Rapper seiner Zeit gelten? Oder ist seine Musik überhaupt gut?
For all the Dogs nimmt überraschend schnell Fahrt auf und spätestens nach Songs, wie Daylight – dessen 808-heavy Trap-Beat einen nahezu in Raserei verfallen lässt, bloß um von Drakes Sohn Adonis mit den Worten „I Don‘t care what you do / I will always, watchin for you“ beruhigt zu werden – First Person Shooter – in dem Drake von dem in Frankfurt am Main geborenen US-Amerikaner J. Cole übertrumpft wird – und IDGAF – mit dem Trapmusiker und TikTok-Phänomen Yeat – könnte man fast meinen, dass Drake ein neues Momentum in der Trapmusik und den Kollaborationen mit GenZ-Künstler*innen für sich erkennt. Man könnte dann denken, dass For all the Dogs sich tatsächlich an die frühen Drake-Fans richtet, die seit Jahren verlangen, dass er sich zur alten Größe aufschwingt. Man hofft das diese widerwillige kanadische Stimme eines anderen, amerikanischen Hip-Hops verfällt, aber daraufhin verfällt er in den meistens Songs in bekannte Muster und man fühlt sich in die Privatlounge eines Clubs mit schmierigen Vodka+RedBull trinkenden Möchtegern Fuckbois versetzt, während das Album Certifed Lover Boy in Dauerschleife durch die Boxen schallt.
Ein Netz an unterschiedlichsten Beats der größten Rapproduzenten des Business sortieren in dem 90 Minuten Album nahezu kindlichen Beziehungsdramen, herzlosen, oberflächlichen Umgang mit all seinen Affären, Umgang mit unangenehmen Prahlereien mit dem eigenen Reichtum und kleinliche Spitzen gegen Rapkollegg*innen. Songs wie Slime you out und Members Only zelebrieren seinen Boysclub und mit eben diesen abwertenden Umgang mit Frauen. Songs wie 8am in Charlotte sind kurze Lichtblicke zwischen den Songs eines Drakes, den „all the dogs“ ständig anklagen.
Stilistisch wird eine Spannbreite zwischen der harten Rage-Music, wie in Fear of Heights, über Reggaeton, in Gently, bis hin zu souligen Loops, wie in 8am in Charlotte, aufgebaut. Aber Drake beziehungsweise seine Produzent*innen zeigen auch ihre obskuren Seiten. So beginnt beispielsweise Daylight mit einem Scarface-Sample. Screw the World (Interlude) findet sich ein Nas-Sample im Screw-Stil – einer Remix-Technik der DJ-Legende Screw, in der ein Song langsamer abgespielt wird, um darauf jegliche vorhandene DJ-Technik, wie zum Beispiel Scratches, auf den Track anzuwenden – wieder und in Virginia Beach können wir einem zwölf Jahre alten Frank Ocean Sample lauschen.
Jay-Z ist ein Musterbeispiel eines Künstlers, der den engen Spalt zwischen der Relevanz des großen Publikums und der Relevanz im Hip-Hop meistern konnte. Der kommerzielle Erfolg eines Drakes, zeigt einerseits, dass Musik, in dem Sinne womöglich Hip-Hop, ein Raum geschaffen wurde, in dem Künstler*innen ohne den zwangsläufigen Zwang riesiger Gaterkeeper*innen, Kunst schaffen und davon leben können. Andererseits ist es genau das versessene Hacken des Business das, was der Musik ihrer eigentlichen ästhetischen Bedeutung beraubt – und For all the Dogs ist ein Musterbeispiel dafür.
Drake legt in der Öffentlichkeit und auch in diesem Album eine Peter Pan-artigen Drang gefallen zu wollen an den Tag. In seiner kindlichen Art und Weise prahlt er toxisch männlich von all seinen Liebschaften, während er im nächsten Moment zwanghaft versucht seinen Dogs gefallen zu wollen, um als daraufhin mit allen relevanten Hip-Hop-Künstler*innen der Zeit zu kollaborieren, die das Sprungbrett Drake gerne annehmen. Ob dieses „gefallen wollen“ nun an seinem Drang kommerziell erfolgreich sein zu wollen, oder aus einer existenziellen Sehnsucht nach Liebe, die er schon im Privaten nicht finden vermag, mag zweitrangig sein. Wichtig erscheint: Gewappnet mit einem Schwarzstift, hätte sich irgendwo in diesem Chaos ein gutes Album finden lassen können.
Und so hört sich das an: For all the Dogs bei YouTube
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