Sechs Jahre kein Mucks. Nach seinem Debüt-Werk im Jahre 2013 zog sich Grim104 aka Graf Grim zunächst für unzählige Mondphasen auf sein einsames Schloss in den Alpen zurück, um den großen Triumph, der die Veröffentlichung umgeben hatte, mit etwas Ruhe und Besinnlichkeit zu zelebrieren. Nun kehrt der stets auf den Bühnen des Landes gefürchtete Comte zurück in die Zivilisation. Doch er kommt nicht allein: In seinen Armen trägt er leicht zitternd, aber doch lässig ein 25-minütiges Gruselabenteuer – man munkelt auf dessen Umschlag sähe man ein Ebenbild des heimkehrenden Grafen. Spürt ihr es auch? Oh Kinder, „Das Grauen, Das Grauen“ ist da.
Nicht viele Künstler*innen können es sich erlauben nach langer Kreativpause mit nichtmal einer halben Stunde Material zurückzukehren. Bei Grim104 dürften sich die kritischen Stimmen jedoch im Zaum halten. Zum einen hinterließ sein geklonter Halbbruder gemeinsam mit Testo als Zugezogen Maskulin in der Zwischenzeit zwei komplette Studioalben. Zum anderen traut sich wohl eh niemand, dem ehrfürchtigen Grafen auch nur ansatzweise ein Kontra entgegenzusetzen. Nunja, verübeln kann man es dem häufig verstört wirkenden Burschen nicht.
Ist zunächst der krachige Sub-Bass des eröffnenden Titeltracks dafür verantwortlich, das sich ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube ausbreitet, so sorgen im Songverlauf eher die grausamen Geschichten Grims für Unbehagen. Von seinem Hochsitz aus hat Grim104 die Schauermomente des deutschen Hochkapitalismus studiert. Deshalb vermag „Das Grauen“ alle denkbaren Ausgestaltungen des Alltagsschrecks aneinanderzureihen. Deshalb weiß „Graf Grim“ bis ins letzte Detail auszuformulieren, warum nicht Straßenrapper, sondern Grafenrapper die Gesellschaft in Furcht und Schrecken versetzen sollten. Deshalb kann „Hölle“ treffend analysieren, welche gespenstischen Auswirkungen die Hipsterisierung auf die Hauptstadt hat.
„Abel ’19“ widmet sich wiederum dem blanken menschlichen Grauen. Aus der Ich-Perspektive nimmt Grim die Zuhörer mit in die Gedankenwelt eines jungen Mannes, der von einem anderen aus Eifersucht so lange windelweich geprügelt wird, bis sein Denken abrupt abbricht. Ach ja, da ist es wieder, dieses unangenehme Gefühl. „Unter Die Stadt“ überträgt diese bedrückende Atmosphäre wiederum in seinen dystopischen Lärm-Beat, über dem der Erzähler vom dem mehr oder minder gruseligen Mythos der in den verlassenen U-Bahn-Schächten Berlins lebenden Aussiedlern berichtet. Durch die Platte leiten unterdessen vielerlei Interludes, die entweder zu der Geschichtserzählung beitragen oder aber musikalisch auf Folgendes vorbereiten. „Juri Gagarin“ bedarf dahingehend keinerlei Zusatz. Der steht mit seinem unkonventionellen Beat und der unheimlichen Weltraumthematik ganz für sich allein.
Graf Grim gliederte sich nach seinem Exil wieder in die Gesellschaft ein und beschenkte die in ihr hausenden Menschen mit einem temporär anhaltenden Grusel-Moment in Musikform. Am All Hallow’s Eve darf dann auch der Normalbürger an diesem Spuk teilhaben und sowohl vor Ehrfurcht als auch vor Belustigung erschaudern. Auch negative Emotionen können ja bekanntlich Freude hervorrufen.
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Grim104 live 2019:
27.11. – Berlin, Kantine am Berghain (ausverkauft!)
Die Rechte für das Cover liegen bei Grim104 Tonträger.
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