Mit Diskographien ist es wie mit Beziehungen: Am Anfang ist man noch gebannt von den neuen Eindrücken und fasziniert von der ungewissen Richtung, den dieser Weg in Zukunft einschlagen wird. Und vielleicht ist es deswegen auch manchmal eine Geschmackssache, ob man die aufgeregte erste Verliebtheit bei einem bestimmt nicht perfekten, aber doch ungestellt ehrlichen Debüt bevorzugt oder den gefestigten Nachfolger. Nicht selten legen Künstler*innen im Laufe ihrer Karriere auch ihre Bissigkeit ab, werden ruhiger, nachdenklicher, skeptischer. Man kennt sich schließlich bereits aus mit dem ganzen Release-Brimborium. Das erlebt die Musikwelt gerade beim Zweitling von Billie Eilish, das werden Fans nun auch bei “Different Kinds of Light” von Jade Bird erleben. Aber keine Angst: Hier fühlen sich die ruhigen Töne nicht nach Beziehungskrise an.
Back to the Roots
Wer sich auf dem Debüt in Jade Bird verliebt hat, wird seine Gefühle auf dieser Platte fraglos weiter vertiefen. Genügend Zeit gibt die britische Musikerin ihren Hörer*innen für diese Entdeckungsreise auf jeden Fall: 15 Songs in 42 Minuten ist mal eine Ansage. Im Angesicht des Entstehungsprozesses überrascht dieses breite Angebot an neuen Tracks aber auch nicht: Angefangen in Japan und Mexiko entstand ein Großteil im Paradies der Country-Szene Nashville und bekam seinen Feinschliff in New York. Passend zum Ortswechsel spielt Bird nun auch mit der Erzählperspektive, wagt den Schritt aus der Komfortzone namens Introspektive heraus und widmet sich auch Geschichten Verwandter, Fremder oder imaginärer Personen. Den Fuß vom Gas nimmt der Sound also dementsprechend nicht ohne Grund, sondern um in einem Raum der Entschleunigung einen intensiveren Blick aufs Storytelling zu setzen. Der Kreis schließt sich: Jade Bird kommt dem klassischen Country-Songwriting einen weiteren Schritt näher.
Different Kinds of Sound
Dennoch: “Different Kinds of Light” ist alles andere als monoton. Insbesondere die ersten zehn Songs schreiten einmal durch die Weiten des Königreiches, das sich Jade Bird in den vergangenen zwei Jahren erbaut hat. Dort vermengt sie auf “Trick Mirror” noch The Cure-Melancholie mit klassischem Folk, auf dem Country-Hit “Now is the Time” stolpern die Worte wieder so keck übereinander wie in “I Can Get No Joy”, der Titeltrack öffnet das Verdeck am Ende für einen sphärischen Soundtrack-Moment. Den generellen Vibe geben dennoch eher die ruhigeren Songs wie die Haim-Verbeugung “Punchline” oder “Houdini” an. Seltener als zuvor bricht Birds Stimmung aus, obwohl gerade diese kraftvollen Refrains eine klare Stärke des Debüts waren. Das ist zwar schade und auch die leichten Längen am Albumende trüben den Gesamteindruck ein wenig. Wenn dann aber Stücke wie “Open Up the Heavens”, “1994” oder der Closer “Headstart” mit Alt-Rock und Tanzwilligkeit locken, sind eh alle Sorgen vergessen. Und wer braucht im vierten Beziehungsjahr schon dauerhaft Action?
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