Deutschland war nie wirklich ein Land, in dem Reuben Fuß fassen konnten. Viel mehr spielte sich der Großteil der Karriere der britischen Post-Hardcore Band auf der großen Insel ab, auf der man zusammen mit den noch jungen Biffy Clyro Vex Red supporten durfte und bis zu seiner Auflösung im Sommer 2008 immer größere Hallen spielte. Wirklich raus aus dem Untergrund kam man aber nie. Sänger und Gitarrist Jamie Lenman konzentrierte sich nach der Auflösung seiner Band zunächst auf seine Karriere als Zeichner, bevor er 2013 sein Solo-Debüt „Muscle Memory“ veröffentlichte – ein Doppel-Album-Chaos aus stürmischem, super heftigem, rifflastigem Hardcore und zurückgelehntem Akustik-Country-Rock. Vier Jahre später erscheint mit „Devolver“ nun der Nachfolger seines ersten Solo-Werkes, der den Mittelweg zwischen den beiden Extremen des Debüts einschlägt.
Am ehesten lässt sich „Devolver“ wohl als ein Rock-Album, das sich ab und an rifflastigen Ausbrüchen hingibt und öfters mal eine experimentelle Richtung einschlägt, beschreiben. Immer wieder scheint die Post-Hardcore Vergangenheit des Sängers durch. So zum Beispiel beim schrägen, ausfallenden Riff des das Album abschließenden Titeltracks. Dass der 34-Jährige ein einzigartiges Händchen für Instrumentation und Melodie hat, sollte spätestens seit dem Reuben-Debüt „Racecar Is Racecar Backwards“ unumstritten sein. Auch auf „Devolver“ setzt der Engländer dieses Händchen wunderbar ein. Schon der Opener „Hardbeat“ mit seiner zweiten, fast schon an Hip-Hop erinnernden Strophe und dem riesigen Ohrwurm im Refrain, deutet dies an, bloß damit das flotte „Waterloo Teeth“ daraufhin mit seinen Neo-Grunge-Riffs alles abreißt.
Lenman behält es sich im Laufe des Werkes immer wieder vor, den Hörer mit ungewöhnlichen Elementen, wie den Stimmsamples, die während des Outros von „Waterloo Teeth“ eingespielt werden oder dem elektronischen Drum-Beat in der Strophe von „Body Popping“, zu überraschen. Trotzdem hat jeder Song des zweiten Jamie Lenman Albums eine unglaublich mitreißende Stimmung in sich – jeder Refrain eignet sich perfekt zum Mitgröhlen, jedes Gitarrenriff scheint zehnmal überdacht und obwohl jeder Track Lenmans einzigartige Note trägt, bilden alle zusammen ein super stimmiges Gesamtkonstrukt.
Hat Reuben in Deutschland nie so wirklich funktioniert, könnte es tatsächlich sein, dass sich das für Lenman mit „Devolver“ ändert. Auf diesem klingt der Herr mit der ungewöhnlichen Frisur frischer denn je, schreibt Songs, die ins Ohr gehen und Hitpotential haben, gleichzeitig aber unbändig und roh erscheinen. Wenn das nicht mal ein Anwärter auf die Alben des Jahres ist! Wir sind begeistert.
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Und so hört sich das an:
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