Alle kennen sie – diese “Hauptcharakter”-Momente, in denen sich das eigene Leben ähnlich dramatisch anfühlt wie ein Hollywood-Film. Dann passen auch übergroße Balladen von John Legend, Empowerment-Hymnen von Lizzo und Beyoncé oder große Liebesgeschichten von Taylor Swift in den eigenen Soundtrack. Aber Hand aufs Herz – ganz so Hochglanz ist der Alltag dann in der Regel doch nicht. Für all die kleinen Momente, die sich auch ohne Filter nach viel anfühlen, aber kaum nach Weltstar-Niveau, ist das Debüt unserer Lieblinge von Kapa Tult nun die Erlösung. Zwischen kecken Sprüchen und knackigem Indie geht’s hier um Beinhaare, Oralverkehr & Tindern. Leben ist halt nicht immer Hollywood.
Maxi-Menü statt Kinderteller
Wer die großartige Debüt-EP “Meinten Sie Katapult?” gehört hat, konnte schon ahnen, was für eine vielfältige Songsammlung hier anstehen wird. Dem Titel zu Trotz hat das Trio auf “Es schmeckt nicht” doch viel mehr Maggi-Spritzer verteilt als erwartet. Garniert von herrlich ungeschönten Indie-Ohrwürmern stapft man dann kurzerhand mit Kapa Tult durch alltägliche Situationen, die so viel aus dem eigenen Leben abbilden wie die feinsten Memes. Wer kennt zum Beispiel nicht diese Leute, die ab dem Eintritt ins Berufsleben das Life aus der Work-Life-Balance gestrichen haben? Mit “BitteBitteBitte” gibt’s für die jetzt einen Soundtrack mit epischen Background-Chören. Vielleicht hilft das ja beim Wieder-Spaß-haben. Mit “Handy” gibt es einen hingegen einen smarten und wie immer auch angenehm weirden Song über den Druck der Social-Media-Welt, zu dem es sich angenehm wippend scrollen lässt. Der Selbsttest hat’s bestätigt. Und in “Straßenbahn” geht’s mit Mitgröl-Refrain, schrammeligen Riffs und knarrenden Synthies um große Gefühle auf schmutzigen Öffi-Sitzen – und eine Wendung mit wichtiger Message.
Die meinen BeReal ernst
Bei Kapa Tult gibt es auch auf dem ersten Album noch so viel Schalk, wie ihn nur tausende Clowns im Frühstücksmüsli verursachen konnten. Bevor es aber so cringe wird wie bei ausschließlich “witzigen” Acts, haben Kapa Tult auch ein paar ernste Themen im Jutebeutel. “Menschen (denen es gut geht)” etwa spricht über die nicht vorhandene Mental Health der jungen Generation, “Leck mich” schwadroniert als exzentrischer Klavier-Song über queeren Sex und fordert – “Lecktücher in jedem Supermarkt!” Und auch der große Überhit “Michelle Obama” ist trotz all der Melodievernarrtheit ja auch ein Track über Selbstoptimierung, Schönheitsideale und Normen. All das richten Kapa Tult aber so an, dass es mit Influencer*innen-Glanz, Weltpop-Drama oder Blockbuster viel weniger zu tun hat als mit El Hotzo-Tweets, Chaos-WGs und dem Warten auf den ÖPNV. Einen schöneren, gewitzteren und melodischeren Soundtrack könnte es zu dieser Lebensphase aber gerade auch nicht geben.
Und so hört sich das an:
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Rechte am Albumcover liegen bei Ladies & Ladys.
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