Was ist für die aktuelle Situation der passende Sound? Chillige Hintergrundbeschallung, die sich während des Home-Office abspielen lässt? Nach vorne preschende Banger, die von der Einöde ablenken? Retromucke, die einen permanent das Wort „Damals“ vors innere Auge hervorholt? Kings of Leon zocken nach viereinhalb Jahren Abstinenz wieder in Albumlänge und wirken fast schon tiefenentspannt.
Als man 2008 noch im großen Stile CDs verkaufen konnte, ging die vierte LP „Only by the Night“ der drei Brüder Followill und des gleichnamigen Cousins geschmeidige 7,2 Millionen Mal über die Verkaufstische. Vier Alben und 13 Jahre später hat sich einiges verändert. Beispielsweise sind die Bandmitglieder verheiratet und Daddys. Rock’n’Roll is‘ nich‘ mehr. Wer also endlich wieder „Sex on Fire“ will, guckt auch dieses Mal unbefriedigt (knickknack, Wortwitz) in der Gegend rum.
Das ist aber nicht zwangsläufig schlecht, eben nur mehr leaned-back. Platte Nr. 8 schimpft sich When You See Yourself und ist lupenreiner Classic Rock mit Indie-Nuancen. Gleich mehrere Titel könnten in den bekannten, leicht siffigen Clubs laufen, die es alle nicht mehr gibt.
When You See Yourself ist zurückgefahren und reduziert wie sein Cover. Cremefarbener Hintergrund mit zwei Schattenportraits der Musiker. Ähnlich unaufgeregt ist der Inhalt, sondern einfach sehr clean, verträumt, sphärisch, treibend. Der Longplayer traut sich bei elf Titeln die 50-Minuten-Marke zu knacken. Allen voran zieht Frontmann Calebs Stimme weiterhin alle Register und hat einfach dermaßen viel Laszivität und Coolness, dass das gar nicht komplett gegen die Wand fahren kann. Smoothe Nummern wie „A Wave“ oder das schon fast countryartige „Claire & Eddie“ schmeicheln sich liebevoll ins Öhrchen.
Und trotzdem darf das mal mehr wumsen. Der Aufbau verlockt und steigert oftmals Erwartungen – und dann ist irgendwie mehr Luft als Sturm („Time In Disguise“, „The Bandit“), auch wenn die Hooks auf Melodielinie immer gut klingen. Aufstehen, warm grooven, in Ekstase… stehen! Ach, wie gerne möchten wir doch mal wieder richtig abgehen können.
Kings of Leon machen 2021 immer noch überdurchschnittlich gute Songs, die Bilder erzeugen und an melancholischen Lagerfeuerabenden super zünden können. Aber irgendwie fühlt sich das sehr nach dem gegenwärtigen Lockdown an: Oh, jetzt geht’s wieder los – ach nee, doch noch nicht. Solange trantüten wir halt mit Calebs sexy Organ und den anderen Jungs an ihren Instrumenten in unserer Butze rum. Kann ja noch ‘ne Weile dauern. Bis zum nächsten Festival haben die Guys aus Tennessee dann auch wieder einen Knaller am Start und genug gekuschelt.
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