Hätten die Leoniden weniger Bock auf Pop und mehr Interesse an Math-Rock und Experiment gehabt, es wären wohl ähnlich verrückte Ideen aufgekommen, wie sie sich auf dem nun behandelten Werk auffinden lassen. Hatten die Kieler aber nicht. Brutale Math-Core-Ausbrüche, kunterbunte Videospielsoundtracksequenzen, tanzbare Beats, abgedrehte Keyboard-, Gitarren- und Bass-Sounds – die drei jungen Männer aus Leipzig, die zusammen Lingua Nada ergeben, lassen sich nur schwerlich kategorisieren und fühlen sich damit scheinbar sehr wohl.
Die Ursprünge
In den 1990er-Jahren wird Adam Lenox jr. als Sohn einer Marokkanerin und eines Amerikaners in Paris geboren. Anderthalb Dekaden später zieht er gemeinsam mit seiner Mutter nach Deutschland, kommt mit der Punk- und DIY-Szene in Berührung. Damals ist er 16 Jahre jung. Er beginnt unter den Synonym Goodbye Ally Airships Musik zu schreiben. Aus diesen ersten musikalischen Gehversuchen evolviert im Zeitverlauf das Projekt Lingua Nada. Im Jahr 2018 veröffentlicht das damals-Quartett sein Debütalbum „Snuff“, einen wilden Math-Rock-Trip. Knapp anderthalb Jahre später erscheint nun dessen Nachfolger „Djinn“, der unter neuer Bandbesetzung entsteht und sich mehr für Einflüsse der nordafrikanischen Kultur öffnet. Für ihre Musikvideos reist das nun-Trio nach Marokko, in die Heimat der Mutter des Sängers und Gitarristen. Die Ergebnisse könnten audiovisuell nicht abgedrehter und transzendentaler sein.
Sounds aus einer anderen Welt
Fast 50 Minuten lang reißen Lingua Nada einen mit „Djinn“ in ihren ganz eigenen LSD-Trip und geben eine eindrucksvolle Lehrstunde in „diese verrückten Sounds kann man mit einer Gitarre generieren“. Vielfach sind die Töne, die man hört, gar nicht mehr als die eines Saiteninstruments zu erkennen, so entfremdet klingen sie. Ein Besuch eines der energetischen Konzerte der Band gibt Aufschluss: vieles spielen die Herren wirklich auf ihren Sechs- oder Vier-Saitern. Vom abgedrehten Hauptmotiv der Vorabsingle „Habiba“ über die spacigen Tremolo-Effekten in „Salam Cyber“ bis hin zu dem schrägen Gitarren-Loop im tanzbaren „Taxiheim“, ungewöhnliche Gitarrenspielereien gibt es unzählige.
Immer wieder greifen die drei Musiker in der Live-Situation jedoch auch zu komplexen Synthie- und Loop-Konstruktionen. So auch im Opener „Proto“ oder dem eingängigen „Yalla Yalla“. Das trägt das drittwichtigste Jugendwort des Jahres 2012 in seinem Titel – ja, das ist ein wichtiger Fakt – und hat mit seinen klebrigen Synthie-Melodien und zuckeligem Dance-Beat deutlich Hit-Potential.
Die Macht der Dynamik
„Dweeb Weed“ steht hingegen repräsentativ für den flotten Wechsel zwischen treibenden oder leichtfüßigen Tanzpassagen und sperrigeren Momenten, die Lingua Nada immer wieder einbauen. Gibt sich der fünfminütige Track in den Strophen poppig und seicht, so knarzt er im Refrain- und Schluss-Part umso mehr nach vorne. Auch der Titeltrack bricht wie aus dem Nichts urplötzlich aus, fegt jegliche Körperöffnungen frei und legt mit seinen rhythmischen Entgleitungen das Grundmotiv für die verstellten Strophen des nachfolgenden „Ex Colonialist Super Machine”.
Die verrückten Dynamik-Spielchen, die aberwitzigen Sound-Experimente, der Hang zum Unkonventionellen und die dennoch so melodiöse Stimme des Kopfes hinter dem Projekt – all das macht „Djinn“ zu einem der spannendsten Releases der deutschen DIY-Szene. Das Album ist schräg, eingängig, bereitet gute Laune und ruft den Wunsch hervor auf einer Tanzfläche seine Glieder bis zur Unkenntlichkeit im Tanz zu verknoten. Wenn das nicht Mal verlockend klingt!
Das Album “Djinn” kannst du dir hier kaufen.*
Hier ein kleiner Lesetipp bei den Kollegen von Bierschinken.
Und so hört sich das an:
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Lingua Nada live 2019:
24/09 – Dresden (DE) // Scheune
25/09 – Vienna (AT) // Krammladen
26/09 – Ljubljana (SV) // Channel Zero
27/09 – Kamnik (SV) // Kotlovinca
28/09 – Bratislava (SK) // Kulturak
29/09 – Graz (AT) // Musikhaus
01/10 – Pforzheim (DE) // LAF
02/10 – Cologne (DE) // Audio Kalk
04/10 – Paris (FR) // Esspace
06/10 – Nantes (FR) // La Lune Foide
08/10 – Tours (FR) // Le Canadian
09/10 – Bordeaux (FR) // L’Antdote
10/10 – Marseille (FR) // Molotow
11/10 – Lyon (FR) // La Famer
13/10 – Cunlhat (FR) // L’Octupus
16/10 – Innsbruck (AT) // PMK
17/10 – Basel (CH) // Renée
18/10 – Freiburg (DE) // Mouton Nor
19/10 – Würzburg (DE) // Cairo
22/10 – Luxembourg (LX) // Rocas
24/10 – Bristol (UK) // Earth
25/10 – London (UK) // TBA
26/10 – Darwen (UK) // Sunbird Records
27/10 – Nottingham (UK) // Hockley Hustle Fest
28/10 – Lincoln (UK) // Akedo
29/10 – Glasgow (UK) // Nice n Sleazy
30/10 – Leeds (UK) // Chunk
31/10 – Portsmouth (UK) // The Loft
02/11 – Plymouth (UK) // Underground
03/11 – Dunkerke (FR) // Kalvaire
23/11 – Rosswein (DE) // JUZ
29/11 – Strasbourg (FR) // La Maison Bleu
30/11 – Leipzig (DE) // Schauspiel
Die Rechte für das Cover liegen bei Mechanik.
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