Manchmal trügt der äußere Schein. Meg Myers nennt ihr zweites Album “Take Me To The Disco” und da die meisten vermutlich noch nie von der Musikerin gehört haben, erliegen sie dem Trugschluss, dass einen hier ein poppiges Werk zum Tanzen erwartet. Auch das Albumcover stiftet eher Verwirrung, wirkt es doch vielmehr wie ein Album aus den 90ern von Alanis Morissette und überhaupt nicht wie ein tieftraurige Indie-Werk, das einen jetzt aber überfluten wird.
Schon der Opener, der gleichzeitig als Titeltrack fungiert, räumt mit den ersten Vorurteilen auf. Anstatt von Dance-Rhythmen erwarten einen Klaviertöne, an die Stelle von einem einprägsamen Refrain tritt ein verhuschter Song, in dem Myers zwar darum bittet, in die Disco gebracht zu werden, dabei aber eher nach einsamen Abend vorm TV klingt. Ganz so verhuscht bleibt es aber nicht, denn einer der stärksten Songs des Albums folgt mit “Numb” direkt. Im stimmigen Video klagt Myers das Leben in einer Leistungsgesellschaft an und vermittelt mit einem herrlich direkten Alternative-Sound das Gefühl des Abstumpfens. Vom anklagenden Sound wird man mit “Tourniquet” direkt zurück in die sanfteren Gefilde zwischen Klavier und Akustik-Gitarre geworfen und verursacht ein unwohles Bauchgefühl, denn Myers klingt hier niedergeschlagener als die größten Emo-Künstler*innen zusammen. Gerade will man sich schon in eine Ecke verkriechen, als “Tear Me To Pieces” beginnt und einen mit elektronischen Beats und einer Menge Gitarre wieder auf die Beine reißt. In der letzten Bridge rutscht Myers’ Stimme in einen Schrei-Ton, nur um im nächsten Moment mit sachter Kopfstimme und Klaviertönen noch ein Mal ruhig zu werden – die Zerrissenheit, die das gesamte Album durchzieht, wird hier in einem einzigen Song angedeutet. Auch “Jealous Sea” will sich nicht verstecken und analysiert vor einem wummernden Beat die Eifersucht Myers’, “The Death Of Me” hinterfragt in einem Duett mit einem männlichen Counterpart eine Liebesbeziehung. Überhaupt ist das Thema von Liebe und Beziehung allzeit präsent, was vielleicht etwas eindimensional wirkt, aber durch die facettenreichen und vor allen Dingen unglaublich bewegenden Songs stets überzeugend und erfrischend vorgetragen wird. So kann ein Song ganz zerbrechlich beginnen und urplötzlich schreit Myers nur noch “I’m not Sorry”, Songs können aber auch mit einem kühlen industriellen Sound ausgestattet werden, wie in “Little Black Death”, den Myers beinahe gelangweilt vorträgt.
“Take Me To The Disco” ist also kein Dance-Album, sondern ein Album nur für die Liebe, das allgegenwärtigste Thema überhaupt. Wieso Myers dabei so ein unglaublich bewegendes, zerreißendes, tieftrauriges Album erschaffen hat, wird bei den Konnotationen klar: Liebe als der Tod, Liebe als die Pest, Liebe als eine Beerdigung, Liebe zerreißt Myers innerlich. Und einen selbst gleich mit. Wer von den 12 Songs des Albums nicht genug bekommt, darf gerne zu der Bonus-Version greifen, denn die bietet gleich noch 7 weitere Songs, die die bewegende Stimmung des Albums aufrecht erhalten. Ein Werk, das einen nicht unbedingt in die Disco, aber doch sicherlich in zahlreiche Gefühlslagen katapultiert.
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