Muse – Will Of The People

Cover des neuen Muse-Albums "Will of The People.

Ganz zu Beginn steht ein hymnischer Choral, das titelgebende Mantra bis zur Ekstase wiederholend: The Will Of The People. So tönt es immer wieder aus Boxen und Ohrhörern, dazu kommt ein holpriges Gitarrenriff, Bellamys nasales Falsett. „Will Of The People“ heißt jener Song, er ist das Intro und gleichzeitig der Titeltrack des neuen, neunten Muse-Albums. Das Trio von der großen Insel im Atlantik vertont darauf das wohl dystopischste Szenario überhaupt: Das nahende Ende von Gesellschaft und Welt.

In den vergangenen Monaten bereits bereiste die Band mit einer Handvoll der zehn Stücke europäische Festivals, im Gepäck das brennende Albumlogo, ein Akronym dessen Titels, Feuerfontänen und verspiegelter Maskierung. Düster waren diese Shows und die Band verzichtete zugunsten einiger Fanfavoriten darauf alle ihre größten Hits auszupacken. Das zugehörige Album lässt ähnliche Gewitter am Himmel aufsteigen. Das Narrativ: Wir rasen mit 300 Sachen auf das Ende zu und die Schuld daran tragen Eliten. Reißt die Gesellschaft die Macht nicht wieder an sich, dann kommt es zum ungebremsten Zusammenstoß. Die Aussichten? Wenig vielversprechend. Die Klimakrise, Kriege, Pandemien – oder wie Bellamy im gleichnamigen Stück plastisch resümiert: „We Are Fucking Fucked“.

Doch zurück zu dieser Sache mit den Eliten. Tatsächlich finden einige politikwissenschaftliche Studien, dass Regierungen in westlichen Demokratien vorwiegend die Interessen einer besitzenden, wohlhabenden Schicht durchsetzen. Ist die Band da also etwas Heißem auf der Spur? Wie so oft, ist die Sache komplexer, die Beweislage dann doch weniger eindeutig, andere Studien mit anderen Methoden nämlich finden Gegenteiliges. In der Tendenz jedoch – dafür gibt es ausreichend Belege – können sich Wirtschaftsinteressen leichter durchsetzen als die der arbeitenden Bevölkerung. So tief in die Thematik jedoch steigen Muse nie ein. Das Meiste bleibt wage. So wage, dass es auch durchaus missinterpretiert werden könnte. Besonders zutreffend ist das auf „Liberation“, eine Piano-Hymne aus dem Muse-Lehrbuch. Herunterbrechen lässt sich dessen Text auf auf eine einzige Zeile: „We have plans to take you down“. Dort wird jedoch an keiner Stelle spezifiziert, wer genau nun vom Machtthron gestoßen werden soll – und weshalb eigentlich. Ein potentielles gefundenes Fressen für rechte und verschwörungstheoretische Gruppierungen, auch wenn die Band sich an anderer Stelle eindeutig für die Existenz von Pandemie und Klimakrise positioniert. Das aber findet nicht in ebenjenem Song statt.

Aber wer hört schon Muse wegen der scharfen Gesellschaftsanalysen? Das Trio wurde auch trotz politischer Stücke wie „Uprising“ oder „Psycho“ schon immer mehr als Unterhaltungs- denn als Politband rezipiert, das Drama mehr als Stilmittel denn als Statement verstanden. So sollte auch „Will Of The People“ betrachtet werden, ansonsten läuft man gegen eine Wand. Die Texte nämlich sind nicht nur uneindeutig, sondern auch stumpf. 

Das auf „Will of The People“ vorzufindende Songmaterial jedenfalls ist gut. Statt ihren Sound in neuen Umgebungen zu platzieren, arbeitet die Band sich an sich selbst ab ohne dabei direkt selbstreferenziell zu werden. Zehn Mal typisch Muse ist das daher. Wer schon immer mal wissen wollte wie „Stockholm Syndrome“ klänge wenn er nicht 2003 sondern 2021 geschrieben worden wäre, kann „Kill Or Be Killed“ hören. Wer noch einmal die intensive Mystik der Twilight-Hochphase spüren mag, kann „You Make Me Feel Like It’s Halloween“ anschmeißen. Und wer Lust nach Piano-Bombast à la „Space Dementia“ verspürt, wird mit „Liberation“ geglückt.

Ein paar kleine Ausflüge unternimmt die Band dann aber doch. Weit entfernen sich Bellamy und Co. aber nie vom eigentlichen Weg. „Won’t Stand Down“ zum Beispiel jongliert mit Electronica, Sprechgesang und Metalcore während Riffing und Hook immer Muse-typisch bleiben. „Verona“ wiederum möchte Stranger Things-Soundtrack sein und schichtet dafür 80s-Flächen, die blubbernden Arpeggio-Synthesizer aber sind ebenfalls nicht unbekannt.

Langweilig wird „Will Of The People“ trotz all der bekannten Elemente niemals. Dafür haben Muse ihre Formel über die Jahre zu sehr perfektioniert, dafür sind die Handgriffe zu sicher. Unterhaltung eben können die Briten. Ihr neuntes Album ist daher vor allem eines: Knapp 40 Minuten Unterhaltung für das Stadion, clever zusammengeschustert und mit übermäßigem Drama vorgetragen.

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Und so hört sich das an:

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Muse live 2022:

13.09. – Telekom Street Gig Köln
28.10. – Berlin, Admiralspalast

Die Rechte für das Cover liegen bei Warner Music.

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2 Kommentare zu „Muse – Will Of The People“

  1. Liebe KritikerInnen, von außen kann man schon mal versuchen, objektiv zu sein. Nichtsdestotrotz sind Muse eine fantastische Band, die sowohl musikalisch und auch bezüglich ihrer Texte überzeugen kann. Natürlich gibt es nach etlichen erfolgreichen Jahren Erinnerungen an vorherige Songs. Aber das macht eben erfolgreiche Künstler aus! Genau das wollen die Fans hören. Und die Kritik bezüglich eventuell gewollter politischer Aussagen verbietet sich per se, da die Fans durchaus in der Lage sind, selber zu denken!
    Bettina Nehmer

    1. Hallo Bettina,

      danke für deinen Kommentar!

      Erstmal: Eindrücke sind immer subjektiv. Musik lässt sich gar nicht objektiv beurteilen. Die Kritik muss nur nachvollziehbar sein. Und ich denke das ist sie in dem Fall. Dass die Platte politisch streckenweise uneindeutig ist, ist ein Fakt. Ob man das nun gut oder kritisch findet, obliegt dem*der Betrachter*in. Ich finde es kritisch, du kannst es daher aber eben auch gut finden.

      Liebe Grüße

      Jonas

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