Orchards – Lovecore

Orchards

„Sincerely Overwhelmed“ heißt der Opener des Orchards-Debüts treffenderweise, denn genau so fühlt man sich nach dem ersten Hördurchlauf von „Lovecore“, wenn auch im besten Sinne. Mit ihrem ganz eigenen Stil, zuckrige Refrains á la Pip Blom mit wild zuckenden Riffs zu verbinden, konnte das Quartett aus Brighton immerhin schon vor Release des ersten Langspielers auf sich aufmerksam machen, gerade die „Losers/Lovers“-EP von 2018 setzte ein funkelndes Ausrufezeichen im bunten Indie-Zirkus. Mit dem auf den ersten Blick recht wirschen Oxymoron des Albumtitels lässt sich der eigenwillige Charme dieser Newcomer recht treffend umzäunen: Hier flimmern klassische Coming-of-Age-Thematiken in Hülle und Fülle – und den schönsten Melodien der letzten Monate.

Unter dem unschuldigen Gewand brodelt es

Nicht nur die imposant-unvorhersehbaren musikalischen Muster deuten die immense Reife des Quartetts an, auch die lyrischen Exzesse gehen weit über das 08/15-Geplänkel anderer Genre-Vertrer*innen hinaus. Besonders deutlich wird das im verzerrten Spoken-Word-Stück „Social Sobriety“, das sich dem enormen Social-Media-Druck von Generation Y und Z mit pointierten Feststellungen widmet. Aber auch im reiberischen „Girlfriend“ reckt Lucy Evers ihr Kinn vor und stellt klipp und klar fest: „Don’t make me accountable for your fragile ego / It’s not the way we grow, pretending your actions are okay“. So etwas erwartet man gerade im sommerlichen Beginn des Debüts kaum, wenn „Sooner“ in schimmernden Gitarren und schnalzenden Hi-Hats auf die Tanzfläche lockt oder „Burn Alive“ mit sanftem Swing kokettiert. Doch „Lovecore“ ist kein stagnierendes Sammelsurium einzelner Hits, sondern ein konsequenter Ritt durch den riesigen Soundkosmos der Brit*innen.

Einmal Pop mit ganz vielen Ecken und Kanten, bitte

Dass sich in eben jenem „Girlfriend“ auch eine kleine Post-Punk-Pfütze breit macht, deutet schon an, dass neben den offensichtlich unwiderstehlichen Melodiebögen noch viele andere Schätze in den Tiefen der Orchards warten. Vor allem dank der kompromisslosen Teamarbeit werfen die Songs allesamt eine Münze ins Ohrwurm-Glas. In „Magical Thinking“ wird es auch mal etwas ruhiger, als Will Lee-Lewis aber seine zackigen Polyrhythmen in „Stealing Your Sleep“ heraustrommelt, kräftigt sich die sonst so hohe Stimme von Evers zu einer kräftigen Ansage, die ihr Versprechen vor allem im Trio aus „Vacancy“, „Give Me“ und „Luv You 2“ einlöst. Hier gibt es die volle Ladung: Versetzte Gesangsmuster, düstere Beats und am Ende gar einen losgelösten „Dö-Dö-Dö“-Refrain. Die Clubs der anstehenden Europa-Tour werden hier mit ziemlicher Sicherheit vollends eskalieren.

Mit all den Vorschusslorbeeren im Gepäck, konnten die Orchards sich auf eine ziemlich hohen Erwartungshaltung einstellen. Diese haben sie auf den ersten Blick mit links geschafft, doch bei genauerer Betrachtung fällt auf: Hinter der unkomplizierten Eingängigkeit, stülpen sich noch etliche Ebenen hervor, die bei jedem weiteren Hördurchlauf an Form und Farbe hinzugewinnen. Garniert wird dieses Melodie-Feuerwerk mit der Extra Portion Charme und Liebe. „Lovecore“ eben. Gerne mehr davon!

Das Album „Lovecore“ kannst du hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Orchards live 2020:

  • 16.04. Blue Shell, Köln
  • 17.04. Cassiopeia, Berlin
  • 18.04. Molotow Skybar, Hamburg

Rechte am Albumcover liegen bei Big Scary Monsters.

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