Mag 2020 in fast allen Belangen kein gutes Jahr sein, so liefert es doch immerhin für Queerfeminst*innen einen wahnsinnig reichen Fundus an guter Gitarrenmusik: Alleine im Sommer lieferten Dream Nails und Dream Wife zwei Alben, die dem Patriarchat erstmal schön zwischen die Beine treten. Nun lassen auch noch die Pillow Queens das Debüt “In Waiting” in die Welt, auf das Eingeweihte schon lange warten. Mag die grundsätzliche Haltung des irischen Quartetts durchaus mit den beiden zuvor erwähnten Bands übereinstimmen, ist die Waffe doch eine andere. Denn ganz dem passiven Albumtitel “In Waiting” entsprechend übt sich die Platte in einer gewissen Grundmelancholie, deren raue Oberfläche jedoch den Lärm der Straße integriert.
Hochexplosiv – ja, Hochglanz – nein
Seit der Bandgründung 2016 haben sich die Pillow Queens den kompromisslosen Kampf für queere Personen und Randgruppen auf die Fahnen geschrieben. Dass “In Waiting” nun unter anderem dem Kampf um neue, sichere Wohnräume für ebenjene Gruppen eine Bühne bietet (“A Dog’s Life”) überrascht im Kontext ihres Schaffens somit eher weniger. Doch auf rein musikalischer Ebene überraschen die subersiven Texte dann doch, zeigt sich der recht Moll-lastige Sound nur selten kratzbürstig. Die große Ausnahme spielt hier “Gay Girls”, die große Hymne, mit der sich das Quartett schon eine gewisse Fanbase aufbauen durfte. Gerade der große, energetische Kollektivruf gegen Ende hebt die besungene Maria als Leitbild für weibliche, queere Sexualität hervor, und setzt so ein ziemlich starkes Zeichen. Auch wenn sich das Album durchaus an knirschende Riffs (“Liffey”) und treibende Strukturen (“howdoIlook” – Anspieltipp!) herantraut, pinselt sich die Grundstimmung in warmen Herbstfarben an.
Gemeinsam sind sie stark
Wer so radikal für die eigenen Werte einsteht, predigt natürlich keinen Alleingang, sondern den kollektiven Kampfgeist. Dieser ist im dreistimmigen Gesang durch Pamela Connolly, Rachel Lyons und Cathy McGuinness ohnehin sehr zielgerechtet vertreten, ummantelt mal pastellfarbene Nebelschwaden, stapft aber auch mal lauter auf den Boden. Aber auch instrumental spielt sich das Quartett die Bälle zu, besonders anschaulich wenn Lyons mit ihrem akzentuiertem High-Hat-Einsatz eine weite Fläche für die drängen Gitarren von Connolly, Corcoran und McGuiness schafft (“Handsome Wife”). Aber auch die behutsame, intensive Art des Storytellings, die Songs wie “Brothers” innewohnt, eröffnet eine spannende Ebene. Hier geht es um die ausgewählte Familie und wie mit dem Tod der Liebsten umgegangen werden kann, aber eben auch darum, wie wichtig der “Carpe Diem”-Gedanke gerade für queere Communities sein kann.
Ganz so dringlich mag der Indie-Entwurf der Pillow Queens auf den ersten Blick vielleicht gar nicht wirken, doch ihr stimmiges Gesamtbild aus ungeschönten Riffs, dezenten Melodiebögen und bewussten Inhalten ist am Ende ungemein fesselnd. Dieses Jahr läuft es einfach mit queerfeministischen Alben!
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