2020 ein zwischen Blues – und Alternativerock schwebendes Debütalbum zu veröffentlichen, muss man sich in Deutschland auch erstmal trauen. Die aus St. Pauli stammende Band Ripe & Ruin ist sich dieser doch eher mäßig angesagten Strömung durchaus bewusst. Den hohen Preis der Aufopferung für so ein aufwendiges Bandprojekt zahlen die drei aber gerne, daran konnten auch das Schrumpfen vom Quintett zum Trio nichts ändern. Das selbstbewusst titulierte “Everything For Nothing” geht mit klassischer Schwarz-Weiß-Optik und stilbewussten Arrangements auf Spurensuche nach den großen Acts des Genres. Fragt sich nur eins: Finden die Hamburger bei all den Zitaten auch eine eigene Stimme?
Genre-Querschnitt mit Überraschungen
„Da gehen schon mal schnell sechs, sieben Proben für das Arrangement eines einzigen Songs drauf,” so Bassist Gordon über die sehr klassische Band-Philosophie, dank der sich Ripe & Ruin gegen digitales Hin- und Herschieben und für analoges, gemeinsames Songwriting entschieden haben. Glücklicherweise schafft dieses oftmals doch leere Versprechen auch den Sprung in die Hörmuschel, was zu vielen spanennden Soundsprüngen führt. Der Opener “Drop Your Knife” steigt noch mit modernem Alternative-Sound ein, um dem Refrain stämmigem Bluesrock der Marke Rival Sons zu überlassen, “Greed” huldigt dann mit schleppend, kraftvollen Riffs Royal Blood und Biffy Clyro, mit “It Ain’t Me” wird es dann sogar noch langsamer und wuchtiger, während Foo Fighters und Beatsteaks-Referenzen im Kopf aufleuchten, und in “Bleed Me Out” quengeln sich die Gitarren in ungewohnt verzerrte Sphären nach oben, bis das gemeinsam gesungene finale “Always Wanted More” der Grandezza von Muse nacheifert.
Stumpfe Kopie oder stilvolle Huldigung?
Natürlich gibt es mit “Changing Tides” die obligatorische Ballade mit Backvocals und imposanteren Weiten, aber wenn der Closer “Nothing” dann mit der Erwartungshaltung des typischen, sich langsam aufbauenden Grande Finale bricht, indem die zweite Strophe mal eben in verhuschte Soundeffekte abtaucht anstatt sich in den großen Stadionrock-Gesten zu suhlen, überraschen die Hamburger einen auch zum Schluss noch einmal. Im Endeffekt ist es auch eben das, was Ripe & Ruin zu einer spannenden Erscheinung für den deutschen Bluesrock macht: Ihrer Vorgänger und Vorbilder sind sich die drei so bewusst, dass sich die Referenzen nur so überlappen, aber bei diesem Stilspagat bleibt stets unvorhersehbar, was hinter der nächsten Ecke lauern könnte. Handwerklich ist das Trio somit etlichen Genre-Kollegen schon um Längen voraus, für den größeren Durchbruch bräuchte es dann vielleicht nur noch den einen großen Hit. Aber dafür werden die Hamburger sicherlich auch noch genug Durchhaltevermögen haben.
Und so hört sich das an:
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Ripe & Ruin live 2020:
- 26.02.2020 Lux Club Linden, Hannover
- 27.02.2020 GrooveStation, Dresden
- 28.02.2020 Musik & Frieden, Berlin
- 29.02.2020 Molotow, Hamburg
- 04.03.2020 Tsunami, Köln
- 05.03.2020 Nachtleben, Frankfurt
- 06.03.2020 Clubcann, Stuttgart
- 07.03.2020 Zehner, München
Rechte am Albumcover liegen bei Dock 7 Records / Soulfood / Believe.
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