Immer diese Verwechslungen. Oder habe ich mich verlesen? So oder so: Ich war gedanklich bei Texta. Also bei einem HipHop-Urgestein aus Linz. Aber nun liegt hier ja das neue Werk von Textor vor. Glück im Unglück: Auch wenn es geografisch knapp 400 Kilometer von Linz bis hoch nach Ulm sind, war ich nicht ganz so weit weg. HipHop stimmt, Urgestein stimmt auch, nur bin ich hier eben bei einer Hälfte der Ulmer von Kinderzimmer Productions. Aber wenn ich schon mal dabei bin, bleibe ich doch einfach gleich beim Thema… Denn Textor ist jetzt einfach dran, wie der Album-Opener „Du bist dran“ auf „So tun als ob“ signalisiert. Wobei der Albumtitel schwierig das eigene Schaffen meinen dürfte, denn Textor weiß mit seinem Durchhaltevermögen längst eine ordentliche Portion Können vorzuweisen und beweist dieses auch auf dem neuen Solo-Werk wieder.
Nach dem entspannten Opener „Du bist dran“ mit eingängiger Gesangsstimme und dem Appell „tu es!“, läuft Textor bereits im folgenden „So muss es sein“ zu Hochform auf. Auf einem dezent orientalisch anmutenden Beat präsentiert er simple Wahrheiten wie „es kann nicht gut gehen, was sich nicht bewegt“, arbeitet mit Wortwitz, wenn er beispielsweise behauptet, das Gegenteil von Origami sei die freie Entfaltung, und zeigt mit der Andi Brehme-Referenz (der Fußballgott hab ihn selig) indirekt, wie lange er schon dabei ist: „Was sagt der Philosoph Andi Brehme dazu? Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“, sagt er. Und auch wenn die Zuschreibung zu Brehme zweifelhaft ist, datiert wird das Zitat auf 1996.
Generell ist es oft irgendwie old school, was uns Textor hier präsentiert, wirkt zeitweise in heutiger Zeit seltsam entrückt, aber doch klingt es nicht altbacken und/oder angestaubt. Eher (selbst)referenziell und mit einigen Ehrerweisungen. Ganz groß in der Hinsicht beispielsweise: „Kein Gefühl“, das die Line „da bleib ich kühl, kein Gefühl“ integriert und diese Line aus „Blaue Augen“ (Neonbabies) mit einer groovenden Bass-Hookline untermalt. Und wo wir hier schon bei der Hook sind, so bietet es sich generell an, auch mal zu gucken, wie es sich unter den Lines so gestaltet. Denn: Das ist ebenfalls sehr vielseitig. Seien es die Flöte in „Comment allez-vous“ oder auch die Rock’n’Roll-Anleihen in „Ikuzo“: Hier ist vieles zu entdecken.
Es macht insgesamt eine Menge Spaß, Textor auf „So tun als ob“ zuzuhören, denn er hat spürbar einen Status erreicht, an dem er es nicht mehr nötig hat, jemandem etwas beweisen zu müssen. Und genau diese Freiheit macht das Album zu einem sehr guten!
Und so hört sich das an:
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Textor live 2024:
04.05.2024 Hamburg, Westwerk
31.05.2024 Ulm, Kradhalle
01.06.2024 Ulm, Aegis Café (Lesung)
Rechte am Albumcover liegen bei Groenland Records
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