“Komm, wir gehen auf Tour” versus “Komm wir schmeißen alles hin”: Mit “1/2 Capuccino” haben Kapa Tult genau den Zwiespalt vertont, der viele Indie-Artists nachts nicht schlafen lässt. Diese Anti-Hymne rund um eine Branche, die im Streaming-Zeitalter die Schere zwischen Indie und Major bis zum Zerreißen aufspannt, spielt an diesem Tour-Auftakt eine besondere Rolle: Als Opener des Konzerts feiert das Publikum gemeinsam mit Band und Label die Video-Premiere der Chor-Version der Single. 30 Indie-Künstler*innen von Szene-Acts wie pogendroblem, Faravaz oder Francesco Wilking singen in dieser Aufnahme mit, aber auch ein Special Guest namens Bela B schaut vorbei. Das anschließende Konzert setzt in Hannah Montana-Manier das Spotlight auf diese Subkultur: Es gibt das ‘Best of Both Worlds’ von Mainstage-tauglichem Sound und Indie-Spielfreude.
“Menschen, denen es gut geht”
Dieser Clash zeigt sich auf vielen Ebenen: Kapa Tult wirken gleichzeitig sympathisch schüchtern, aber auch komplett lässig. Die Songs können sowohl Schrammel-Riffs und Lärm als auch fette Harmonie-Schichten – und Jazz-Zwischenspiele (sic!). Und dann ist neben denen von der Band breit grinsend kommentierten Liebesliedern auch Platz für zahllose andere, wichtige Themen. Und das alles immer mit einem leichten Hang zur Absurdität. Was sich schon auf Platte beim Debüt “Es schmeckt nicht” andeutete, löst dieser Abend ein: Kapa Tult sind die beste Besetzung für den Herz-Platz zwischen Wir sind Helden und Blond.
Gemeinsam für mehr Lecktücher protestieren (“Leck mich”), toxische Körperideale in den Boden stampfen (“Michelle Obama”) oder all die Widrigkeiten des Datings beklagen – im Publikum sind nach diesem Auftritt auf jeden Fall deutlich mehr “Menschen, denen es gut geht” als vorher. Mitgrölen & Tanzen geht hier (fast) durchgehend, egal wie absurd die Texte, egal wie ungewöhnlich das Setting (“Straßenbahn”). Dazu gibt es sympathische Ansagen, einen überraschend großen Sound und noch ein paar Überraschungen.
Hits+
Wo sich andere Bands (looking at you, 90% der Major Artists) mit dem stumpfen Abgrasen der eigenen Höhepunkte der Streamingdienste zufriedengeben, schmeißen Kapa Tult mit Extras noch mehr um sich als das Happy Meal. Dazu gehören an diesem Abend:
- Ein Remix aus “Ich hab einen Freund, den ich von einer Party kenn” + “Karstadtdetektiv” von Team Scheisse
- Ein Haiyti-Cover von “Runter von der Straße”
- 3 neue Songs, die den Hype aufs nächste Album verzehnfachen
- eine spontane Performance einer deutschen Courtney-Barnett-Übersetzung
- Latin-Beats zum Zwischenspiel
- ein Querflöten-Solo
- Die Ankündigung, dass alle Einnahmen von “1/2 Capuccino – Chorversion” an Indie-Artists gespendet werden (für diese Aktion auch ein Shoutout ans Lieblingslabel Ladies & Ladys!)
Knapp 90 Minuten spielen Kapa Tult dieses Fest ihrer jungen Karriere und lassen bei all den prekären Gegebenheiten vor allem einen Abschlussgedanken über: Gut, dass diese vier sich für die Tour und gegens Hinschmeißen entschieden haben. Hoffentlich nicht zum letzten Mal.
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Instagram
Kapa Tult live 2024
- 07.04. Jaki Köln
- 09.04. Soho Stage Augsburg
- 10.04. MUZclub Nürnberg
- 11.04. Elipamanoke Leipzig
- 12.04. Neuneinhalb Bayreuth
- 08.06. Alte Rollschuhbahn Bad Lausick
Beitragsbild von Julia.
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