Sie ist wieder da! Die Band mit den kryptischen Album- und Songtiteln, den vertrackten chaotischen Tracks, die Metal, Rock, Math und Indie miteinander zu einer einzigartigen Mischung vereinen und den drei Wirbelwinden, die sich während ihrer Auftritte die Finger nur so verbiegen, gleichzeitig aber über die Bühne fegen. Die Rede ist von The Hirsch Effekt, dem Trio aus Hannover, das immer auf Tour zu sein scheint und dennoch immer wieder in recht kurzen Abständen grandiose Alben veröffentlicht. Auch dieses mal konnten sich die drei Jungs nicht davon abhalten lassen im letzten Jahr trotz vieler Show ihren vierten Langspieler, den Nachfolger der „Holon“-Trilogie, aufzunehmen. Dieser hört auf den Namen „Eskapist“.
Ein „Eskapist“ ist ein Mensch, der immer wieder versucht aus der Realität zu entfliehen. Das Ergebnis dieses Aufnahmeprozesses ist tatsächlich – zumindest musikalisch – sehr weit von der wirklichen Welt entfernt, erkundet fast sekündlich neue Gefilde und wechselt seine Stimmung. Auf musikalischer Seite leben The Hirsch Effekt hier ihre Extreme aus. Die melodiösen Parts sind noch stimmiger ohne jeweils den kleinen verspielten Twist, der die Band so ausmacht, zu vergessen, und die harten metallastigeren Passagen sind noch heftiger, chaotischer, genialer.
Vor allem an den vielen eingängigen Refrains, die das Werk zu entdecken bereithält, hat man gefeilt. Man merkt, wie viel Arbeit vor allem dort in jedes Wort geflossen ist. Zum Mitsingen wird es auf den kommenden Konzerten der Band in jedem Fall genug Material geben. Doch keine Sorge – die eingängigen Refrains sind perfekt in das restliche Chaos eingebettet und wirken keinesfalls fehl am Platz. Man stelle sich die Alpen vor. Im Gebirge herrsche ein Schnee- und Hagelsturm, der alles zuvor erlebte übertrifft, während im Tal strahlender Sonnenschein herrsche, der die Weiden in prachtvollem Grün erscheinen lässt und im Hintergrund mit dem prasselnden Regen auf den Bergen einen Regenbogen abbildet. Immer wieder gleiten The Hirsch Effekt als fiktiver Erzähler von den Bergen, auf denen man nur so vom Wind hin und her gerissen wird, hinab ins Tal, lassen den Hörer einen kurzen Blick auf die wunderschöne Landschaft erhaschen, um dann wieder fix in einer stürmischen Windböhe zu verschwinden. Verrückt, was die Band so mit einem anstellt.
Ansonsten bietet das vierte Album der Hannoveraner im Hinblick auf die Lyrics für die Band ungewöhnlich gesellschaftskritische Texte, die wie gewohnt mal verspielt und mal sehr direkt rüberkommen. So heißt es im vierzehnminütigen Metal-Monster „Lysios“: „Kennen sie das nicht auch? Das Wochenende steht vor der Tür und sie haben nichts vor. Dann laden sie sich doch ein paar Freunde ein – oder auch nicht – und machen sie es sich mit ein paar Flaschen alter Weidmanns Vorsteher so richtig muckelig. Legen auch sie sich, wie etwa 74000 weitere deutsche Alkoholtote jedes Jahr, zurück und machen sie sich Gedanken über die wahren Gefahren in diesem Land, wie die Burka, den Veggie-Day und die Homo-Ehe. Ja, alter Weidmanns Vorsteher – es schmeckt überhaupt nicht, aber es gehört einfach dazu!“ Treffender könnte man den Humor, den das Trio auf „Eskapist“ mit der vielschichtigen Gesellschaftskritik vereint, nicht zusammenfassen.
The Hirsch Effekt zeigen auf ihrem neuesten Geniestreich, warum sie in der Progressive-Metal-Szene so gefragt sind und vereinen all ihre Stärken – Lyrik, komplexes Songwriting, Melodie – zu einer geballten Stunde Power, in der man sich sehr leicht verlieren kann. So schnell kommt man hier nicht mehr raus und das ist auch gut so.
Und so hört das sich an:
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The Hirsch Effekt live 2017:
Festivals:
14.09. Rostock – MAU Club
15.09. Kummerfeld – Ackerfestival
01.10. Köln – Euroblast
ESKAPIST Tour:
12.10. Kiel -Schaubude
13.10. Lübeck – Treibsand
14.10. Göttingen – Exil
17.10. Berlin – Nuke
18.10. Dresden – Scheune
19.10. Jena – Rosenkeller
20.10. Leipzig – Felsenkeller
21.10. Marburg – KFZ
25.10. Weinheim – Cafe Central
26.10. Karlsruhe – Jubez
27.10. Frankfurt – Das Bett
28.10. Stuttgart – Goldmarx
29.10. Lindau – Club Vaudeville
30.10. Augsburg – Soho Stage
31.10. München – Backstage Club
02.11. Wien – Viper Room (AT)
03.11. Freiburg – Crash
04.11. St. Gallen – Grabenhalle (CH)
06.11. Ulm – Club Schilli
07.11. Nürnberg – Z-Bau
08.11. Mainz – Schon Schön
09.11. Hannover – Musikzentrum
10.11. Bremen – Lagerhaus
11.11. Hamburg – Molotow
07.12. Aachen – Musikbunker
08.12. Emden – Alte Post
09.12. Salzwedel – Hanseat
14.12. Oberhausen – Druckluft
15.12. Moers – Bollwerk
16.12. Köln – MTC
Die Rechte für das Cover liegen bei Long Branch Records.
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