Musik ist Kunst ist Kultur. The National gelten schon lange als eine der zentralsten Figuren der anspruchsvollen Indie-Rock-Szene. Mit ihrem neuesten Vorhaben rund um das Album “I Am Easy To Find” begeben sich die US-Amerikaner um Frontmann Matt Berninger sogar direkt auf die nächste Kreativitätsstufe. Für das Mammutprojekt arbeitete die Band mit Regisseur Mike Mills zusammen, der dem Album ein visuelles Meisterwerk mit der renommierten Schauspielerin Alicia Vikander an die Seite stellt. Auch wenn das Zusammenspiel der beiden Komponenten für einzigartige Momente sorgt, kann das Album auch ohne Video in vollen Zügen genossen werden. Beginnen wir also die Reise in den neuen 68-minütigen Kosmos von “I Am Easy To Find”.
Kaum erklingen die ersten vertrackten Rhythmen von Schlagzeuger Bryan Devendorf und die ersten Worte aus Berningers tiefem Timbre, spürt man den unnachgiebigen Sog, den nur ein The National-Album auslösen kann. Sanft, aber dennoch bestimmt kündigt sich dann aber eine besondere Finte des Albums an: Gail Ann Dorsey , lange Zeit Mitglied in der Band von David Bowie, übernimmt den Gesang und ist für diesen Song kongeniale Gesangspartnerin von Berninger. Ein Clou, den das Album mit weiteren weiblichen Beiträgen fortführt: Sowohl Lisa Hannigan als auch die renommierte Sharon Van Etten oder Mina Tindle und Kate Stables von This Is The Kit erweitern den bekannten The National-Sound um eine weibliche Komponente. Andere Standpunkte wolle die Band in ihren Sound einbauen – und genau durch Kunstgriffe wie diesen kann das Album in seiner beachtlichen Länge fesseln.
The National-Songs sind nie überladen oder opulent, aber dennoch geschmackvoll gesprenkelt mit Streichern, mit sanften Klavier-Figuren, mit Marsch-Trommeln. So wirkt die Hymne über das Verlassen sein “Quiet Light” erst durch die geschichteten Ebenen der Melancholie wie die universale Vertonung von Liebeskummer; “Oblivions” kann mit der ängstlichen Frage “You won’t walk away, won’t you?” genau hingegen deswegen Gänsehaut auslösen, weil hier bewusst auf Beats verzichtet wird; die Spoken-Word-Parts von “The Pull Of You” wirken indes, als wären sie einem authentischen Gespräch zwischen zwei Liebhabern entnommen und gehen daher direkt unter die Haut – Songwriting der gewohnten höchsten Meisterklasse.
Der Titelsong steht in seiner Schlichtheit auf den ersten Blick unscheinbar in der Albummitte und ist der vertonte Inbegriff bedingungsloser Liebe: “I’m still in the place where you left me, I am easy to find”. Immer wieder bestimmt, die Streicher und Chöre wissen es genau so wie das lyrische Ich: Von diesem Gefühl gibt es einfach kein Entrinnen. Liebe also, das meiste besungenste Thema überhaupt wird über weitere Strecken des Albums zentral. Unter die Haut gehen die Stücke dank der bemerkenswerten Instrumentierung, dank den hingebungsvollen, zarten Gesangsmomenten, dank der universellen Melodien. “Where is her head” beispielsweise beginnt als hüpfender Indie-Schunkler, in dem Berningers lyrisches Ich verzweifelt nach seiner Angebeteten sucht, bis sich der Song dank des immer präsenteren Beats gegen ihn wendet und seine Hilflosigkeit untermalt. “Not in Kansas” hingegen thematisiert die Suche nach dem eigenen sicheren Zuhause, das aber so nicht mehr existiert – und übt nebenbei Kritik an Religion. Als einzigen Ausweg aus der eigenen Misere sieht das lyrische Ich schließlich, die Spezies zu wechseln: Das Menschsein als Zustand mit Sackgasse.
Mit “I Am Easy To Find” haben The National eine Oase geschaffen; ein elegisches Manifest des Verliebens und Verlassens, über die Erfüllung durch andere und die Grenzen der eigenen Person; ein Werk, in das man sich zu gerne fallen lassen möchte, wenn die eigenen Unzulänglichkeiten plötzlich so allumfassend und universal wirken, dass man sich umschlossen und umarmt fühlt. 68 Minuten lang wird dann alles gut. Und das schafft ohne Frage nur Kunst der höchsten Qualität.
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Und so hört sich das an:
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The National live 2019:
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- 26.11.2019 Columbiahalle, Berlin
- 27.11.2019 Columbiahalle, Berlin
- 01.12.2019 Ruhrcongress, Bochum
- 02.12.2019 Palladium, Köln
- 04.12.2019 Zenith, München
- 05.12.2019 Porsche-Arena, Stuttgart
Rechte am Albumcover liegen bei 4AD.
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