Powerbank, Powercell, Power Metal. Zwischen diesen Begriffen scheint sich der zwischen Melancholie, Pop-Affinität und großen Gesten schwankende Indie-Rock von Twin Atlantic auf den ersten Blick nicht ganz wohl zu fühlen. Dabei ging es den Schotten doch vor allem um eins: Empowerment. Unter diesem Vorsatz haben sich die Indie-Lieblinge nämlich an den Songwriting-Prozess ihres immerhin schon fünften Albums gesetzt: Keine Vorgaben von außen, keine Produzent*innen, die großartig am Sound herumpfuschen, stattdessen eine Menge Experimente und Freiheit. Viel zu oft ist diese angebliche künstlerische Freiheit jedoch zu einer leeren Worthülse verkommen, wenn Bands ihrem eigenen Anspruch hörbar nicht wirklich nachgekommen sind. Wie steht dieser Fünftling also im Vergleich zu den zwischen Pop und Rock (Rezension zum bisher aktuellen “GLA” hier) schwankenden Vorgängern? Wie groß ist die Experimentierfreude beim Glasgower Trio ausgefallen? Wie ist es dabei um den Hörspaß bestellt? Und: Darf man acht Songs schon als Album verkaufen?
Gemischte Tüte ohne Lakritz, bitte!
Um genau zu sein, sind es sogar nur sieben “richtige” Songs. Zumindest wenn man Sam McTrustys ikonischen Gesang als wichtigen Bestandteil des Sounds sehen möchte. Mit dem knackigen Interlude “Mount Bungo” und der von fluoreszierenden Synthies überlagerten Klavierlandschaft “Asynchronous” haben sich gleich zwei Stücke auf das ohnehin schon recht kurze Album geschlichen, die ohne dessen Gesang auskommen. Ein mutiger Schritt, der jeglichen Ausverkaufsvorwurf im Keim erstickt. Ansonsten lässt sich das Album ziemlich stringent in drei Phasen unterteilen, was dem losen Experimentierrahmen durchaus Berechtigung gibt.
Konzept ohne engen Rahmen
Lupenreinen Twin-Atlantic-Sound gibt es mit “Barcelona” und “Novocaine” zwei Mal, wenn sich hier Gitarren in klassischer Indierock-Manier in die Mitte des Hörgangs schieben, damit der Refrain schließlich tanzbar aufbricht und schnell hängen bleibt. Gerahmt werden diese Ohrwürmer vom Opener “Oh Euphoria”, in dem sich McTrusty mit ungewohnt lässiger Kopfstimme vor einer 80’s-Kulisse als Stil-Chamäleon entpuppt, und dessen düsterem Zwilling “I Feel it Too”, in dem sich repititive Synthies zu einem starkem Sog entwickeln. Hat da jemand Post-Punk gesagt? Für die großen Stilsprünge hat das Trio aber die letzten Plätze reserviert. “Volcaon” tupft seine Klavierakkorde über einen treibenden Bass, bis sich der Refrain mit Chören in Panic-At-The-Disco-würdige Stadionmomente aufbläst. “Messiah” setzt verhallenden Gesang vor einen schleppend arhythmischen Takt, der von einem gedrückten “Messiah”-Spruch zersetzt wird. Und “Praise Me” treibt “Hallelujah”-Gesänge in das imposante Finale eines Albums, das diesen Titel vielleicht in Punkto Länge nicht zwingend verdient hat. Aber dass die “Power” im Titel vom künstlerischen “Empowerment” stammen soll, das kann man Twin Atlantic nach diesen überzeugenden Facetten allemal abkaufen. Demnächst aber dann auch gerne wieder etwas länger.
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