Best Of „Eurovision Song Contest“: 22 grandiose Songs aus dem vergangenen Jahrzehnt, um den diesjährigen Ausfall zu überbrücken

Ein historisches wie trauriges Ereignis: erstmalig in 65 Ausgaben Eurovision Song Contest muss der größte Musikwettbewerb der Welt ausfallen. Ja, auch davor machte Corona nicht halt. Laut aktuellen Plänen soll die Show, die am 16.05. stattgefunden hätte, nächstes Jahr in der gleichen Stadt – Rotterdam – nachgeholt werden.
Um die Zeit zu überbrücken, versüßen wir euch trotzdem die finale ESC-Woche mit einigen Specials und starten heute mit einem Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt. 2010 gewann Lena den Wettbewerb und holte den Pokal zum zweiten Mal nach Deutschland. Außerdem gab es gleich zwei Gewinne für Schweden (2012/2015), erstmalig Gewinne für Aserbaidschan (2011) und Portugal (2017), sowie wiederholte Siege für Dänemark (2013), Österreich (2014), die Ukraine (2016), Israel (2018) und die Niederlande (2019). 410 Titel sind in den zehn Jahren angetreten – wir haben für euch die 22 besten ausgesucht und geranked! Darunter sind auch einige dabei, die für uns zur absoluten Spitzenklasse gehören, es aber nicht mal ins große Finale schafften… viel Spaß beim Wieder- und Neuentdecken in unserer hübschen Retrospektive.

22. „Toy“, Netta, Israel 2018, 1. Platz im Finale:

Eine feministische Hymne, die sich aus einem Dance-Beat, japanischen Klängen, Effekten einer Loopstation und abgedrehten Chicken-Sounds zusammensetzte – das konnte nur einen Sieg versprechen. Das hatten wir vorab im Gefühl und bestätigte sich letztendlich auch. Netta hat mit ihrem „Toy“ die Zuschauer zwar ziemlich gespalten, aber die Mehrheit dann doch in ihren Bann ziehen können. Faszinierend-schräg!

21. „Allez Ola Olé“, Jessy Matador, Frankreich 2010, 12. Platz im Finale:

2010 fand in Südafrika die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Kurz vorher gab es schon den inoffiziellen Song dazu beim ESC. Mit „Allez Ola Olé“ setzte Frankreich zwar weiterhin traditionell auf Landessprache, brachte aber im Sound dafür absolute Partystimmung fürs Public Viewing. Das hört man so selten beim Wettbewerb und bleibt deswegen in gut-gelaunter Erinnerung.

20. „Occidentali’s Karma“, Francesco Gabbani, Italien 2017, 6. Platz im Finale:

Italien hatte wochenlang vorab bei den Wettbüros den Sieg in der Tasche – umso erstaunlicher, dass es am Ende nur für den 6. Platz reichte. Irgendwie hatten sich viele Fans wohl schon vorab satt gehört, Francesco Gabbani ging nach unzähligen Auftritten die Puste aus und die Zuschauer entschieden sich beim Abstimmen für die fragile Performance aus Portugal. Trotzdem bleibt der ohrwurmartige Song mit der witzigen und coolen Gorilla-Choreo im Kopf.

19. „In A Moment Like This“, Chanée & N’Evergreen, Dänemark 2010, 4. Platz im Finale:

Theatralischer Power-Pop, den es so nur beim Eurovision gibt. Das ist berechenbar und wenig originell, aber dafür einfach mitreißend-gut. Viel mehr braucht dazu nicht gesagt werden.

18. „Tonight Again“, Guy Sebastian, Australien 2015, 5. Platz im Finale:

Zum 60. Jubiläum gab es für Australien die Möglichkeit, am Wettbewerb teilzunehmen. Ein Land, das seit Ewigkeiten eine treue ESC-Gemeinde vorweisen konnte. 2015 hieß das Motto „Building Bridges“, also wurde eine besonders weite Brücke bis nach Australien gebaut und ein positives Zeichen für die Globalisierung gesetzt. Australien ist als Kandidat im Wettbewerb geblieben, nur die Qualität, die der Debütant Guy Sebastian vorlegte, konnte bisher nicht mehr erreicht werden. Gesanglich viel zu gut, trotzdem der Künstler gesundheitlich an dem Abend nicht mal richtig fit war.

17. „Adio“, Knez, Montenegro 2015, 13. Platz im Finale:

Songs in einer Landessprache, die wenig Menschen verstehen, haben es für gewöhnlich schwer. Umso erfreulicher ist es, wenn durch Emotionen im Gesang und einer sehr berührenden Melodielinie voll ins Schwarze getroffen wird. Bis heute die beste Platzierung für Montenegro, das bei elf Teilnahmen lediglich zweimal ins Finale kam. Ein Song, der mehr Aufmerksamkeit benötigt und verdient.

16. „Run Away“, SunStroke Project & Olia Tira, Moldau 2010, 22. Platz im Finale:

2010 war die Musikrichtung Eurodance längst Geschichte. Das heißt aber beim ESC nichts, hier darf man bekanntlich alles. Ein 22. Platz ist keine große Leistung – ein weltweit bekanntes Meme danach zu werden dafür schon. Jeder kennt den Epic Sax Guy, das ist der Song, durch den er bekannt wurde! Tatsächlich ein geiles Stück Trash-Pop, das auch außerhalb des kultigen Saxophon-Solos richtig gut abgeht. Die Band probierte es 2017 mit ihrem Song „Hey Mamma“ erneut, schaffte sogar einen 3. Platz und damit die beste Platzierung überhaupt für Moldau – die Hitqualität von ihrem vorigen Beitrag wurde aber nicht ganz erreicht.

15. „Verona“, Koit Toome & Laura, Estland 2017, 14. Platz im 2. Semifinale:

Gleich vier Titel, die die Semifinalshows nicht überstanden haben, schafften es in unser Best of. „Verona“ ist einer dieser typischen Songs, der beim ersten Durchlauf nicht genug hervorsticht und sich deswegen gerade bei den Gelegenheitsguckern ins Off schießt. Gibt man ihm mehrere Chancen, entwickelt aber die vorzügliche Komposition mit dem untypischen Aufbau einen richtigen Sog.

14. „Lights And Shadows“, O’G3NE, Niederlande 2017, 11. Platz im Finale:

Drei Schwestern singen dreistimmig für ihre seit Jahren an Krebs leidende Mutter einen Song über Licht und Schatten. Das verspricht schon beim Lesen Rührung. Wenn die drei Schwestern aber dann noch so überragend gut singen können, dass einem die Kinnlade herunterfällt, stehen die Sterne nicht schlecht. Leider schaffte es die etwas altbackene Komposition nicht, ganz Europa zu überzeugen. Dass es sich hierbei um einen der besten Entries des letzten Jahrzehnts handelt, bleibt trotzdem indiskutabel. Ihre Mutter verstarb nur zwei Monate nach dem Auftritt beim ESC. Tipp: Schaut euch unbedingt mal ein paar Coversongs der Drei bei YouTube an!

13. „Me And My Guitar“, Tom Dice, Belgien 2010, 6. Platz im Finale:

Ein Jahr bevor Ed Sheeran mit „The A-Team“ das Singer/Songwriter-Genre in die vordersten Chartplätze katapultierte, sendete Belgien mit mindestens genauso guter Qualität einen Beitrag zum Wettbewerb. „Me And My Guitar“ ist so einfach wie touchy, stach in dem Jahrgang extrem hervor und bleibt einer dieser Songs, die einem ein Lächeln auf die Lippen und ein warmes Gefühl zaubern, wenn man dran denkt.

12. „Love Kills“, Roberto Bellarosa, Belgien 2013, 12. Platz im Finale:

Gefühlvoller Dance-Pop, der auch als Ballade funktionieren würde, aber so weniger Kitsch präsentiert. Leider war das gesanglich nicht die beste Leistung, deswegen vielleicht doch lieber die Studio Version anklicken! Starke, mitreißende Hook, die immer wieder gehört werden will.

11. „Calm After The Storm“, The Common Linnets, Niederlande 2014, 2. Platz im Finale:

Im Schatten von Conchita Wurst ging der wirklich sehr musikalische niederländische Beitrag in der Presse fast unter. Dass es sich um einen hervorragenden Titel handelt, zeigt die starke 2. Platzierung. Ein Country-Song, der noch heute regelmäßig im Radio läuft und beweist, dass der Eurovision immer auch gute, kommerzielle Musik vorstellen kann und ein Sieg nicht automatisch auch den größten Erfolg im Nachhinein verspricht.

10. „Taken By A Stranger“, Lena, Deutschland 2011, 10. Platz im Finale:

Wir sind bei der Top 10 angelangt. 2010 gewann Lena für Deutschland und brachte die Mega-Show 2011 nach Düsseldorf. Eher untypisch fiel die Entscheidung, dass Lena selbst den Sieg verteidigen wird und nochmal antritt. In der zweiten Runde reichte es zwar nur für Platz 10, was aber dennoch für eine Wiederholungstäterin eine beachtliche Platzierung darstellt. Dass es sich bei dem hypnotischen „Taken By A Stranger“ um den besten deutschen Beitrag des Jahrzehnts und um die wahrscheinlich beste Performance handelt, die Lena jemals hervorgebracht hat, geht leider viel zu oft unter.

09. „Color Of Your Life“, Michał Szpak, Polen 2016, 8. Platz im Finale:

Polen hat 1994 debütiert und den 2. Platz gemacht. Bis heute die beste Platzierung für unser Nachbarland. Seit der Jahrtausendwende konnten sich die Polen lediglich acht Mal fürs Finale qualifizieren und sahen nur zwei Mal die Top 10. Michał Szpak schaffte mit seiner dramatischen und außerordentlich gut gesungenen Powerballade „Color Of Your Life“ bei den nationalen Juries den 25. von 26 Plätzen – beim Telefonvoting kletterte er bis auf Rang 3! Der bis dato größte Unterschied zwischen beiden Votes und somit ein kleiner Skandal. Am Ende reichte es insgesamt für Platz 8.

08. „Playing With Numbers“, Molly Sterling, Irland 2015, 12. Platz im 2. Semifinale:

Irland bleibt bis heute mit insgesamt sieben Siegen das erfolgreichste Land – allerdings hat es seit 1996 nicht mehr gewonnen. Seitdem jedes Land die Sprache selbst auswählen kann, ist der Vorteil der englischen Landessprache verflogen und die Qualität der Titel rapide gesunken. Irgendwie scheint das Image nicht mehr zu stimmen, denn selbst wundervolle 3er-Takt-Kompositionen wie das selbstgeschriebene „Playing With Numbers“ von der damals gerade einmal 17-jährigen Molly Sterling fallen durch. Sehr schade.

07. „Arcade“, Duncan Laurence, Niederlande 2019, 1. Platz im Finale:

Bereits viermal konnte die Niederlande beim Eurovision gewinnen. Dann folgte eine Flaute von 44 (!) Jahren. Letztes Jahr fackelte Duncan Laurence mit seiner tieftraurigen, alternativen Ballade „Arcade“ die Hütte ab und sorgte für Schauer ohnegleichen. Auch hier tippten wir in unserer Prognose auf Sieg und lagen richtig. Dieses Jahr sollte die Show also seit mehr als vier Dekaden wieder bei unseren Nachbarn im Westen stattfinden – es kam nur was dazwischen, wie ihr ja alle wisst… somit ist Duncan aber der einzige Sieger, der zwei Jahre den Thron für sich beanstanden darf. Bei dem Song sei es ihm gegönnt.

06. „Birds“, Anouk, Niederlande 2013, 9. Platz im Finale:

Trotz Sieg für Duncan gibt es einen Titel aus der Niederlande, der es in unseren Augen noch einen Ticken besser gemacht hat. Die Niederlande verfehlte acht Mal (!) in Folge das Finale, egal mit welchem Genre und mit welcher Qualität sie anrückten. Die bereits lange etablierte Rock-Sängerin Anouk legte 2013 den Meilenstein für einen Weg, der schließlich durch Duncan seinen Höhepunkt fand. Trotzdem ist das moll-artige, depressive, alternative Stück „Birds“ ein absolutes Meisterwerk. Zu kantig im Ohr, um auf Anhieb zu gefallen. Ein 9. Platz 2013, aber ein großer Sieger der Herzen. Hands down!

05. „Beautiful Song“, Anmary, Lettland 2012, 16. Platz im 1. Semifinale:

„Beautiful Song“ aus Lettland ist laut Ergebnis beim Wettbewerb der schlechteste Beitrag in unserem Ranking. Das liegt in erster Linie an der misslungenen Performance. Blöde Choreographie, gesanglich nur Mittelklasse, schräges Acting. Hört also auch gern in die Studio Version rein. Dieser Titel macht seinem Namen alle Ehre. Eine Melodie, die man so schnell nicht mehr vergisst, ein echtes Guilty Pleasure und ein Ohrwurm, der sich nicht tothören lässt.

04. „Same Heart“, Mei Finegold, Israel 2014, 14. Platz im 2. Semifinale:

Unser vierter und letzter Beitrag, der es nicht ins Finale schaffte. Die Kommentare bei YouTube beschreiben es perfekt: „Israel was robbed“, wie man so schön sagt. Es bleibt eine bodenlose Frechheit und ein zu keiner Sekunde nachvollziehbares Ergebnis, dass dieser Power-Dance-Pop es nicht ins Finale schaffte. Hier stimmt ALLES! Gesang, Performance, Stimme, Melodie, zweisprachiger Text. Mehr geht eigentlich nicht. Eine absolute Schande und der most underrated Beitrag des Jahrzehnts.

03. „Rise Like A Phoenix“, Conchita Wurst, Österreich 2014, 1. Platz im Finale:

Ein Gewinnerbeitrag, wie er im Buche steht. Einer der ganz wenigen Titel, den wohl auch jeder Nicht-Eurovision-Fan kennt – und ganz besonders eine Künstlerin, die jeder Nicht-Eurovision-Fan kennt. An Conchita kam man nicht vorbei. Gut so. Ein Höhepunkt für die LGBTQ-Community, ein Zeichen für Diversität, gleichzeitig aber auch die beste Performance des Abends und der bahnbrechendste Gewinn der Dekade. Ja, Politik spielt beim ESC eine Rolle. Trotzdem hat das Lied gewonnen, weil es geil war und nicht, weil da ein als Frau verkleideter Mann mit angeklebtem Bart stand. Deal with it!

02. „Spirit In The Sky“, KEiiNO, Norwegen 2019, 6. Platz im Finale:

Dass der Wettbewerb dieses Jahr in Rotterdam stattfinden sollte, lag in erster Linie an den nationalen Juries. Die wählten das norwegische Trio KEiiNO nur ins letzte Drittel. Bei den Zuschauern war die frisch gegründete Band, die aus der jungen Backgroundsängerin Alexandra, dem nord-skandinavischen Sami-Parteimitglied Fred und dem Songwriter Tom bestand, der klare Gewinner. „Spirit In The Sky“ ist wohl das Eurovision-artigste Lied seit Ewigkeiten, bereits absoluter Kult und zurecht ein Stomper, der so catchy ist, dass er auch Nicht-Fans mit seinem Joik-Jodel und dem mitreißenden Beat irgendwie in den Bann zog.

01. „City Lights“, Blanche, Belgien 2017, 4. Platz im Finale:

Belgien 2017 ist unser Dekaden-Gewinner. Ein Song, der zu keiner Sekunde nach Eurovision klingt, sondern nach Dream-Pop at its best. Eine 16-jährige Ausnahmestimme. Ein Lied, das so unaufdringlich wie sensationell ist und auch nach 200x Hören keinen Hauch von Genialität verliert. Natürlich ist das kein Gewinnertitel. Ein Song, den viel zu wenige wahrnehmen und der auf einer so großen Bühne gar nicht richtig wirkt. Hört man ihn stattdessen laut nachts im Auto auf der Autobahn, verfällt man ihm. Danke an Blanche und unsere Nachbarn, die mehrmals so mutige, moderne Titel geschickt und sich hiermit ein Denkmal gesetzt haben.

Kleines Resümee für die Statistik-Fans:
Wandelt man unser Ranking in Punkte um (Platz 1 bekommt 22 Punkte, Platz 2 21 Punkte usw.), ist die Niederlande sowohl in der Quantität mit vier Beiträgen als auch in der Qualität der Platzierungen unser Sieger (54 Punkte), gefolgt von Belgien (43 Punkte) und Norwegen (21 Punkte). 16 unterschiedliche Länder konnten einen Platz ergattern.
2014 ist der Jahrgang, der am besten abgeschnitten hat (51 Punkte), obwohl 2017 (42 Punkte) und 2010 (23 Punkte) sogar mit vier Titeln und somit jeweils mit einem Beitrag mehr im Ranking landen konnten. Den dritten Platz belegt 2019 (37 Punkte), das Schlusslicht bildet 2018 (ein Punkt). Jedes Jahr ist mindestens einmal in dem Best of vertreten.

Website / Facebook / Instagram / Twitter

Die Rechte fürs Bild liegen bei der EBU.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert