Interview mit I Am Jerry über „Habicht“!

Wir hatten am Wochenende auf dem Soundgarden Festival in Bad Nauheim die Chance mit Julian, dem Sänger der Sprockhöveler Band I Am Jerry, zu quatschen. Hierbei konnten wir durchaus interessante Informationen, über ihr Debütalbum „Habicht“, welches diese Woche erscheint, die Vergangenheit und die Zukunft der Band in Erfahrung bringen. Wann nach ihrem Debütalbum neue Musik erscheinen wird und was die Fans bei der kommenden Tour erwarten können, deutet Julian auch an!

minutenmusik: Hallo Julian. Euer Debütalbum „Habicht“ erscheint diese Woche. Wie fühlt es sich an nach fünf Jahren endlich den Vogel in die Welt zu lassen?

I Am Jerry: Sehr, sehr gut! Ich check das gar nicht so richtig. Es kommt halt am Freitag ’ne Platte raus, man hat immer auf die hin gearbeitet und jetzt ist das irgendwie schon am Freitag. Weißt du, man kriegt das gar nicht so richtig mit.  Aber wir freuen uns natürlich riesig! Das ist halt schon heftig. Es ist nicht so, wie man sich das immer vorgestellt hat, dass man dann so denkt „BOAH, DA KOMMT JETZT DIE ERSTE PLATTE!“ und, dass man einen Fokus die ganze Zeit hat, sondern man stolpert da halt echt rein, hat die ganze Zeit irgendwelche Termine und schon ist die Platte draußen. So wird das wahrscheinlich sein. Aber wir werden uns am Freitag natürlich trotzdem völlig abschießen. Das steht außer Frage!

minutenmusik: Wie ist es eigentlich zu dem Vertrag mit Warner [Music Germany] gekommen?

I Am Jerry: Wir haben damals 2011 bei Rock Am Ring gespielt, wo es so voll war und die Leute so abgegangen sind, dass danach der Typ von den Beatsteaks irgendwie meinte: „Ey Jungs. Mega geil! Habt ihr Bock?“. Und so kam das dann zustande. Wir wurden also total klassisch entdeckt. So ganz absurd.

minutenmusik: Das hat dann aber ja noch ganz schön gedauert, bis die erste Platte kam.

I Am Jerry: Ja, hat schon gedauert. Das war aber einfach nur, weil wir zu viel im Studio waren. Wir hätten vor drei Jahren noch anders geklungen. Von daher: Gut, dass das so ist!

minutenmusik: Wenn man sich euer Album anhört, hört man da viele verschiedene Einflüsse aus den unterschiedlichsten Genres heraus. HipHop, Pop, Indie, Rock, … Was hörst du privat für Musik und welche Künstler haben euch da am meisten inspiriert?

I Am Jerry: Das ist halt bei uns generell das Ding. In uns steckt noch endviel Indie – Arctic Monkeys, The Killers und der ganze Kram, den wir früher gehört haben, als wir noch Teenies waren. Dann kam diese HipHop-Welle aus Amerika, was wir auch mega gefeiert haben. Kendrick [Lamar], Childish Gambino, die ganze Odd Future [Wolf] Gang [Kill Them All] und so ’nen Kram. Das hat in uns ausgelöst, dass wir beat-igere Sachen machen wollten. Wir dachten uns im Proberaum dann immer so: „Fuck! Wir haben ja Gitarren um!“ (lacht) und konnten das dann nicht völlig vernachlässigen. Dadurch ist dann diese Mischung zustande gekommen, als das es halt schon immer groovt, aber trotzdem genug Gitarren drin sind. Eigentlich auch schon so ein bisschen, wie bei der aktuellsten Arctic Monkeys Platte [AM]. Die haben sich wahrscheinlich was ähnliches gedacht. Die ist zwar auch nur Gitarren, aber halt trotzdem alles super slow und super beat-ig. Man merkt allerdings live jetzt, dass das dann alles doch ein wenig sehr langsam ist und ist dann auch froh Tracks, wie „Wir wolln die Sonne Sehn“ oder „Habicht“ zu haben, die dann doch aufreißen und flotter sind. Alle Künstler, die uns beeinflussen kann Ich gar nicht aufzählen. Das wäre viel zu viel. Das ist eben unheimlich viel aus dem Indie, der halt früher da war und ganz viel aus dem neuen HipHop. Für mich persönlich zum Beispiel auch sowas wie Kanye West auf jeden Fall. Ich find sowas, wie die Gorrilaz, der eine Typ von Blur, aber auch mega heftig. Deshalb ist die Platte, glaube Ich, auch so vielseitig.

minutenmusik: Hört man sich die einzelnen Tracks genau an, merkt man, dass sehr viele unterschiedliche Synthies und Samples verwendet werden. Wie entsteht dann zum Beispiel ein Song, wie „Habicht“, der eigentlich komplett auf diesen Klängen aufbaut? Im Studio oder im Proberaum?

I Am Jerry: Der „Habicht“ ist beispielsweise am Klavier entstanden. Ich saß am Klavier und habe dieses Thema gespielt und an dem gebaut. Dann stehst du halt mit deinen Kumpels zusammen und machst da ein bisschen mehr am Laptop draus und dann probst du das mal. Das ist halt so ein Verbund. Es gibt auf der Platte einige Lieder, die sind vollkommen im Proberaum entstanden und paar vollkommen am Computer. Nachtschicht ist beispielsweise sehr Gorrilaz-mäßig. Da liegt total viel übereinander, was gestapelt wurde. Das ist so der Gorrilaz-Mechanismus: Einfach tausend Melodien übereinander. Hingegen ist „Deine Stimme“ zum Beispiel komplett im Proberaum entstanden. Das sind einfach zwei große Unterschiede.

minutenmusik: Wenn man euch schon Live gesehen hat, weiß man, dass du „Alles Muss Neu“ auf einer Mandoline spielst. Wie kommt man dann auf die Idee sowas zu benutzen?

I Am Jerry: Die steht bei uns in der WG! Beziehungsweise die stand da, weil wir sie ja jetzt immer Live dabei haben. Die stand da halt und wir hatten dieses komische Sample, was Ich irgendwann mal Nachts zusammen gebaut habe, und saßen zusammen in der WG. Dann hat irgendjemand die Mandoline genommen und alle fanden es geil. Und dann wars halt die Mandoline!

minutenmusik: Beruht euer Song „Hübsche Polizeifrau“ eigentlich auf einer wahren Begebenheit?

I Am Jerry: Ja! Wir hatten für den Festivalsommer Proben in einem Jugendzentrum in Hattingen und haben ein bisschen Radau gemacht – gegen den Zaun gepinkelt und sowas. Dann haben die Bullen das mitgekriegt und sind da rein – zu zehnt! Die haben uns dann gegen die Wand gestellt und „Rückt die Päckchen raus!“ gesagt. Da war auch eine dabei, die ganz akribisch und jung war. Die kannten wir aus der Schule, war im Sport LK und all der Scheiß. Dann hab Ich mir gedacht: „Fick Dich! Schreiben wir halt ein Lied über dich!“. Naja, also das ist komplett true.

minutenmusik: Ah, krass! Euer politisches Statement zu dem strittigen Post der Bochum Total-Macher vor einigen Wochen war sehr deutlich. Überlegt ihr in Zukunft auch politische Inhalte klar in eure Songs einzubauen?

I Am Jerry: Ne, das wird immer subtil und unterschwellig bleiben. Im Moment sind wir auf jeden Fall noch nicht da, dass wir politische Songs schreiben wollen. Klar, wir sind alle sehr politisch interessierte Typen und haben auf jeden Fall auch eine Meinung zu allem, aber dafür, das jetzt so explizit in der Musik auszudrücken, ist das glaube Ich auch nicht die richtige Musik. Das geht bei KIZ zum Beispiel besser.

minutenmusik: Wobei bei KIZ früher ja auch nie jemand gedacht hätte, dass die sich in eine so politische Richtung bewegen werden.

I Am Jerry: Ja, das stimmt! Das kann halt auch eine Entwicklung sein. Ich find zum Beispiel auch, dass dass sehr subtil und sehr politisch ist bei „Alles Muss Neu“ die Deutschlandflagge zu verbrennen und das ganze auf die ganzen Menschen, die fliehen müssen, zu beziehen. Aber Ich würde mir das anders auch gar nicht wünschen wollen. Dann wird das zu eingeschränkt, auch von dem, was du in die Songs reininterpretieren kannst. Ich hoffe ja auch, dass die Platte generell erreicht, dass die Leute, wenn die sich die anhören, ihre eigenen Dinge darin erkennen. Ich will das nicht völlig vorformulieren, was die Leute denken müssen. Vielleicht aber irgendwann schon, aber erstmal nicht.

minutenmusik: Laut eurer Texte müsstet ihr ja eigentlich totale Drogenjunkies sein. Wer von euch ist der Bandjunkie?

I Am Jerry: Das sind wir tatsächlich gar nicht so! Ich nehme zum Beispiel gar keine Drogen und trinke nur ab und an mal ein Bier. Der Rest turnt aber schonmal ab! Ich find aber auch einfach, dass die Drogenthematik sowas schönes romantisches hat, was aber nicht kitschig ist. Dadurch kann man viel mehr Emotionen ausdrücken. Wenn man sagt, dass man mit jemandem auf dem Asphalt liegt und die Sterne anguckt, weil man eben einen gepafft hat, dann hat das für mich eine Romantik, die überhaupt nicht kitschig ist. Wenn man jetzt einfach singen würde, dass man da auf dem Asphalt liegt mit der Alten und sich die Sterne anguckt, ist das halt kritisch. Deshalb gefällt uns generell diese Drogenthematik so sehr.

minutenmusik: Ihr seid jetzt ja auch schon einige Zeit auf Tour, unter anderem im Frühjahr mit I Heart Sharks und jetzt auf Festivaltour. Habt ihr schon einen Lieblingssong zum Live spielen?

I Am Jerry: Auf jeden Fall „Habicht“! Das ist immer der letzte Song und sobald ’ne große Crowd am Start ist, nimmt der alle mit. Die „Hübsche Polizeifrau“ kommt auch immer sehr gut, weil die Leute den Text da gut verstehen. Sonst ist „Wir Wolln Die Sonne Sehn“ auch ein spitzen Live-Track. Ich persönlich mag „Nachtschicht“ mega gern. Aber das ist auch mein Lieblingstrack. „Für Immer High“ natürlich auch. Der wird auch unsere nächste Single mit Video und allem Pipapo sein.

minutenmusik: Nächste Woche ist in Berlin eure Release-Show und im Dezember folgt dann eure erste Tour als Headliner. Was können die Leute erwarten?

I Am Jerry: Die Leute können vor allem die ganze Platte erwarten. Wir werden nicht alle Lieder so darbieten, wie sie auf der Platte klingen. Wir werden paar ruhige Lieder auch ganz anders klingen lassen. Ich glaub man kann eine sehr vielseitige Show erwarten. LED-Wände oder sowas werden wir natürlich noch nicht haben. So ein privates Konzert ist halt nochmal was komplett anderes. Das ist ja eigentlich auch fast privat. Das sind so 200-300 Mann Clubs. Wenn da 200 Leute drin sind, ist das super intim. Dann kommen so Songs, wie „Deine Stimme“ auch ultra heftig. Das wird richtig geil!

minutenmusik: Ich habe euch, wie viele andere bestimmt auch, durch den Auftritt bei Circus Halligalli kennengelernt. Wie kam es zu dem Auftritt?

I Am Jerry: Echt? (Lacht) Wie viele uns durch scheiß [Circus] Halligalli kennen. Das ist echt nicht zu fassen!  Wir waren da ja auch nur paar Sekunden drin. Die haben uns damals eingeladen und gefragt, ob wir nicht spielen wollen. Eigentlich war das auch viel zu früh. Vielleicht spielen wir aber dieses Jahr, wenn die Platte draußen ist, da nochmal. Diesmal dann aber auf der Bühne. Das steht aber noch völlig in den Wolken!

minutenmusik: Und wie habt ihr das damals so erlebt?

I Am Jerry: Das war schon crazy, wenn du noch nie in so ’nem großen Fernsehstudio warst! Das ist völlig absurd. Du kommst halt aus diesem Schrank, performst eine Minute – die machen das extra länger, als das, was wirklich gezeigt wird – und dann hört die Musik auf und alle stehen da so „Joa. Kurze Pause!“ und das Publikum klatscht. 500 Leute sitzen da, Klaas kommt und sagt einem, wie geil er das fand. Dann kommen tausend Leute und hauen dir Puder in die Fresse und dann gehts auch schon weiter. Man geht wieder in den Schrank, es wird runtergezählt und man muss das ganze nochmal machen. Das ist super skurril, aber natürlich auch geil!

minutenmusik: Damals, als ihr bei Rock Am Ring aufgetreten seid, habt ihr noch auf Englisch gesungen. Mittlerweile singst du auch Deutsch. Wie kam es zu dem Sprachwandel?

I Am Jerry: Das ist so ein schleichender Prozess. Dann denkst du dir so „Ach, Ich schreib jetzt mal ein Lied auf Deutsch.“ und probierst das mal aus. Dann haben wir gemerkt, dass das international ultra heftig schwer ist, weil du mit allem verglichen wirst. Du musst dir was ganz absurdes überlegen, dich anmalen oder so, dass man raussticht und irgendwo ankommt. Sonst ist man nämlich nur eine Kopie von Band XY. Da hatten wir keinen Bock drauf und dachten uns, dass das, was wir machen, uns eh in Deutschland fehlt. Dann haben wir angefangen das auf Deutsch zu machen. Wir haben jetzt auch echt ’ne Platte gemacht, die Ich so von einer deutschen Band nicht kenne im Moment. Die steht völlig alleine da. Für uns ist das sehr wichtig gewesen das zu machen, was wir hier und da vermissen.

minutenmusik: Wie sieht neben der Tour im Dezember die Zukunft für I Am Jerry aus?

I Am Jerry: Nächstes Jahr kommt direkt die nächste Platte! Wir gehen auch nächstes Jahr im Frühjahr wahrscheinlich nochmal auf Tour und die Festivaltour wird viel größer werden. Vielleicht spielen wir auch nochmal paar Support-Slots. Wir geben hier nicht auf. Wir machen das ja auch ausschließlich und das fühlt sich alles ganz gut an, wie das so wächst. Es kommen immer mehr Leute und finden das auch geil. Wir machen einfach weiter damit. Wir haben auf jeden Fall heftig viele Visionen und Ideen. Wir sind noch längst nicht leer.

minutenmusik: Dann sind wir mal gespannt! Vielen Dank für das Interview!

I Am Jerry: Gerne!

So hört sich das an:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=fHujQTorRMM

Website / Facebook / Instagram

Foto von Robert Winter.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.