Maria Mena, Gloria Köln, 27.01.2025

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Amy Winehouse war dafür bekannt, dass man in ihren Songs genau mitverfolgen konnte, was gerade in ihrem Leben geschieht. Taylor Swift tut das auch gern, wodurch ein Großteil ihrer Fans überhaupt erst dazukam. Doch auch Maria Mena legt ihren gesamten Herzschmerz in ihren Texten offen. Es wird nichts schöner gemacht und nahezu nichts ausgespart. Ihr Publikum im Gloria in Köln ist ihr dafür äußerst dankbar.

Schon vergangenen Januar besuchten wir die norwegische Künstlerin in der hübschesten Konzert-Location der Domstadt. Wenig Erwartungen gehabt. Paar gute Songs, guter Gesang, gute Band – das hätte gereicht. Stattdessen wurden wir aber mit einer unaufhaltsamen Welle an Emotionen erschlagen, die mit solch einer Energie auf uns schwappte, dass sie uns für mehrere Stunden völlig aus der Bahn riss. Maria Mena, zum damaligen Zeitpunkt 37, nun 38 Jahre jung, spielte nicht einfach ein Konzert. Sie lud ihre Fans auf eine Reflexionsreise ein. Zwei Stunden purer Seelenstrip. 125 Minuten voller Trauerbewältigung und Geständnissen, aber auch Mut-machenden Erkenntnissen, Lehren, unterstützenden Messages. Niemand muss mit seinen Gefühlen allein sein, das Allermeiste haben andere schon genauso oder sehr ähnlich durchlebt. Und geteiltes Leid ist tatsächlich sehr oft halbes Leid.

Genau daran setzt die völlig bezaubernde und einnehmende Musikerin 371 Tage später an. Wieder ist sie im Gloria. 2024 hatte sie Angst, dass kaum jemand kommen wird, war sie bis dato acht Jahre nicht mehr auf deutschen Bühnen. Doch die zwei Gigs in Deutschland reichten nicht aus. Zwar waren die Shows nicht ganz ausverkauft, aber das Feeling im Raum einfach so intim und umarmend, dass Zuschauer*innen wie Bühnenpersonen es ganz bald wieder brauchten. Deswegen gibt es 2025 gleich fünf Auftritte hierzulande.

Es fühlt sich gleich an und doch anders. Beide Male stehen 20 Songs auf der Setlist, beide Male gibt es keinen Support vorab. Dieses Jahr geht der Auftritt nur fünf Minuten kürzer als 2024. Zwölf Titel wurden übernommen, acht wurden ausgetauscht. Doch besonders in Maria selbst hat sich etwas ganz Entscheidendes geändert. Bei dem letzten Gig in Köln war sie schwanger, im Juni wurde sie Mutter. Eigentlich ist es total bescheuert, schon wenige Monate nach der Geburt auf die Bühne zurückzugehen, weiß sie selbst. Aber das Gefühl, was ihr die Band sowie das Publikum geben, tut ihr so gut, dass sie den Stress gerne auf sich nimmt. “Das sind meine zwei Stunden Me-Time am Tag”, sagt sie lachend.

Und genau das ist auch der ganz entscheidende Unterschied zwischen Januar ’24 und Januar ’25. Ihre Stimmung ist eine andere. 2024 kochen die Hormone über, Maria Mena kommen bei einigen ihrer Songs Tränen. Sie freut sich aufs Baby, hat aber auch Angst. Mit ihrem Song “My Lullaby” schließt sie die vorige Tour ab, der erste Song, den sie je schrieb. Da wurde sie gerade von ihrer Mutter herausgeworfen. Dieses Trauma wollte sie abschließen, um so eine bessere Mutter zu sein. Stolz sagt sie, dass sie auch von sich glaubt, bisher eine gute Mutter zu sein. Auf der neuen Tour benutzt sie den Song als Opening, um trotzdem einen dramatischen Bogen zu spannen.

Denn zu ihren Konzerten geht man nicht, um einfach nur sehr guten, oft schnörkellosen Adult-Pop zu hören. Man geht hin, um sich den Geschichten hinzugeben, die sie erzählt. Maria Mena ist nahbar. Dazu braucht es äußerst viel Mut. Doch man kennt es ja selbst aus dem eigenen Leben: Die Menschen, die sich möglichst unperfekt präsentieren und versuchen, mit den eigenen Dämonen in den Kampf zu gehen und sie offenlegen, sind die, die einem oft am liebsten sind. Deswegen fühlt sich auch dieses Mal die Show unglaublich authentisch an, weil es auch sehr traurige Anteile gibt, gleichzeitig jedoch viel mehr Strahlen, weil es Maria offensichtlich ziemlich gut geht.

Sie spricht von einer Art Liebe, die sie vorher noch nie gefühlt hat. Auch wenn das kitschig und klischeehaft klingt. Sie nimmt ihr Kind als Belohnung dafür wahr, was zuvor alles so gar nicht gut gelaufen ist. Zum Beispiel ihre Trennung von ihrem ersten Mann. Sie kamen zusammen, als sie gerade volljährig war. Zehn Jahre sind sie ein Paar, 2014 gehen sie auseinander. In “I Don’t Wanna See You With Her” beschreibt sie das Gefühl, dass sie versucht, ihrem Ex Raum zu geben und ihm nur das Beste wünscht – aber ihn mit einer anderen Person glücklich zu sehen, geht einfach nicht. Noch nicht. Heutzutage können sie wieder gemütlich gemeinsam einen Kaffee trinken und begegnen sich als alte Freunde, das thematisiert sie schließlich in “Little Did I Know”. Fühlen wir, oder?

Tatsächlich bekommt man aber nicht nur Einblicke in ihr Innerstes. Erschreckend fragil wird die Atmosphäre, wenn Maria eine ihrer Backgroundsängerin direkt anspricht und die Geschichte hinter dem Song “Not Ok” erzählt. Ihre Backgroundsängerin, die gleichzeitig eine langjährige Freundin ist, verlor ihren Ehemann, der gleichzeitig auch Vater ihres Sohnes ist. Maria ist erstaunt, wie sie trotz tiefer Trauer alles hinbekommt. Sie habe keine andere Wahl, antwortet sie. Die Blicke zwischen den Beiden wirken dermaßen privat, dass man als Zuschauer*in plötzlich Teil einer echten Beziehung wird und so das Gefühl in dem dazugehörigen Song pur durch einen durchfährt. Dabei nicht glasige Augen zu bekommen, benötigt enorm viel Disziplin. Ähnlich fürsorglich wird es in dem Duett “Habits” mit ihrem Gitarristen, der deutscher Abstammung ist. Große Harmonie mental, große Harmonien im Gesang, nötige Stille im Raum.

Doch neben Melancholie existiert auch Humor. So dankt sie vor der ersten Zugabe, “Leaving You”, allen Männern im Raum, die ihre Partnerinnen oder Kinder unfreiwillig begleitet haben. “Bei dem Song gibt’s ein langes Gitarrensolo, ihr könnt im Nachhinein einfach behaupten, ihr wart auf einem Rockkonzert”. Selbstironisch und witzig. Aber auch Wut kocht in der Osloerin hoch. Zu “Till The Water Runs Clear” lässt sie ihrem Frust freien Lauf. Sie kann die schrecklichen Nachrichten aus den USA nicht mehr ertragen. Sie kann nicht wahrhaben, wie antisozial Menschen in Machtpositionen sich verhalten. Auch das fühlen wir. Ein kurzes über den Kopf streicheln und ein sanftes Flüstern ins Ohr, das sagt, dass wir alle zusammenhalten müssen.

Eigentlich komponiere sie nicht gern für jemanden. Stattdessen seien ihre Songs festgehaltene Gefühle. Dinge, die unbedingt rausmüssen und aus dem Herzen kommen, nicht aus dem Kopf. Doch bei “Growing Pains” erwähnt sie, dass das ein Song für ihre Fans sei. Dass sie spüre, wie einige manchmal eine helfende Hand brauchen, so wie sie selbst eben auch. Maria Mena ist eine Geschichtenerzählerin. Sie ist eine schöne Frau in einem engelsgleichen Kleid, eine Sängerin, bei der man nie den Eindruck gewinnt, dass Technik wichtiger wäre als Emotion. Eine Tänzerin, die sich frei über die Bühne bewegt. Eine Musikerin, die ihre siebenköpfige Band schätzt. Ein Mensch, der dankbar ist für seinen Job. Wer dachte, er oder sie hätte nach dem Auftritt 2024 alles von ihr kennengelernt – nein, da ist noch mehr. Und in dieser Runde ist das ganz viel Sonne, wovon manche Strahlen so brutal heiß scheinen, dass die Außentemperatur in Köln keine Rolle mehr spielt.

Und so hört sich das an:

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Foto von Christopher Filipecki

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